Filmfest München:Schauspieler Felix Hellmann: Einfach machen

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Auf der Suche nach Münchner Geschichten - Schauspieler Felix Hellmann ("Shoppen") hat als Autor für eine Fernsehserie seine Heimatstadt erforscht. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Schauspieler und Drehbuchautor Felix Hellmann plant einen München-Serie.

Von Philipp Crone

Schauspieler, die nicht nur Geschichten erzählen können, sondern auch welche entdecken, kann man in zwei Gruppen unterteilen. Die einen müssen zusätzlich zum Schauspielersein noch andere Aufgaben übernehmen, um in der Branche zu überleben. Also versuchen sie sich als Autoren oder schreiben Drehbücher. Dafür suchen sie nach Geschichten, die man erzählen kann. Die anderen sind Schauspieler, die von ihrem Hauptberuf leben können und die trotzdem nach Geschichten suchen, um sie zu erzählen. Zum Beispiel, weil sie gerne eine Handlung selber entwickeln wollen, anstatt immer vom Regisseur geführt zu werden.

Felix Hellmann, vor 37 Jahren in München geboren, in Herrsching aufgewachsen, mit den Filmen "Shoppen" und "Der letzte schöne Herbsttag" bekannt geworden, erzählt und findet Geschichten.

Hin- und hergerissen vor Entzücken und Erschrecken

Der Schauspieler und Autor sitzt an einem kalten Frühlingstag in einem Café am Holzplatz, tiefste Gentrifizierungszone. Er trägt Mütze und Bergschuhe, die Haare umrahmen sein Gesicht, das wie eine Mischung aus John Cleese und Clemens Schick wirkt. Dieser Clemens Cleese sieht aus dem Panoramafenster des Cafés und macht für einen Moment beides, er findet eine Geschichte und erzählt sie: "Die beiden jungen Frauen da drüben, die eine Matratze in den Combi einladen, das könnte der Anfang einer Story sein." Eine schöne, weil sie jetzt zu ihm zieht und ihre Freundin beim Umzug hilft, eine traurige, weil sie sich von ihm getrennt hat und ihre Freundin auch da helfen muss, oder eine gesellschaftskritische, weil sie sich die Wohnung nicht mehr leisten kann und einem Unternehmensberater weichen muss.

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Hellmann hat einen gut trainierten Blick, er war die vergangenen Monate viel in der Stadt unterwegs, für seine Serie über den Wandel in München. Er hat seine Heimat durchwandert mit dem Blick eines Liebenden, dessen Liebe verblasst, der hin- und hergerissen ist vor Entzücken und Erschrecken über die Veränderung, und mit der Erfahrung eines Menschen, der in seinem Leben selbst schon einiges durchgemacht hat.

Vor zehn Jahren hätte Hellmann diese Recherche nicht so leicht angehen können, er wäre aufgefallen. Da lief der Film "Shoppen", über Speeddating in München und die Schicksale der Großstädter an der Isar. Hellmann spielte einen bindungsunfähigen Macho, gerade so unsympathisch, dass man ihm noch gerne zusah bei seinen wirren Aktionen. Als dann 2010 "Der letzte schöne Herbsttag" mit Hellmann und Julia Koschitz in den Hauptrollen im Kino lief, konnte man meinen, Hellmann sei unter den Top 100 der deutschen Darsteller angekommen, die man im Kino oder Fernsehen immer wieder sieht. Er wurde zunächst auch häufig gebucht, in den Rollen der Looser mit Herz, "vordergründig Arschlöcher, die aber an sich selbst scheitern".

Formulierungen wie aus dem Drehbuch

Das Jahr von Hellmann, eines freien Darsteller, der nicht nur von der Schauspielerei leben kann, läuft 2016 etwa so: "Im Winter schreiben, im Sommer drehen, dazwischen Theater spielen". Theater ist "künstlerisch immer eine Bereicherung", jedoch in der Praxis oft schwierig unterzubringen, mit lang geplanten Proben, bis zu acht Wochen, die kurzfristige Dreh-Anfragen erschweren, und pro Tag deutlich weniger Geld abwerfen als beim Film.

Hellmanns Stimme klingt, als hätte sie eine leichte Zerrung erlitten. Er spielt beim Reden Luftklavier mit beiden Händen, tippt mit den Fußspitzen. Nebenan im Aroma-Café würde er mit den Stiefeln auffallen, die stehen in keinem einzigen Modemagazin, nach dem man dort ausgestattet ist. "Das Aroma? Katastrophe!" Pause.

Hellmann formuliert, wie man ein Drehbuch schreibt, mit Dramaturgie. Er ist verheiratet mit der Regisseurin und Schauspielerin Natalie Spinell, daheim schicken sie sich beim Schreiben von Drehbüchern die Zwischenfassungen von Zimmer zu Zimmer. Gemeinsam Filme machen und Geschichten erzählen, die sie wirklich interessieren, das ist ihr Ziel. "Meine Stärke ist eher die Dramaturgie, sind die Spannungsfelder, Natalie ist ein Bauchmensch, der einfach mal eine Szene rausknallt, die ich dann einbinde." Und rüberschickt. Spinell sagt: "Wir gleichen uns gut aus. Er ist ein Kopfmensch." Mit dem Spannungsborgen immer im Blick.

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"Das Glockenbachviertel hat sich vom Arbeiter- zum Millionärsviertel entwickelt." Da träfen heute Altmünchner auf Leute, die hier herkommen und vor allem möglichst viel Geld verdienen wollen. "Das hat eine Frankfurt-Tendenz." Es gehe in der Stadt heute oft um die Frage: Geld oder Leben. "Das The 7 ist ein Wahrzeichen für verkackte Stadtpolitik." Mit jedem Glastower nehme die Lebensqualität ab. "Wenn München nicht die Isar hätte, dann hätte es schon jetzt ein ziemlich großes Problem." Die Hauptfigur seiner Serie ist ein Lebenskünstler, dem sich die Frage stellt: "Wie viel Energie will ich darein investieren, mir die Stadt noch leisten zu können."

Drei Monate später sitzt Hellmann wieder in einem Café, 800 Meter südwestlich vom Aroma, am Kapuzinerplatz. Sie sind umgezogen. Der neue Hausbesitzer hatte die Miete über die letzten Jahre maximal erhöht und umgebaut, sich dabei ein Penthouse aufs Dach. "Es ist irre, ein paar Hundert Meter weiter ist die Stadt eine andere", sagt Hellmann, Karohemd und Espandrillos. "Hier ist jeder noch so, wie er ist." Hellmann kommt gerade vom Dreh, eine ZDF-Wohlfühlgeschichte namens "Von Erholung war nie die Rede" mit Axel Milberg und Andrea Sawatzki, zwei der sorgenfreien Top 100. Er spielt Luftklavier, vivace.

Hellmann hat Klavier gelernt, einer seiner beiden älteren Brüder ist Musiker, lebt heute als Musiker in Berlin, so kam er zu dem Beruf. Nach dem Zivi ging er für ein Jahr bei einem Fotografen in die Lehre. Geschichten finden und im Bild erzählen.

Die München-Serie ist noch in der Planung, die seiner Frau wird bald gedreht. "Urban Divas", fünf Frauen, die mit verschiedenen Männern konfrontiert werden, einen davon spielt Hellmann. Wahrscheinlich. Er lächelt und dreht an seinem quadratischen goldenen Ehering. "Wenn ich mich mit der Regisseurin weiter gut verstehe." Die Finanzierung steht, das Projekt wird wohl im Winter realisiert. Und Hellmanns zweites Film-Projekt, das Drehbuch namens "Bamboo", will Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt ist länger tot") verfilmen. "Den will ich machen", sagt Rosenmüller, "es ist eine schön absurde Geschichte ganz nach meinem Geschmack."

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Hauptfigur ist Rainer, der als Kind aus Versehen den Tod seines Vaters verursacht hat und seitdem Phobophobie hat, Angst vor der Angst. Er will sich das Angstzentrum mit einer Operation verkleinern lassen, was auch gelingt, bis er erfährt, dass die OP gar nicht vorgenommen wurde.

Hellmanns Vater ist Arzt und Psychoanalytiker, seine Mutter, eine Lehrerin, starb, als Hellmann 18 war. Zehn Jahre später stirbt sein großer Bruder, plötzlicher Herztod, mit 36, ein Jahr jünger als Hellmann jetzt. "Im Film geht es auch um die Angst vor dem Leben", sagt Hellmann. Er weiß, wie kurz das Leben sein kann. "Man darf auf nichts warten, muss einfach machen."

Reden ist wie machen

Hellmann muss auch deshalb immer etwas machen, um seine Energie loszuwerden. "Als Schauspieler arbeitet man ja höchstens 50 Tage im Jahr, da ist viel übrig." Er macht Karate, "da lernt man, sich auf den Moment zu fokussieren". Seine Frau sagt: "Er ist tiefenentspannt, fleißig und diszipliniert." Einfach machen.

Auch reden ist manchmal wie machen. Bei Schauspielern reicht es oft schon, wenn sie von der Realität erzählen, und nicht beschönigen, wie das in der Branche oft passiert, gerade jetzt wieder, auf dem Filmfest. 50 Drehtage, "dann ist es ein sehr gutes Jahr." Nach Schätzungen können von den etwa 25 000 Schauspielern in Deutschland nur fünf Prozent vom Filmemachen leben. 25 Drehtage pro Jahr seien gerade noch ok, sagt Hellmann, aber so einfach ist es nicht. "Die Sender zahlen unterschiedlich, und es geht bei den Rollen ja nur nach Drehtagen. Ich kann nur fünf Sätze sagen müssen in einer Rolle, das aber an 20 verschiedenen Orten. Dann habe ich 20 Drehtage."

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Nicht so lukrativ ist die Variante: Ein Drehtag mit einem langen Monolog. Auch beim Inhalt: Es ist gut für den Ruf, bei ambitionierten Projekten wie dem Film "Hell" mitzumachen, aber Geld gibt es mehr bei vielen Drehtagen der Telenovelas. "Die Gagenentwicklung ist rückläufig", sagt Hellmann. Berechnet wird sie nach Schauspielschule und Bekanntheit. Das Schwierige: "Der Bekanntheitsgrad bringt Geld, aber nicht die Sachen, die Bekanntheit bringen, sind automatisch auch die besten."

Beim Münchner Filmfest organisiert Hellmann seit Jahren eine eigene Party, "Monaco". Er wollte "einfach eine gute Feier mit guter Musik, die gab es nicht". Nicht reden, sondern trinken und tanzen. Die meisten Filmfestfeiern sind gar keine richtigen Feiern, wie die Glastürme und ihre Bewohner keine richtigen Münchner und Münchner Häuser sind. Eine eigene Filmfestparty? Bei all den durchgestylten Sponsorenevents? Egal. Machen. Für solche Fragen ist das Leben einfach zu kurz.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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