Süddeutsche Zeitung

Filmkunsttipp:Wer hat Angst vorm Tod? 

"Schwesterlein" über einen an Leukämie erkrankten Theaterschauspieler und dessen Zwillingsschwester ist ein berührendes, fantastisch gespieltes Vexierbild der Realität.

Von Josef Grübl

Sein Regisseur sagt: "Einen sterbenden Schauspieler auftreten zu lassen, ist obszön." Seine Mutter sagt: "Du hast kein Recht, mir das anzutun." Also geht Sven (Lars Eidinger) zu seiner Zwillingsschwester: Lisa (Nina Hoss) begleitet den krebskranken Theaterschauspieler ins Krankenhaus, sie holt ihn zu sich und ihrer Familie in die Schweiz. Schwesterlein ist ein sehr berührendes und fantastisch gespieltes Drama, das wie ein Vexierbild der Realität daherkommt: Die beiden Hauptdarsteller stehen auch im echten Leben auf der Bühne der Berliner Schaubühne, wie seine Filmfigur feierte Eidinger dort große Erfolge als Hamlet, dessen Regisseur Thomas Ostermeier spielt sich quasi selbst. Der Film lief im Februar im Wettbewerb der Berlinale, bei seinem Besuch des Fünf-Seen-Filmfestivals im August erzählte Lars Eidinger, dass er bei dieser Rolle an Christoph Schlingensief gedacht habe, an dessen öffentlichen Umgang mit seiner Krebserkrankung und dem bevorstehenden Tod. Wer Angst vor dem Tod habe, der schrumpfe, so der Schauspieler. "Und das zu zeigen und auszuhalten, ist doch viel stärker als jemanden zu zeigen, der heroisch wirkt."

Schwesterlein, CH 2020, Regie: Véronique Reymond und Stéphanie Chuat

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SZ vom 29.10.2020
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