Iljine hat sich seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2011 als gute Chefin erwiesen, was die Sponsorensuche und die Lokalpolitikerdressur angeht. Aber es stellt sich die Frage, ob man von Söders zusätzlichen Millionen nicht zusätzlich eine künstlerische Leitung engagieren sollte, die für mehr Profilschärfe sorgt. Und die müsste Söder schnell die schizophrene Idee ausreden, gleichzeitig der Berlinale Konkurrenz machen und diverse neue Zusatzsektionen einrichten zu können.
Fast jede Stadt feiert das Kino, vom "Fetisch Film Festival" in Kiel bis zur Regensburger Filmwoche
Natürlich gibt es auch das Modell Zirkusfestival. Veranstaltungen wie das South by Southwest in Texas bekommen den Mix aus Filmen, Konzerten und interaktiven Medien gut hin - müssen sich dafür aber auch damit zufriedengeben, dass sie nie mit der aufs Kino fixierten Konkurrenz werden mithalten können. Und für beide Optionen sind Staatsgelder ohnehin nur eine Teillösung, solange es keine richtige Vision gibt.
Fragt man zum Beispiel einen staatsskeptischen Kinorevoluzzer wie den Regisseur Klaus Lemke nach seiner Meinung, der beim Filmfest seinen neuen Film "Bad Girl Avenue" zeigen wird, kommt prompt eine SMS: "Fuck you, Filmförder-Folklore!"
Was der Minister und die Leiterin aber durchaus mit dem Geld anstellen könnten, wäre die Beseitigung vorhandener Probleme. Viele Mitarbeiter von Filmfestivals, auch in München, arbeiten mit befristeten Verträgen und für geringe Löhne. Das macht eine vernünftige Lebensplanung in München, wo zumindest die Preise auf Hollywoodniveau sind, nicht leicht, und hier ließe sich Abhilfe schaffen.
Ansonsten geben die Besucherzahlen des Filmfests Söder natürlich recht, dass in München noch Luft nach oben ist. Filmfestivals erfreuen sich generell einer steigenden Beliebtheit, mittlerweile hat fast jede deutsche Stadt eins, vom "Fetisch Film Festival" in Kiel bis zur Regensburger Kurzfilmwoche.
Die Zuschauerzahlen in München kletterten zuletzt auf über 80 000, Tendenz steigend. Aber gerade wegen der großen Konkurrenz sollte man nicht aktionistisch, sondern ruhig und selbstbewusst entscheiden, wie man sich künftig aufstellen will. Notfalls auch gegen die eiligen Visionen des Ministerpräsidenten. Der rechnet "ungefähr ab 2020" damit, dass die neuen Strukturen greifen, ohne überhaupt zu wissen, was diese sein sollen - und ob er bis dahin noch Ministerpräsident ist.
Aber von Donnerstag an hat Söder ja zehn Tage Zeit, sich unter den gut 200 Filmen des diesjährigen Programms fortzubilden, das neben dem üblichen Füllmaterial natürlich auch wieder ein paar Highlights bietet.
Da gäbe es zum Beispiel den Spielfilm "Wackersdorf" über die Anti-AKW-Proteste der Achtziger, in dem die CSU als mafiöse Intrigantenbande dargestellt wird. Oder den Thriller "First Reformed", in dem ein Pfarrer feststellt, dass es sich unter dem Joch des Kreuzes nicht gut arbeitet. Und natürlich jede Menge Filme, die von den dramatischen Ursachen dessen erzählen, was Söder mit einer AfD-Floskel als "Asyltourismus" bezeichnet.