Filmtheater am Sendlinger Tor:Kampf ums Kino

Filmtheater am Sendlinger Tor

Ein Kino mit Charakter - das Filmtheater am Sendlinger Tor.

(Foto: Stephan Rumpf)

Was wird aus dem Filmtheater am Sendlinger Tor? Noch zeigt der Familienunternehmer Fritz Preßmar hier anspruchsvolle Filme. Doch im Hintergrund steht ein Investor bereit. Er will aus dem Traditionshaus ein Luxuskino machen.

Von Anne Goebel

Das Gerücht kursiert in Münchner Filmkreisen seit Längerem, und sollte sich die Sache bewahrheiten, würde das die Kinolandschaft der Stadt grundlegend verändern. Das Filmtheater am Sendlinger Tor als Luxuskino, eines der ältesten und schönsten Häuser als Nobeladresse, reserviert für die zahlungskräftige Klientel: So sieht die Vision aus, die vor einem guten Jahr das erste Mal durch die Branche geisterte und seither nie ganz verschwand. Wenn sich nun der aktuelle Betreiber des Kinos und der mögliche Neue zu Wort melden und in einer Einmütigkeit, die man nicht mit Harmonie verwechseln sollte, das Gleiche beteuern, nämlich dass es im Grunde nichts Konkretes zu berichten gebe, dann ist das verständlich. Man hält sich lieber bedeckt im Vorfeld großer Umwälzungen, und das wäre die Neuerung ja tatsächlich: ein Umbruch.

Das fast 100 Jahre alte Lichtspielhaus mit seinen 400 Plätzen, den handgemalten Plakaten, dem Programm solide gehobener Unterhaltung ist eine feste Größe in der Münchner Kinogeschichte. Aber Historie und Verlässlichkeit allein, das reicht schon länger nicht mehr fürs Überleben im kriselnden Filmtheatergeschäft. Wie immer es am Ende ausgeht mit der Idee für das Traditionshaus in rotem Plüsch, ob sie sich zerschlägt oder die edlen Ledersessel Einzug halten, eines zeigt die Angelegenheit in jedem Fall: die Kinoszene der Stadt kommt nicht zur Ruhe.

Fritz Preßmar, dessen Familie das Kino seit fast 70 Jahren betreibt, gibt sich gelassen. "Die Problematik ist seit mehr als einem Jahr bekannt, und seitdem gibt es eben immer wieder Gespräche." Dass der Bewerber für das neue Konzept, Hans-Joachim Flebbe, beim Eigentümer der Immobilie "Druck macht", will Preßmar nicht leugnen. Trotzdem gefällt ihm das aggressive Wort von der Übernahme nicht, mit dem der Boulevard die Story präsentierte. Der 68-Jährige legt Wert auf Sachlichkeit - das ist ja auch die Art, in der er seit Jahrzehnten seine Kinos leitet.

Bis zur Schließung vor ziemlich genau zwei Jahren gehörte noch das elegante Tivoli an der Neuhauser Straße dazu, und in beiden Häusern folgte Preßmar der schon vom Vater verfolgten Maxime, auf Beständigkeit zu setzen statt auf kurzfristige Moden. Nirgendwo liefen Klassiker wie "Amadeus", "Harry und Sally" oder "Jenseits von Afrika" länger als in seinen Sälen, alles Kassenschlager für eine Klientel mit Anspruch, aber ohne dünkelhafte Berührungsangst vor guter Unterhaltung - typische Preßmar-Filme eben.

Neben dem am Sonntag verstorbenen Steffen Kuchenreuther oder dem seit Jahrzehnten familiengeführten Rio-Kino in Haidhausen verkörpert der Münchner als einer der wenigen das Selbstverständnis der bürgerlichen Kinogänger- und betreiber mit Geschmack. Möglichst unaufgeregt will der Betriebswirt jetzt auch bei den Fakten bleiben. Nämlich: Eine Kündigung vom Hauseigentümer, einer Erbengemeinschaft, habe er bisher nicht erhalten. Sein Vertrag läuft bis Mitte 2015. Und: Ja, er führe Gespräche, um die Vermieter für eine Verlängerung des Vertrags zu gewinnen. Denn dass Kinos schließen müssen, weil eine Verpachtung an Großfirmen mehr Geld einbringe, sei leider inzwischen gang und gäbe. Aber ein Kino durch ein anderes zu ersetzen, sagt Preßmar, "fände ich nicht ganz fair."

Leise Töne auch bei Hans-Joachim Flebbe, der als Erfinder des Luxus-Lichtspiels in Deutschland gilt. Ledersitze, Doorman, Champagner und Cocktails am Platz: Mit der Astor Lounge in Berlin eröffnete er 2008 das erste sogenannte Premiumkino, weitere in Köln und München folgten. Allerdings, an der Isar wurde nur eine kleine Variante daraus, die Astor-Lounge im Bayerischen Hof mit nicht einmal 40 Plätzen. Das ist Flebbe, dem Gründer und ehemaligen Vorstand der Multiplexkette Cinemaxx, zu wenig. "Ich bin seit vier Jahren in München unterwegs auf der Suche nach einem Standort für ein richtiges Kino", sagt Flebbe. Das "konsumfreudige und kulturinteressierte Publikum" sei ideal für sein Konzept auch finanziell gehobener Filmabende. Dass das vor wenigen Wochen eröffnete Gloria genau diese Nische bereits ausreichend ausfüllt, glaubt er nicht: "Da ist noch genügend Potenzial."

Aufregung um das Filmtheater am Sendlinger Tor, das schönste Kino der Stadt, das Juwel aus dem Jahr 1913? Flebbe kann das partout nicht verstehen. "Klar, das ist ein schönes Kino. Aber ich habe doch nicht nur dort angefragt." Er habe sich auch für das Filmcasino interessiert, für das Gloria. Klingt, als sei er immer noch auf der Jagd. Es bleibt also spannend.

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