Süddeutsche Zeitung

Filmpremiere:Elyas M'Barek legt sein Fack-ju-Göhte-Image ab

Die Premiere von "Dieses bescheuerte Herz" in München wirkt zunächst wie das nächste Mainstream-Spektakel des 35-Jährigen. Doch der Film zeigt, dass der frühere Teenie-Schwarm auch vielschichtige Figuren spielen kann.

Von Philipp Crone

Wenn der Staubsauger dran ist, wird es spannend. Dann sind es nur noch ein paar Minuten, bis auf dem Teppich Chaos ausbricht. Das wirkt auf alle, die es beobachten, so surreal, dass sie es sofort fotografieren. Am Montagabend um 19.34 Uhr surrt der Staubsauger oben vor den Kinosälen des Mathäser vor sich hin.

Es ist noch so still, dass man ihn hören kann, manch einer der 30 Fotografen neben den 15 Kameraleuten schießt ein Testbild: Mann mit Staubsauger auf dem roten Teppich vor der Fotowand für die Premiere von "Dieses bescheuerte Herz". In drei Stunden wird der Staubsauger wieder surren. Und was bleibt dann von dieser Premiere?

Zunächst wirkt alles so, als würde es eine normale Wohlfühlvorstellung mit Elyas M'Barek. Der wohl derzeit gefragteste deutsche Darsteller betritt schon kurz nach dem Mann von der Reinigung den Teppich. Er weiß, dass er jetzt sehr schnell sehr viele gleiche Fragen in unterschiedliche Mikrofone beantworten muss, damit der Film einigermaßen pünktlich losgehen kann. Also setzt der 35-Jährige seinen Foto-Blick auf, was so aussieht, als würde er als Kampfpilot ein feindliches Flugzeug ins Visier nehmen.

Auftritt M'Barek, das bedeutet: Tumult, Teppich-Stalking und Gedränge am Rande der Panik. Einer umgeben von 1200 anderen, die etwas von ihm wollen: Antworten oder wenigstens ein Foto. Während der Münchner mit der linken Hand in der Hosentasche immer wieder erzählt, was er an Weihnachten vor hat (mit Freunden treffen zum Beispiel), macht sein Film-Kompagnon Philip Noah Schwarz, 16, mit der Begeisterung eines Grundschülers bei der Bescherung die ersten Schritte auf seiner ersten Filmpremiere.

Schwarz spielt den herzkranken Teenager David, für den jeder Tag der letzte sein kann und der zwischen Kinderhospiz, Wohnung und Krankenhaus pendelt. Bis er auf Lenny trifft (M'Barek), der zwischen Club, Sportwagensitz, Blondinen-Schoß und Ausnüchterungsbett in Papas Villa pendelt. Erst als er den Wagen im Pool versenkt, sperrt der Vater, Chefarzt der Klinik, die David behandelt, die Kreditkarten. Geld gibt es von da an nur unter der Bedingung, dass Lenny Zeit mit David verbringt und ihm dessen Wünsche erfüllt - die Verfilmung einer wahren Geschichte.

Teenager Daniel Meyer wurde vor einigen Jahren von Journalist Lars Amend begleitet. Er schrieb ein Buch über die gemeinsame Zeit, das Regisseur Marc Rothemund nun verfilmt hat. Meyer ist bis heute am Leben, und mit 20 Jahren auch kein Teenager mehr. M'Barek erzählt, dass Meyer den Film bereits gesehen hat. "Er war zufrieden mit der Darstellung." Ansonsten spricht der 35-Jährige druckreife Werbe-Sätze in die Mikrofone, dass es für jeden Marketingexperten eine Freude ist: "Eine Geschichte für die ganze Familie, in der zwei sehr unterschiedliche Menschen auf einer Reise berührende Dinge erleben." Produzent Oliver Berben lächelt zufrieden, der ideale Weihnachtsfilm.

Während Hunderte Frauen aus der Schmacht-Zielgruppe die Lederhüllen ihrer Handys aufklappen und M'Barek bei der Arbeit fotografieren, sind manche der Darsteller schon im Kinosaal. Gedreht wurde in München zum Teil in der Pfennigparade an der Oberföhringer Straße, wo behinderte Kinder gefördert werden. Einige sind zur Premiere eingeladen und verfolgen, wie sich M'Barek und Schwarz als verwöhnter Lenny und verzweifelter David gegenseitig therapieren, mit brutaler Wahrheit. David zu Lenny: "Kein Beruf? Du bist doch voll alt!" Lenny zu David: "Du gehst in die Schule? Das ist doch eine Investition für das Leben." Beide staunen über den jeweils anderen.

M'Barek ist nicht mehr der proll-sympathische Zeki aus "Fack ju Göhte", sondern eine vielschichtigere Figur. Schon noch ein Lebemann, aber auch nachdenklich und lernfähig. Casterin Franziska Aigner ist hinterher sehr angetan, "er spielt wirklich gut, aufs Angenehmste entspannt und bei sich". Im Laufe der Geschichte lässt Lenny seine dumpfen Disco-Buddys fallen, die sich Pillen einwerfen und Frauen mitnehmen, stattdessen widmet er sich David, der täglich 15 Pillen einwerfen muss, damit ihn nicht der Sanka mitnimmt.

Einige Kinder aus der Pfennigparade jubeln, jauchzen und weinen während der Vorführung, wenn sie im Bild sind, oder als es spannend wird bei einer Herz-OP von David, der den Satz des Abends spricht: "Wenn du es jetzt nicht machst, kann es sein, dass du es nie wieder machen kannst." Die Langform des Carpe diem, und die bleibt auch haften beim Publikum.

Ob Sprüche wie "Du bist ignorant, schusselig und egoman - das Beste, was einem todkranken Kind passieren kann" oder Situationen, die nahegehen: Nach dem langen Applaus am Ende, und während später der Staubsauger wieder läuft, wirken viele der 1200 Premierengäste, als ob sie Davids Leitspruch sofort in die Tat umsetzen wollten.

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SZ vom 13.12.2017/amm
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