Das ist schön:Ein Brüller nach dem anderen

Warum Bayern in Wahrheit die Filmfestspiele in Venedig längst gewonnen hat.

Von Susanne Hermanski

München ist Venedig näher (440 Kilometer) als Berlin (570 Kilometer). Und obwohl sich an dieser geographischen und mindestens ebenso emotionalen Tatsache seit Jahrhunderten nicht wirklich etwas geändert hat, war das nie so offensichtlich wie heute. Die asiatischen und amerikanischen Touristenströme sind mit der Pandemie ebenso abgeebbt wie das Aqua Alta vom vorletzten Herbst. Geblieben sind: die Bayern. Jetzt, da wieder Platz ist auf den Plätzen der Serenissima, kommen sie lieber denn je. Kaum ein Münchner, der in den vergangenen Monaten nicht dasselbe Bild gepostet hätte, auf Instagram, Facebook oder in die Whatsapp-Familiengruppe: der immer noch erstaunlich leere Markusplatz. Und: sie sind durchaus beliebt bei den Venezianern. Sie bestaunen die alte und die neue Kunst, die die Stadt in übergroßer Fülle bietet. Machen danach aufs Ausgiebigste von Ihrem Speisekartenitalienisch Gebrauch und trinken den Spritz endlich da, wo er noch besser schmeckt als im Hofgarten. Und sie bleiben mehrfach über Nacht. "Sie kommen einfach mit dem Auto", sagt Paolo Lorenzoni, "dann müssen sie noch nicht mal ins Flugzeug steigen in Zeiten der Pandemie". Er ist der legendäre Hoteldirektor des noch legendäreren Gritti Palace. Das ist die Venezianische Lieblingsherberge von Stars wie Marlene Dietrich, Paul Newman, Robin Williams - und einiger Bayern, wie der springlebendigen Kunstsammlerin und -Beraterin Gisela Winkelhofer. Stammgast am Canal Grande und nur noch selten in ihrer Heimat bei Passau.

Ja, es ist Filmfest in Venedig, die "Mostra del Cinema". Nun, bei der wäre, ehrlich gesagt, noch ein bisschen Luft nach oben, was die Präsenz aus Bayern anbelangt. Einzig der BR verweist stolz auf einen Film, den er mitproduziert hat: "Land of Dreams". Dieses Werk der ansonsten gar nicht so recht bayerischen Regisseurin Shirin Neshat (lebt zeitweise ausgerechnet in Berlin) spielt in der nahen Zukunft und handelt von einer Frau, die im Zuge einer Studie im Mittleren Westen der USA die Menschen nach ihren Träumen befragt. Von Venedig oder den Voralpen erzählen die ihr freilich nichts, eher von Armut und Ängsten. Vielleicht macht den Film ja gerade das preisverdächtig. Doch die Bayern sollten sich an dieser Stelle keinesfalls geschlagen geben!

Sie können nicht nur kommen und sehen. Sie können auch siegen. Sogar bei der Mostra. Ja, in Wahrheit haben sie das schon lange. In all den 78. Festivaljahren. Wie? Wenn alle, die dies jetzt lesen, geloben, es unter keinen Umständen unseren Landesvater wissen zu lassen - Markus Söder fällt am Ende noch von der ihm eigenen Bescheidenheit ab - dann verraten wir es: Dieses Tier, das da all überall in der Lagune auf Podesten steht und in Mauern geritzt ist, das in Gold gegossen feierlich am Ende der Mostra den besten der Künstler überreicht wird, von dem kann ja jeder behaupten, es sei der "Venezianische" - es ist in Wahrheit der "Bayerische Löwe"! Und der von Metro-Goldwyn-Mayer übrigens erst recht. Das ist Geschichtsfälschung? I wo. Das ist schön.

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