Filmfest München:Die Erinnerungsbörse

Premieren, Partys, Preisverleihungen: Das Filmfest in München und seine Empfänge sind für die Branche harte Arbeit mit dem Ziel, ganz beiläufig Kontakte zu knüpfen.

Philipp Crone

Horst Kummeth zeigt, wie es geht. Der Schauspieler steht am frühen Montagabend auf dem Marstallplatz an einem Stehtisch in der Abendsonne. Er lächelt, nippt an seinem Glas, steht zufällig neben einem Kollegen und begrüßt beim Empfang des Bayerischen Rundfunks und der Filmfirma Telepool jede Minute einen anderen Gast. Dann wird er von einer Kamera aufgenommen und von einem Journalisten befragt.

Kummeth arbeitet vor dem Café Eisbach, ohne dass man es sieht - so wie die gesamte Filmbranche, die sich nun für einige Tage in München trifft. Kummeth ist kein Star, aber auch kein Sternchen, bekannt, aber immer ein bisschen gefährdet, in Vergessenheit zu geraten. Wer vergessen ist, bekommt keine Aufträge. Deshalb geht jemand wie Kummeth zu Empfängen. Die verhindern, dass man vergessen wird.

Diese Arbeitswoche ist für die Filmschaffenden besonders schwierig, denn hier darf man eigentlich nicht die Wahrheit sagen - dass man nämlich nur da ist, um Kontakte zu knüpfen. Man muss trinken, darf aber nicht betrunken sein, muss Kontakte knüpfen, ohne sie zu suchen, und sollte beiläufig wirken, obwohl man hochkonzentriert ist. Ein wenig Schauspielerei eben. So machen das alle, ob Horst Kummeth, Uschi Glas, Ilse Neubauer, Joseph Vilsmaier, Ronald Zehrfeld oder Franz Xaver Gernstl.

Meistens bin ich schnell angedudelt

Gernstl steht mit einem Hawaii-Hemd beim BR-Empfang und sagt: "Ich geh' da nicht so strategisch vor. Meistens bin ich schnell angedudelt, und dann ergibt sich ein gutes Gespräch." Gerade beim BR-Empfang sei es nicht so steif. "Ich mag es nicht, wenn herumgegockelt wird und überall Prinzessinnen herumspringen." Tun sie nicht, die sind im P1.

Ein paar Meter weiter steht Schauspielerin Ilse Neubauer. Die 68-Jährige hält sich zurück, sie sagt: "Ich will keinen Smalltalk und bin zu alt, um noch einen Regisseur zu bezirzen." Sie wartet, was kommt. Aufhören will sie nicht. "Schauspieler können nie genug kriegen, die wollen auf der Bühne sterben."

Andere müssen es erst einmal auf die Bühne schaffen, oder zumindest auf die Fotos in den Illustrierten. Das geht am Abend bei "Movie meets Media" im P1. Hier steht am Empfang keine Frau mit Zettel, wie beim Eisbach, hier steht ein Zelt-Käfig, darin warten bildgierige Fotografen. Die Ankunft ist das Ziel.

Eine Allee aus hübschen Damen, der rote Teppich rollt sich dazwischen die Treppe hoch zum Käfig, und da posieren sie: Uschi Glas, Christine Neubauer, Richard Lugner aus Wien. Eine junge Frau hebt den Rock, um geblitzt zu werden, andere stolzieren vorbei, die Prinzessinnen.

"Das ist schrecklich"

Joseph Vilsmaier schleicht hinter der Fotowand heimlich rein und sagt: "Das ist schrecklich." Drinnen ist Messe, für Menschen und Marken. 18 verschiedene Stände sind aufgebaut, die Palette reicht von Luxusyachten bis Sonnencreme.

Patrick Lindner sagt: "Ich habe so viele Einladungen, ich habe gar keine Zeit, Filme anzusehen." Filme, das ist ja der eigentliche Grund des Filmfests. Auf Lindners Kettenanhänger steht: Tempus fugit. Die Zeit vergeht schnell, und man ist vielleicht auf der falschen Veranstaltung, das kann immer passieren.

Parallel hat an diesem Abend nämlich auch die Filmproduktionsfirma Teamworx in den Gasteig und der Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure in das Mercedes-Zentrum an der Donnersberger Brücke geladen. Uschi Glas ist schon vom P1 ins Autohaus gefahren. "In dieser Woche muss man ja nichts einkaufen, da kannst du immer auswärts essen." Neben Glas liegen auf einem Tisch Zettel aus, auf denen man sich bewerben kann zum "Speedcasting" - das heimliche Motto des Abends.

Kummeth ist vom Marstallplatz hergekommen und unterhält sich im Foyer mit Regisseur Michael Zens. "Ich hatte schon einige gute Gespräche, aber langsam werde ich müde vom vielen Stehen." Jeder sagt, dass er gute Gespräche hat. Das gehört dazu. Auch, dass man nichts Negatives sagt. Außer natürlich jemand wie Vilsmaier, der es geschafft hat, der niemanden ansprechen muss, weil er angesprochen wird. Vilsmaier kommt am Dienstagvormittag ins Café Atlas, dorthin hat das ZDF geladen, zu Frühstück und Buffet.

"Hier ist es nicht so voll", sagt Vilsmaier. Seine Arbeitsweise ist es, zu betonen, dass er eigentlich gar nicht herkommen möchte. Das sagt auch Ronald Zehrfeld, der zuletzt in der Serie "Im Angesicht des Verbrechens" von Dominik Graf zu sehen war. "Das ist hier eine große Erinnerungsbörse", sagt er.

Die Börse hat noch bis zum Filmfestende am Sonntag geöffnet. Premieren, Empfänge wie den der Bavaria Film am Dienstagabend, der Vilsmaier natürlich zu voll ist, oder Preisverleihungen wie die des Friedenspreises oder des Nachwuchspreises. Ob die Arbeit erfolgreich war in München, das wissen Kummeth und Co. in ein paar Wochen, wenn sich dann jemand meldet, der einen hier gesehen oder gesprochen und nun einen Auftrag zu vergeben hat.

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