Finanzkrise:Münchens schwache Stellen

München wird von den globalen Turbulenzen besonders betroffen sein. Welche Gefahren drohen der Stadt durch die Finanzkrise?

Wolfgang Fengler

Die globale Finanzkrise hat Deutschland erreicht. Mit der Beinahe-Insolvenz der Hypo Real Estate ist München ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Die Landeshauptstadt wird wie keine andere Stadt in Deutschland von weltwirtschaftlichen Veränderungen beeinflusst. Deshalb wird sie von den globalen Turbulenzen besonders betroffen sein und muss sich mittelfristig auch auf eine Wirtschaftsabschwächung einstellen.

Hypo Real Estate

Beinahe-Insolvenz: die Hypo Real Estate in München.

(Foto: Foto: AP)

Steht München auch vor einer Wirtschaftskrise?

Deutschland hat nach den letzten Wachstumsprognosen bereits eine starke Abschwächung erlitten. München sollte über den weltwirtschaftlichen Abschwung besorgt sein, da die Motoren seiner Wirtschaft - Banken, Versicherungen, die Automobilindustrie und der Tourismus - stark von internationalen Wirtschaftstrends beeinflusst werden:

Banken und Versicherungen: Münchens führende Rolle bei Finanzdienstleistern bedeutet eine besondere Schwachstelle bei finanzwirtschaftlichen "Vertrauenskrisen". Vertrauen ist das entscheidende Kapital der Finanzbranche. Geht es verloren, kommt der Dominoeffekt in Gang, den wir gegenwärtig beobachten und der schon ganze Volkswirtschaften aus dem Gleichgewicht brachte. In München bildet das Kredit- und Versicherungsgewerbe mit knapp 10 Prozent der Beschäftigten einen wichtigen Dienstleistungssektor, allerdings mit absteigendem Trend. Die Gefahr ist nun, dass sich dieser Abwärtstrend verschärfen wird und die Beschäftigten in Banken und Versicherungen doppelt betroffen sein werden: Direkt, weil sie maximale Anstrengen unternehmen werden, Kosten zu sparen, und indirekt, weil das Bankengeschäft unter der allgemeinen wirtschaftlichen Flaute leiden wird.

Lesen Sie weiter: Wie es die Automobilindustrie und den Tourismus treffen könnte.

Münchens schwache Stellen

Automobilindustrie: München ist weiterhin auch "Industrie-Stadt" und eine der wenigen europäischen Großstädte, in denen ein relativ großer Teil der Beschäftigten - mehr als 20 Prozent - in produzierenden Sektoren arbeitet. Dieser hohe Anteil, der langsam absinkt, trägt zur so genannten Münchner Mischung bei, wobei die Automobilindustrie mit den Weltmarktführern BMW und MAN eine besondere Bedeutung spielt. Vor allem die exportorientierte Automobilindustrie ist typischerweise von Schwankungen der Weltwirtschaft disproportional betroffen - und sie wird es noch schwerer haben, wenn der Dollar aufgrund der US-Finanzkrise wieder sinken wird.

Tourismus: München ist Deutschlands Tourismushauptstadt und damit gegenüber internationalen Wirtschaftsveränderungen besonders empfindlich. Wenn das Geld knapp wird, wird bei Auslandsreisen oft als erstes gespart; und wenn eine Währung teurer wird, so wie der Euro in den vergangenen zwölf Monaten, wird der Euroraum als Reiseziel weniger attraktiv. Allerdings profitiert München im Besonderen von der Finanzstärke der Golfstaaten und anderer rohstoffproduzierender Länder. Global gibt es auch eine starke Zunahme des so genannten "Medizintourismus", von dem München einen wichtigen Teil des Marktes in Europa erobert hat.

Lesen Sie weiter: München hat aber auch besonders gute langfristige Chancen.

Münchens schwache Stellen

München hat aber auch besonders gute langfristige Chancen.

Zum ersten Mal leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Urbane Zentren bestimmen die Wirtschaftskraft der Welt, aber nur wenige Städte haben es vermocht, sehr gute Rahmenbedingungen für ihre Bevölkerung und Betriebe zu schaffen. Viele Großstädte der Welt leiden an Umweltverschmutzung, Verkehrsstaus und Kriminalität. München ist eine Ausnahme und erreicht deshalb bei deutschland- und europaweiten Rankings immer wieder Spitzenwerte. Der neue Weltentwicklungsbericht zeigt, dass Lebensqualität nicht nur ein wichtiges Kriterium für wirtschaftlichen Wohlstand bildet, sondern zum entscheidenden Kriterium wird, vor allem, wenn man sich als Wirtschaftszentrum bereits etabliert hat. Für München werden drei Entwicklungen von besonderer Bedeutung sein:

Bevölkerungsverdichtung: Die Welt wird sich weiter verdichten, wenn die Weltbevölkerung in den nächsten 20 Jahren neun Milliarden erreichen wird. Dieses Bevölkerungswachstum wird neue urbane Zentren schaffen und weitere Wachstumspole in Entwicklungsländern schaffen, mit denen traditionelle Zentren gleichzeitig in Wettbewerb stehen, aber auch profitieren können.

Aufstiegs Asiens: Europas Stagnation steht der unaufhaltsame (Wieder-)Aufstieg Asiens gegenüber. Mit zunehmendem asiatischen Wohlstand erreicht man neue Märkte, an die München seine Autos und, mittels Tourismus, seine Schönheit verkaufen kann. Früher haben sich viele über die japanischen Touristen lustig gemacht, die Europa in Windeseile durchschreiten, aber München und Neuschwanstein niemals auslassen. Die nächsten großen Reisegruppen werden aus Indien und China kommen, die zusammen 20-mal mehr potentielle Kunden haben als Japan.

Abkoppelung von Wohnort und Arbeitswelt: Immer mehr Menschen arbeiten zu ungewöhnlichen Zeiten und nutzen dank Informationstechnologie die Möglichkeit des Tele-Commuting. Diese modernen Nomaden suchen sich den Wohnort aus, der für sie die höchste Lebensqualität bildet. Firmen lassen sich von derselben Logik leiten, nicht zuletzt, um für diese neue Schicht an Arbeitnehmern interessant zu sein. Sozial- und umweltgerechtes Wirtschaften ist deshalb nicht nur ein Luxus in Jahren von Haushaltsüberschüssen, sondern wird immer mehr zum Hauptkriterium für die Wettbewerbsfähigkeit von Städten.

Dr. Wolfgang Fengler ist Wirtschafts- und Finanzexperte der Weltbank und leitet die Finanz- und Regionalabteilung in Indonesien. Er stammt aus München.

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