Die Signa-Gruppe um den Tiroler Investor René Benko rollt mehr und mehr Münchens Innenstadt und Geschäftswelt auf - und kündigt an, hier in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro investieren zu wollen. Das Geld soll in ehrgeizige Projekte fließen, insbesondere in die beiden Kaufhäuser, die ganz oder teilweise im Besitz der Österreicher sind. Der traditionsreiche Oberpollinger soll erneut umgebaut und vor allem ganz neu gestaltet werden. Am Karstadt am Hauptbahnhof plant Benkos Unternehmen teilweise komplette Neubauten, ja womöglich sogar eine neue Straße.
Und auch bei Signas wichtigstem Projekt, dem Umbau der Alten Akademie neben der Michaelskirche, geht es offenbar voran. Jahrelang wurde darüber diskutiert, wie modern der historisch bedeutsame Komplex an der Neuhauser Straße mit den künftigen Geschäften, Büros, Lokalen und Wohnungen werden darf. Jetzt scheinen sich die Vertreter der Stadt, der Denkmalschutz-Behörden und des Investors anzunähern. Noch in diesem Jahr könnte der Stadtrat das Signal zum Start des Baugenehmigungsverfahrens geben. Signa wird damit endgültig zu einem der größten Immobilien-Akteure in München. Ein Überblick über das Benko-Imperium in der Innenstadt.
Was Benko beim Karstadt am Hauptbahnhof plant
Ein Großteil der einen Milliarde Euro fließt in die Umstrukturierung des denkmalgeschützten Altbaus mit dem lang gestreckten Erweiterungstrakt aus den Siebzigerjahren zwischen Hauptbahnhof und dem Hotel Königshof. Erst kürzlich war die Beteiligung der Signa an dieser Immobilie bekannt geworden. Die andere Hälfte gehört der Investment-Firma RFR. Die städtebauliche Situation im Bereich der Schützenstraße und Prielmayerstraße könnte durch einen Neubau oder besser gesagt durch zwei Neubauten, die Signa im Sinn hat, enorm aufgewertet werden.
Statt des jetzigen sperrigen Riegels könnte eine attraktive Passage oder gar eine Straße zwischen diesen beiden neuen Komplexen zur Belebung des Umfelds beitragen. Bislang werden Schützen- und Prielmayerstraße nur durch die kleine Luitpoldstraße verbunden, die auch Zufahrt zu einer Parkgarage ist. Die Überlegungen dazu seien in einem sehr frühen Stadium, betont Signa-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber. Wann die Baumaschinen auffahren ist ungewiss.
Ein Tunnel für die Alte Akademie
Ein spektakulärer Signa-Plan betrifft auch die Alte Akademie, genauer gesagt die Zufahrt für die künftigen Bewohner des historischen Komplexes. Denn die Signa plant, die neu zu bauende Tiefgarage über einen Tunnel mit der Garage des Kaufhauses Oberpollinger zu verbinden. Damit könnte die Kapellenstraße noch weiter vom Autoverkehr befreit und die Fußgängerzone entlang des benachbarten Erzbischöflichen Ordinariats verlängert werden.
Umstritten bleibt die Frage, was aus den alten Hettlage-Arkaden wird. Ende April ging das Schweizer Büro Morger Partner Architekten als Sieger aus dem Architektenwettbewerb zur Neugestaltung der Alten Akademie hervor. Wesentliche Vorgabe war, dass sich das Erscheinungsbild des historisch bedeutsamen Ensembles nicht grundlegend verändern darf. Die Schweizer gingen bei ihrer Interpretation des Vorhandenen "behutsam und stimmig" vor, lobten alle Beteiligten das Konzept - mit Ausnahme der Arkaden. Der Investor möchte zwar einen Durchgang an der Neuhauser Straße erhalten, aber die Verkaufsflächen auch deutlich näher an die Fußgängerzone rücken.
Vor allem Stadtheimatpfleger Gert Goergens kämpfte für die Arkaden. Sie gehörten zum typischen Erscheinungsbild der Altstadt und seien damit unverzichtbar. Außerdem dürfe den Passanten kein öffentlicher Raum entzogen werden. Signa unterbreitete einen Vorschlag: Zur Fußgängerzone hin sollen die Arkaden erhalten bleiben, aber deren Tiefe von 7,65 Metern um etwa die Hälfte verringert werden.
Jedoch besteht Signa darauf, dass die Arkaden an der Kapellenstraße verschwinden. Geplant ist, den Durchgang im sogenannte Giebelbau der Alten Akademie, der quer zur Fußgängerzone steht, zu schließen. Im Erdgeschoss entsteht damit ein beeindruckend großer Raum. Welches Geschäft dort einzieht, ist noch nicht bekannt. Die Signa wünscht sich jedenfalls mehr statt der jetzt zwei bogenförmigen Öffnungen hin zum Platz mit dem Richard-Strauss-Brunnen. Das bringe zusätzliches Licht ins Haus und schaffe eine attraktive Verbindung hin zum Platz und zur Fußgängerzone. Hier ist noch nicht geklärt, ob ein solcher Eingriff in die nach dem Krieg wiederaufgebaute Fassade mit dem Denkmalschutz vereinbar ist.
Dennoch ist Signa-Geschäftsführer Stadlhuber optimistisch. Einem Kompromiss, bei dem die Vertreter der verschiedenen Positionen Zugeständnisse machten, stehe nichts mehr im Weg. Signa respektiere die historische Bedeutung des Bauwerks als Ort der Kultur und der Bildung. An der Fassade in der Nachbarschaft zur Kirche St. Michael und bei der Dachlandschaft gebe es keinerlei Eingriffe, die den Charakter des Ensembles veränderten.
Obwohl der Freistaat Bayern beim Verkauf der Immobilie im Jahr 2013 keine Vorgaben zu einer kulturellen Nutzung in den Räumen der Alte Akademie gemacht hat, will die Signa einen Beitrag zu diesem Thema leisten. Mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hätten Gespräche stattgefunden, berichtet der Signa-Geschäftsführer. Man habe das Angebot gemacht, 150 Quadratmeter Bürofläche zehn Jahre mietfrei zur Verfügung zu stellen.
Hier könnte man nämlich das Archiv und die Arbeitsplätze der Forscher, die sich mit dem berühmten Komponisten Richard Strauss beschäftigen, unterbringen. Doch am Ende habe man sich leider nicht darauf verständigen können, wie konkret dieser Bürotrakt ausgestaltet werden sollte, sagt Stadlhuber.
Oberpollinger wird zum Departmentstore
Zum Imperium der Signa-Gruppe gehören unter anderem die Premium-Kaufhäuser KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg und das Münchner Traditionshaus Oberpollinger, das sich gleich neben der Alten Akademie befindet. Dieses Gebäude soll sich im Innern komplett verändern, um attraktive Verkaufsflächen zu schaffen, der Umbau Schritt für Schritt bei laufendem Betrieb stattfinden.
Einen ersten Eindruck vom neuen Oberpollinger bietet das gerade umgebaute Untergeschoss namens "The Storey". Zur Eröffnung gibt es an diesem Donnerstagabend ein Eröffnungs-Event mit geladenen Gästen. "The Storey" ist ein sogenannter Concept-Store - eine Form des Verkaufens, die zurzeit in Städten wie Melbourne, Mailand oder London Furore macht. Die Marketingleute sprechen von einer Mischung aus Avantgarde, Großstadt-Spirit und Kunstprojekt, die die Regeln des Einzelhandels neu definiere.
Oberpollinger hole diesen Zeitgeist mit einem ungewöhnlichen Architekturkonzept, internationalen Marken und lokalen Designern nach München. Mit "The Storey" bekomme der Oberpollinger ein neues Aussehen - das Traditionshaus verwandle sich in einen "visionären, offen gestalteten Departmentstore", schwärmen die Werbe- und Verkaufsexperten von Oberpollinger.
Unter der Regie des britischen Architekten John Pawson wird sich das Kaufhaus in den kommenden Jahren neu präsentieren. Das gilt zum Beispiel für die vierte Etage mit dem "Home-Bereich" für alles rund um die Wohnung oder das Eigenheim. Pawson pflegt einen sanften Stil bei der Ausstattung der modernen Kaufhauswelt. Er habe sich immer wohl gefühlt in einer visuell unaufgeregten Umgebung, sagte er in einem Interview. Schon als Kind, so der Architekt, sei er dem Instinkt gefolgt, "meine Lebensraum so einfach wie möglich zu gestalten, um zur Essenz der Dinge vorzudringen".