SZenario:Die Gäste speisen Gruselaugen

SZenario: Gruppenbild mit zotteligem Kerl: die Stars von "Kohlrabenschwarz", Bettina Zimmermann, Michael Kessler und Bettina Lamprecht (von links).

Gruppenbild mit zotteligem Kerl: die Stars von "Kohlrabenschwarz", Bettina Zimmermann, Michael Kessler und Bettina Lamprecht (von links).

(Foto: Stephan Rumpf)

Perchten-Männer treffen auf Prada-Jünglinge: Die Serie "Kohlrabenschwarz", eine Böse-Nacht-Geschichte, hat Premiere im Arri.

Von Josef Grübl

Auch ein Percht braucht mal eine Pause. Rauchend steht die bayerische Spukgestalt vor der Tür, seine Maske hat er abgenommen, seinen Speer mit Fell umwickelt. Mit jeder Bewegung klirrt und scheppert er, ansonsten sieht diese Schreckensfigur nicht besonders serschreckend aus. Eher wie ein Cosplayer oder ein Statist aus einem "Mad Max"-Film. Das angestammte Habitat der Perchten, die Raunächte im Winter, könnten an diesem Frühsommerabend nicht weiter weg sein. Doch die Diskrepanz hat hier Konzept: Vor dem Kino-Eingang trifft der Perchtendarsteller ("Ich komme aus Passau und mache das seit meiner Kindheit") auf posierende Prada-Jünglinge, Botox-Beautys und Kölner Komiker. Die Gäste essen Gruselaugen und treten durch ein Pappmaché-Tor ins Innere. Im Kinosaal wird gelacht, geschleimt und sogar ein bisschen geheult.

Für die Premiere der Serie "Kohlrabenschwarz" haben die Macher ins Münchner Arri-Kino geladen, der Sechsteiler wird als "Böse-Nacht-Geschichte" angekündigt. Auf den ersten Blick passt hier nicht viel zusammen, die Serie vermischt Genres wie Mystery, Horror, Thriller, Crime und Comedy. "Ich weiß auch nicht, was es ist", wird der Serienerfinder und Showrunner Tommy Krappweis später auf der Bühne sagen; es klingt nicht nach Rechtfertigung, eher nach Erfinderstolz.

Und stolz kann der Mann aus Otterfing ("Bernd das Brot", "RTL Samstag Nacht") auch sein: Hat er es doch geschafft, seine gleichnamige Hörspielreihe um einen Rosenheimer Polizeipsychologen, der es mit bayerischen Mythen und Sagengestalten zu tun bekommt, an ein Hollywoodstudio zu verkaufen. "Kohlrabenschwarz" entstand für den Streaming-Dienst Paramount+ und wird dort ab 8. Juni abrufbar sein.

"Wow, du bist ja Fancy Nancy" begrüßen sich die Influencer in ihren gesponserten Luxus-Outfits, was durchaus als Kompliment gemeint sein dürfte. Der Passauer Percht ist fertig mit Rauchen und trifft auf einen Junior-Percht, der in seinem Zottelfellkostüm an den Kukeri aus "Toni Erdmann" erinnert. Interessiert bloß niemanden, denn jetzt treffen die Darsteller der Serie ein, als da sind Michael Kessler, Bettina Zimmermann, Axel Milberg, Bettina Lamprecht oder Jürgen Tonkel. Sie fahren in kohlrabenschwarzen Limousinen vor, machen Fotos mit den Gruselgestalten vor der Tür und verschmähen die angebotenen Gruselaugen. Dabei sind die aus Kaugummi. Für Münchner Kinopremierenverhältnisse ist es eine eher gemütliche Veranstaltung, die Fotografen verhalten sich gesittet, die Schauspieler sind in Plauderlaune.

SZenario: Spielt einen fiesen Polizeichef: Axel Milberg, mit Frau Judith.

Spielt einen fiesen Polizeichef: Axel Milberg, mit Frau Judith.

(Foto: Stephan Rumpf)

Axel Milberg etwa spielt einen fiesen Polizeichef, also spricht er über extrafiese Rollenvorbilder: "Das sind Vorgesetzte, die nicht genau hinhören, sich kompliziert ausdrücken und am Ende alles für sich beanspruchen." Kennt man. Bettina Zimmermann erzählt von den Unterschieden zum Hörspiel und ihrem kaputten Faxgerät, während Bettina Lamprecht sich an eigene Böse-Nacht-Geschichten erinnert: "Ich habe meinem Sohn lange vom Männlein im Walde erzählt", sagt sie, "natürlich sind die Geschichten aber immer gut ausgegangen." Nur der auf der Bühne als "wunderbar und stets gut gelaunt" angekündigte Kölner Schauspieler und Komiker Michael Kessler ist nicht ganz so gut gelaunt, als man ihn nach seinen Erfahrungen mit Til Schweiger am "Manta Manta"-Set befragt: "Nee, da habe ich jetzt überhaupt keine Lust darauf."

SZenario: Hör auf zu heulen, Tommy: Bei Serienerfinder Thomas Krappweis fließen später am Abend ein paar Tränchen.

Hör auf zu heulen, Tommy: Bei Serienerfinder Thomas Krappweis fließen später am Abend ein paar Tränchen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Verständlich, Schweiger ist ja auch eine ganz andere Baustelle. Hier soll es um Schreckensgestalten aus Bayern gehen, am Ende wird es sogar schrecklich emotional: Nach dem Schlussapplaus und dem üblichen Lobgedudel der Produzentinnen macht Tommy Krappweis seiner krankheitsbedingt verhinderten Frau per Zoom-Konferenz eine öffentliche Liebeserklärung, dabei kullern sogar ein paar Tränen. Der Moment ist rührend und nur ein bisschen unangenehm, die comedygestählte Bettina Lamprecht weiß die Situation aber zu retten: "Hör auf zu heulen, Tommy."

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