Filmfest München:Hollywood-Star Ellen Burstyn erhält Cinemerit Award

Filmfest München - Eröffnung

Ellen Burstyn bei der Eröffnung des Filmfests München.

(Foto: dpa)

Ob in House of Cards oder dem Exorzisten: Die 83-Jährige ist seit Jahrzehnten auf die Mütterrollen abonniert. Doch mit der harmlosen Mami hat sie sich nie abgegeben.

Von Josef Grübl

Was tun, wenn man eine nicht mehr ganz so junge Schauspielerin ist und seine besten Tage als Model, Tänzerin und TV-Darstellerin hinter sich hat? Man kann sich liften lassen, mit jungen Männern ausgehen oder sein Herz für Charity entdecken; man kann es aber auch angehen wie Edna Rae Gillooly: Die 1932 als Tochter irischer Emigranten geborene US-Schauspielerin ließ sich mit 40 von ihrem dritten Ehemann scheiden, legte sich einen neuen Namen zu und machte als Ellen Burstyn Hollywoodkarriere.

Viereinhalb Jahrzehnte später ehrt sie das Filmfest mit dem Cinemerit Award, gezeigt wird eine Auswahl ihrer wichtigsten Filme: In Die letzte Vorstellung - The Last Picture Show (24. Juni, 20 Uhr, Filmmuseum) ergatterte sie den Part von Cybill Shepherds Mutter, fortan war sie auf Mütterrollen abonniert.

Aber was für Mütter das waren: Burstyn ließ sich nicht in das Klischeebild des harmlosen Muttertiers pressen, das man bis dahin aus Filmen kannte. Überprüfen kann man das etwa am 25. Juni um 22.30 Uhr im Filmmuseum: In William Friedkins Der Exorzist spielte sie die Mutter eines vom Teufel besessenen Mädchens, Erbsensuppenkotze war da noch ihr geringstes Problem.

Nach diesem Film war sie auch dem breiten Kinopublikum bekannt; dass sie aber ausgerechnet Martin Scorsese ihren Aufstieg in den Hollywood-Olymp zu verdanken hat, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Der Regisseur konnte noch nie viel mit Frauenstoffen anfangen, daran hat sich bis heute nicht viel geändert. 1974 inszenierte er aber einen Film mit einer weiblichen Identifikationsfigur: Alice lebt hier nicht mehr (28. Juni, 15 Uhr, Filmmuseum). Die damals 42-jährige Burstyn spielte eine Hausfrau, die nach dem Tod des Ehemanns mit ihrem Sohn in Richtung Kalifornien reist.

Dafür gewann sie den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Da sie am Tag der Oscarverleihung wegen eines Theaterengagements nicht nach Los Angeles kommen konnte, nahm Scorsese ihren Oscar entgegen: Ausgerechnet er, der so viele Jahrzehnte auf seinen eigenen Oscar warten musste. Auf der Bühne sagte er: "Ellen bat mich auch, mir selbst zu danken."

Am Set hatte sie das Sagen

Das war insofern bemerkenswert, als die Zusammenarbeit zwischen den beiden wohl nicht ganz reibungslos verlief: Nach dem Kassenerfolg von Der Exorzist hatte sie das Sagen am Set. In einem Interview mit dem amerikanischen Filmautoren Peter Biskind sagte Burstyn: "Was das Skript brauchte, war eine ordentliche Dosis Realität. Anfangs wirkte das Ganze so keimfrei und glatt, als sei es für Rock Hudson und Doris Day geschrieben worden."

Also ließ sie das Buch überarbeiten; sie war es auch, die "einen jungen, aufregenden, neuen Regisseur" haben wollte und so auf Martin Scorsese kam. Am Ende ging es für alle Beteiligten gut aus: Scorsese durfte Taxi Driver drehen, Burstyn gewann noch im selben Jahr einen Tony Award für das Broadway-Stück Same Time, Next Year. Danach drehte sie mit einer der größten Ikonen der Nouvelle Vague: Providence von Alain Resnais erschien 1977 (26. Juni, 20 Uhr und 2. Juli, 15 Uhr, Filmmuseum).

Der Altersrassismus der Filmbranche holte sie dann doch noch ein, bei weiblichen Stars ihrer Generation fing das eigentlich schon ab 35 an. In den achtziger und neunziger Jahren war sie seltener zu sehen - und dann schon oft als Großmutter. Bis zu ihrem späten Leinwand-Comeback sollte es noch dauern, bis dahin spielte sie wieder mehr Theater und kehrte zum "Actors Studio" in New York zurück.

Dort hatte sie unter der Führung von Lee Strasberg ihr Handwerk gelernt. Nach seinem Tod im Jahr 1982 übernahm sie gemeinsam mit Al Pacino die künstlerische Leitung des Studios. Noch heute ist sie dort Präsidentin. So wandlungsfähig sie sich in ihren Rollen zeigt, so kämpferisch ist sie im wahren Leben: In den achtziger Jahren war sie die erste Frau, die eine amerikanische Schauspieler-Gewerkschaft leitete.

Berühmt wird man damit aber nicht und so verblasste ihr Ruhm als vielleicht beste Schauspielerin ihrer Generation. Burstyn hatte nie den Glamour einer Jane Fonda oder den kühlen Sexappeal einer Faye Dunaway, womöglich sicherte ihr aber das die aufregendste Rolle ihrer Karriere: Im Jahr 1999 suchte Regisseur Darren Aronofsky nach einer Schauspielerin, die furchtlos und zur völligen Entstellung bereit war.

Er fand sie in Ellen Burstyn - und wer sie in Requiem for a Dream gesehen hat, wird sie nie wieder vergessen: Eine einsame Frau in Brooklyn, die von ihrem drogensüchtigen Sohn ausgenommen wird und sich mit Diätpillen in eine schöne, bunte Fernsehwelt träumt. Eine Gänsehautrolle, die Burstyn ihre sechste Oscar-Nominierung einbrachte (26. Juni. 22.30 Uhr im Filmmuseum).

Heute ist sie 83 Jahre alt und immer noch gut im Geschäft: In der aktuellen House of Cards-Staffel gibt sie die Schwiegermutter des US-Präsidenten (Kevin Spacey), das Filmfest zeigt zwei Episoden des US-Serienhits am 25. Juni um 20.30 Uhr im HFF Kino. Im Episodenfilm Wiener Dog des ewigen Indie-Provokateurs Todd Solondz trägt sie eine riesige Sonnenbrille, bei der man sich nicht ganz sicher ist, ob sie damit vielleicht auch in die Zukunft sehen kann.

Mit dem Ungetüm auf der Nase träumt sie sich in eine surreale Welt: "Wir hätten es auch sein können, du hattest so viele Möglichkeiten", rufen ihr Mädchen zu (28. 6., 20 Uhr und 29. 6, 22.30 Uhr, City). Burstyn hatte ebenfalls viele Möglichkeiten, doch sie hat sie genutzt. Was also tun, wenn man eine nicht mehr ganz junge Schauspielerin ist und alles schon erreicht hat? Wenn es nach Burstyn geht, ist die Antwort einfach: Weitermachen!

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