Süddeutsche Zeitung

Filmfest München:Blut an deutschen Händen

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Waffen aus deutscher Produktion werden nach Mexiko geschleust - dort erschießt die korrupte Polizei protestierende Studenten: Auf dem Münchner Filmfest feiert der Politthriller "Meister des Todes" Premiere.

Von Susanne Hermanski, München

Der Film wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Keiner, der nicht selbst mit dessen Produktion befasst gewesen ist, durfte ihn sehen, bevor er an diesem Dienstagnachmittag auf dem Münchner Filmfest seine Uraufführung erfährt. Nicht einmal die üblichen Pressevorstellungen wurden anberaumt. "Meister des Todes" ist heiße Ware. Denn der Spielfilm ist schneller als die Staatsanwaltschaft. Erst an diesem Wochenende gab es wieder Neuigkeiten in der brenzligen Causa: die Skandale rund um das Sturmgewehr der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch. So wurde bekannt, dass das Verteidigungsministerium nun von der Firma Schadenersatz fordert und gegen sie wegen Betrugsverdachts ermittelt wird.

In "Meister des Todes" geht es um eine Firma wie Heckler & Koch - auch wenn deren Filmname freilich ein anderer ist. Im Mittelpunkt des Films steht nicht, ob das neue Modell der G36 nun bei Hitze noch zielgenau trifft oder nicht. Die Filmemacher erzählen darin von einem anderen Skandal, der Heckler & Koch wie weitere deutsche Waffenhersteller betrifft: Der Export ihrer Produkte in Länder wie Mexiko, der illegal ist, oder zumindest in einer rechtlichen Grauzone abläuft.

Denn schließlich regelt das Kriegswaffenkontrollgesetz in Deutschland neben der Herstellung auch die Ausfuhr von Waffen. Und diesem Gesetz zufolge ist ein Export in Krisengebiete oder in Länder, deren Staatsmächte die Menschenrechte missachten, nicht erlaubt. Trotzdem kommen in Ländern wie Mexiko nachweislich Unschuldige durch deutsche Schnellfeuerwaffen ums Leben.

Worum es in dem Film genau geht

Im Mittelpunkt von "Meister des Todes" steht der Mitarbeiter einer deutschen Waffenfirma, der miterlebt, wie Waffen illegal nach Mexiko geschleust werden. Dorthin, wo die korrupte und in den Drogenkrieg verstrickte Polizei wehrlose, protestierende Studenten damit niederschießt.

Er ist schockiert und entschließt sich auszupacken. Mit schwerwiegenden Folgen - auch für sich und seine Familie zu Hause in Deutschland. Schließlich schlägt ihm in der Kleinstadt, in der der Rüstungsbetrieb zu den wichtigsten Arbeitgebern zählt, blanker Hass entgegen. Und das nicht nur von den Kollegen, die in der mittelständischen Firma lange wie in einer großen Familie zusammengearbeitet hatten. Bis diese von Finanzinvestoren übernommen wurde und unter enormen Druck geriet, um ihre Umsätze zu steigern.

Der Plot ist nah an der Realität

Der Münchner Filmemacher Daniel Harrich sagt selbst über den Plot: "Ein Großteil dessen, was im Film erzählt wird, ist sehr nah an der Realität, und das können wir mit Aussagen und Dokumenten auch belegen."

Daniel Harrich hat die Fakten über Jahre recherchiert. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen in Lateinamerika und Afrika sind bereits 2014 in eine Dokumentation mit den Titel "Waffen für die Welt - Export außer Kontrolle" eingeflossen, die Arte mehrmals ausgestrahlt hat. Einige der Protagonisten des jetzt fertigen Spielfilms kann man darin unschwer wiedererkennen.

Bloß werden sie unterdessen von einem Ensemble verkörpert, das einige der bekanntesten deutschen Schauspieler in sich vereint: Hanno Koffler, Heiner Lauterbach, Udo Wachtveitl, Veronica Ferres, Alina Levshin und August Zirner sind darunter. Als Kameramann konnte Harrich den vielfach ausgezeichneten Gernot Roll ("Nirgendwo in Afrika", "Heimat") gewinnen.

Die Karriere des Filmemachers

Der 31-Jährige wagt sich nicht zum ersten Mal an einen gesellschaftlich brisanten Thriller. Schon 2013 hat er im Rahmen des Filmfests ein Werk vorgestellt, das in der Politik später große Wellen schlug: "Der blinde Fleck - Das Oktoberfestattentat" gab den entscheidenden Impuls für die Wiederaufnahme der Ermittlungen in dieser Sache. Auch bei diesem Film hatte Harrich schon mit der Kombination aus einer emotionalisierenden Starbesetzung und knallharten Fakten gearbeitet. "Der blinde Fleck" wurde damals im Bayerischen Landtag uraufgeführt. Noch am selben Abend sicherte Innenminister Joachim Herrmann zu, die angeblich vernichteten Spurenakten des Landeskriminalamts über das Attentat freizugeben.

Die Uraufführung von "Meister des Todes" findet im Gasteig statt (die Fernsehausstrahlung wird im September sein). Danach folgt im Vortragssaal der Bibliothek eine Diskussion. Auf dem Podium werden sitzen: Regisseur und Produzent Daniel Harrich, sein Co-Autor Gert Heidenreich, Hanno Koffler, der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, der seit Jahren gegen illegale deutsche Rüstungsexporte protestiert, und Manfred Hattendorf, der beim SWR als Abteilungsleiter "Film und Planung" für das mutige Projekt verantwortlich zeichnet.

Meister des Todes , Länge: 90 Min., Dienstag, 30. Juni, 17 Uhr, Gasteig: Carl-Orff-Saal, 19 Uhr, im Vortragssaal der Bibliothek: Gespräch zum Film, der Eintritt zu dieser Diskussion (Moderation: SZ-Redaktion) ist frei, Tickets an der Filmfest-Kasse; weitere Vorstellung: Donnerstag, 2. Juli, 10 Uhr, City, Telefon 48 09 89 73 00

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Quelle:
SZ vom 30.06.2015
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