43. Filmschoolfestival Munich:Wie sieht die Zukunft des Kinos aus?

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Eine Lebensgemeinschaft seit mehr als 40 Jahren: Brillenkaiman Billy und Michael. (Foto: Internationale Münchner Filmwochen GmbH)

60 Filme aus 28 Ländern: Das Filmschoolfest Munich versammelt junge Filmtalente aus der ganzen Welt. In diesem Jahr gibt es zusätzliche Preise – und einen völlig neuen Wettbewerb.

Von Benedikt Karl

Billy und Michael sind unzertrennlich. Seit mehr als 40 Jahren wohnen die beiden zusammen. Michael nennt Billy seinen „Lebensgefährten“. Das Besondere: Billy ist ein Brillenkaiman. Der zwei Meter lange Alligator lebt mit seinem Besitzer in der ostdeutschen Provinz. Dokumentarfilmer Leonard Mann von der Kölner Kunsthochschule für Medien hat die beiden in ihrem Alltag begleitet. Sein Kurzfilm „Der mit dem Krokodil tanzt“ ist einer von 60 Beiträgen, die sich Hoffnungen auf eine Auszeichnung beim diesjährigen Münchner Filmschoolfest machen dürfen.

Das Filmschoolfest ist eine traditionsreiche Institution, die auf mehr als vier Jahrzehnte Historie zurückblicken kann. Und auf große Namen: Schon bei der ersten Ausgabe 1981 wurde ein junger, damals noch unbekannter Regiestudent aus Kopenhagen ausgezeichnet, der heute zu den Größten seiner Zunft zählt: Lars von Trier. In späteren Jahren waren – nur um eine unvollständige Auswahl zu nennen – Caroline Link, Thomas Vinterberg und Maren Ade Teil des Festivals. Der selbst gestellte Anspruch, Treffpunkt der nächsten Generation filmischer Geschichtenerzähler zu sein, scheint also keineswegs zu hoch gegriffen.

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Was aber bewegt sie, die jungen Filmemacher der Zukunft? Ihre Bedürfnisse hätten sich in den letzten Jahren stark verändert, sagen Festivaldirektor Christoph Gröner und die künstlerische Co-Direktorin Julia Weigl in einer Pressemitteilung. Deshalb stünden „mehr Vernetzung, mehr Experiment, mehr Inspiration“ im Mittelpunkt des Filmschoolfestes.

60 Filme aus 28 Ländern sind in diesem Jahr zu sehen. Die Bandbreite ist enorm: Vom dreiminütigen Animationsfilm bis zum halbstündigen Spielfilm ist alles dabei. Und in den meisten Fällen sind die Filmmacher selbst vor Ort. Neben dem etablierten Preis des Internationalen Kurzfilmwettbewerbs gibt es in diesem Jahr eine neue Auszeichnung für Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

20 Beiträge konkurrieren in diesem neuen DACH-Wettbewerb. Ein Team aus drei jungen Kuratorinnen hat alle Einsendungen gesichtet und immer vier Filme zu einem Programm zusammengestellt, das dann gebündelt präsentiert wird. Leonard Manns Dokumentation über Michael und seinen Reptilienfreund ist etwa in einer Programmgruppe mit dem Titel „From the German Hinterland to Open Seas“. Neben der Doku sind darin eine Animation sowie zwei Spielfilme vertreten, darunter „Piecht“ von Luka Lara Steffen, die wie Mann an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert hat. In ihrem Spielfilm wird ein Urlaub in der Provinz zum Albtraum für die junge Protagonistin Johanna. Eigentlich wollte sie ihrer Mutter dort beichten, dass sie nicht zum Abitur zugelassen wurde. Doch angesichts der bedrohlichen Erlebnisse im Urlaubsdorf wird dieses Problem zur Nebensache.

Oft sind es Fragen nach Identität, die die jungen Filmemacher thematisieren. Das Verhältnis zu den Eltern, die Herkunft der Familie, das Entdecken von Liebe und Sinnlichkeit. Wie universell diese Themen sind, zeigt ein Blick auf den internationalen Wettbewerb. In „Polaroid“, einem spanischen Kurzspielfilm von Irene Corts Curto, löst ein spielerischer Kuss zwischen zwei Freundinnen bei der Protagonistin Zweifel über ihre sexuelle Orientierung aus. Die filmische Identitätsfrage kann aber auch als sehr persönliche Selbstoffenbarung ausfallen. Miranda Siegel dokumentiert eine bipolare Phase, in der ihr Körper keinerlei Nahrung in sich behalten möchte. Das Ergebnis ist ein Dokumentarfilm in Form eines Videotagebuchs: „Ignore your feelings at your own peril“ – schonungslos schmerzhaft und unbedingt sehenswert.

„Ignore your feelings at your own peril“ - ein Videotagebuch über eine bipolare Phase. (Foto: Internationale Münchner Filmwochen GmbH)

Wer sich am Ende über eine der Auszeichnungen beim 43. Münchner Filmschoolfest freuen darf, entscheiden verschiedene Jurys. Die Preisträgerfilme im internationalen und im neuen DACH-Wettbewerb werden am letzten Festivaltag noch einmal gesondert gezeigt (alle Filme laufen übrigens in Originalsprache mit englischen Untertiteln). Darüber hinaus darf auch das Publikum einen Favoriten küren. Und in diesem Jahr gibt es gleich zwei neue Auszeichnungen: Die Young Talent Foundation stiftet einen Preis für den besten Animationsfilm, die Queer Media Society zeichnet den besten queeren Kurzfilm aus.

Neben dem klassischen Wettbewerb ergänzt eine Vielzahl an Veranstaltungen das Programm des 43. Filmschoolfestivals. Am Sonntag, 17. November, um 12 Uhr sowie am Freitag, 22. November, um 18.30 Uhr, können Besucher jene Werke sehen, die frisch für die Kategorie „Europäischer Kurzfilm“ bei den European Film Awards nominiert wurden. Darüber hinaus gibt es Podiumsdiskussionen und Vorträge. Diese sollen nicht-alltägliche Einblicke ins Filmgeschäft ermöglichen – und für alle Filminteressierten zugänglich sein, wie Festivaldirektor Gröner betont. Er leitet das Filmschoolfest zum zweiten Mal; im Sommer feierte er seine Premiere als Leiter des Münchner Filmfests.

Clemens Schick ist der Hauptdarsteller in Hans Steinbichlers neuem Film "Pasolini". (Foto: Internationale Münchner Filmwochen GmbH)

Zu den Gästen der Talkveranstaltungen zählt unter anderen Drehbuchautor Moritz Binder, beteiligt an der Neuauflage des Pumuckl und mit „September 5“ unlängst international erfolgreich. Binder erzählt am 21. November um 15 Uhr von den Rückschlägen auf seinem Weg und dem kreativen Potential des Scheiterns. Und Regisseur Hans Steinbichler hat sein neues Werk „Pasolini“ im Gepäck, über das er gemeinsam mit Hauptdarsteller Clemens Schick am 16. November um 17 Uhr sprechen wird.

Wer sind sie also, die zukünftigen Geschichtenerzähler im Film? Das Filmschoolfest Munich gibt darauf eine umfangreiche Antwort. Und zeigt, was die jungen Filmemacher können und was sie bewegt. Aber wie immer gilt beim Film: am besten selbst sehen.

43. Filmschoolfest Munich, 15. bis 23. Nov., Hochschule für Fernsehen und Film HFF, Bernd-Eichinger-Platz 1, Tickets unter filmschoolfest-munich.de

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