Es ist wieder etwas Ruhe eingekehrt beim Filmfest München. Nach den traumwandlerischen Expansionsplänen von Markus Söder, den zähen Pandemiejahren, dem Ausstieg der langjährigen Direktorin Diana Iljine und den sanften Neuerungen durch deren Nachfolger Christoph Gröner kann man endlich wieder sagen: alles wie gehabt. Nicht, dass die 42. Festivalausgabe Langeweile verheißen würde. Aber Konzept, Struktur, Angebotsvielfalt und -attraktivität sind vergleichbar mit dem Vorjahr, wo am Ende 71 000 Besucher gezählt wurden. Beständigkeit tut gut in diesen Tagen.
Man könnte auch sagen: Christoph Gröner und Julia Weigl, beide frisch verlängert als künstlerisches Leitungsduo, haben sich eingegroovt – mit dem Elan und den Mitteln, die sie haben. Und so wird München von Freitag, 27. Juni, bis Sonntag, 6. Juli, wieder zur sommerlichen Kinometropole. Gezeigt werden 164 Filme aus 54 Ländern, darunter 49 Weltpremieren, vier internationale, acht Europa- und Dutzende Deutschland-Premieren.
Das deutsche Filmschaffen steht denn auch klar im Fokus beim nach der Berlinale bedeutendsten Kinofestival hierzulande. Es gibt Star-Rummel, Branchen-Events und Partys, kostenlose Publikumsgespräche, Jugend-Events und Kino an besonderen Orten (etwa in den Kammerspielen, im Museum Brandhorst oder open air im „Kino, Mond & Sterne“). Tickets sind ab sofort über die Filmfest-Website erhältlich.
Ehrengäste und Galas

Was die Stars anbelangt, so staunte man 2024 nicht schlecht, als die Oscar-Gewinnerinnen Kate Winslet und Jessica Lange über die ausgerollten Teppiche schritten, dazu noch Viggo Mortensen, Isabelle Huppert, Trine Dyrholm und Sandra Hüller. Große Namen lassen sich auch auf der diesjährigen Gästeliste finden, allen voran Gillian Anderson („Akte X“, „Sex Education“). Die US-Amerikanerin wird in München mit dem „CineMerit-Award“ für ihre Verdienste in der Filmkunst geehrt und stellt ihren neuen Film als Deutschlandpremiere vor: die Roman-Adaption „Der Salzpfad“ nach einer wahren Geschichte über ein Ehepaar, das alles verliert und dem Schicksal trotzt.
Auch Carey Mulligan wurde angekündigt. Die Britin spielt die Hauptrolle im Eröffnungsfilm „The Ballad Of Wallis Island“ (Regie: James Griffiths). Offiziell bestätigt wurde ihr München-Besuch bis zuletzt aber nicht. Erwartet werden außerdem: der französische Star-Regisseur François Ozon („Wenn der Herbst naht“), US-Kollege Jay Duplass („The Baltimorons“), Tausendsassa Helge Schneider („The Klimperclown“) sowie die Schauspieler Christoph Maria Herbst („Ganzer halber Bruder“) und Paula Beer (Festivalabschlussfilm „Miroirs No. 3“ und „Stiller“). Stellan Skarsgård kommt auch, der Schwede wird ebenfalls mit einem „CineMerit“-Award geehrt. Einen neuen Film stellt er auch vor („Sentimental Value“).
Bewährt haben sich die großen Galas in der ersten Festivalhälfte im Deutschen Theater. So finden von Sonntag, 29. Juni, bis Dienstag, 1. Juli, sechs sehr unterschiedliche Premieren mit Filmvorführung und Gespräch statt. Los geht’s mit Einblicken in die neue „Pumuckl“-Staffel (Sonntag, 14 Uhr) und der Weltpremiere der Neuauflage von „Mädchen Mädchen“ (Sonntag, 18 Uhr). Es folgen ein Nachmittag mit Marc-Uwe Kling und Jan Cronauer (Montag, 17 Uhr) und ein filmischer Abend mit Helge Schneider (Montag, 20.30 Uhr). Großes Kino dann am Dienstag: Zunächst mit Gillian Anderson („Der Salzpfad“ und Preisverleihung, 16.30 Uhr), dann mit der Weltpremiere der Literaturverfilmung „Stiller“ (21 Uhr).
Deutsche Filme und Serien

Mit diesem Film hatte niemand gerechnet: Die Newcomerin Mascha Schilinski wurde mit „In die Sonne schauen“ in den Wettbewerb von Cannes eingeladen. Beim weltweit wichtigsten Filmfestival gab es viel Applaus und am Ende den Preis der Jury für dieses traumwandlerisch schöne Mehrgenerationen-Porträt um vier Mädchen, die in unterschiedlichen Jahrzehnten auf einem ostdeutschen Bauernhof leben. Die Regisseurin und ihre Darstellerinnen kommen am Mittwoch, 2. Juli, nach München.
Mit diesen Serien hat ebenfalls niemand gerechnet: Das Filmfest zeigt neben deutschen Kino- und Fernsehfilmen auch nationale Serien mit internationalem Anspruch. Neugierig sein kann man etwa auf die XL-Version des Fantasy-Kinofilms „Hagen“: Unter dem Titel „Nibelungen – Kampf der Königreiche“ wird diese Sage als Serie erzählt, die ersten Episoden laufen am Freitag, 27. Juni, in der HFF, der Eintritt ist frei. Auf großes Interesse (nicht nur in München) dürfte auch die Serienfortsetzung „Oktoberfest 1905“ stoßen. Und dann wäre da noch die deutsche Adaption der amerikanischen Gen-Z-Seriensensation „Euphoria“ mit dem naheliegenden Titel „Euphorie“.
Mit diesen Filmen sollte man unbedingt rechnen: Der deutsche Filmnachwuchs präsentiert sich gewohnt vielseitig, mit autofiktionalen Dramen („Sechswochenamt“), bayerischen Jenseits-Komödien („Zweigstelle“), Thrash-Metal-Dokus („Kreator – Hate & Hope“) oder einem als Fantasy-Farce getarnten Sisi-Wettstreit („Unterwegs im Namen der Kaiserin“). Hinzu kommen Filme mit etablierten Stars wie Jella Haase („#Schwarzeschafe“), Leonard Scheicher („Bubbles“) oder Rainer Bock („Karla“). Prominent besetzt sind auch die Fernsehfilme: Im Spielfilmdebüt der „Servus Baby“-Macherin Natalie Spinell treten Julia Koschitz und Maximilian Brückner auf („Nix is fix“), in Matti Geschonnecks Oskar-Maria-Graf-Verfilmung „Sturm kommt auf“ trifft der österreichische Superstar Josef Hader auf den bayerischen Bühnen-Berserker Sigi Zimmerschied.
Internationales Kino

Die einen gehen zum Filmfest wegen Promis, Partys oder Panels. Die anderen setzen auf den Exklusivitätsfaktor: Viele Filme sind nur hier zu sehen, sie laufen nicht regulär in den Kinos, werden auch nie im Fernsehen gezeigt oder gestreamt. Wer internationale Filme abseits des Mainstreams sehen möchte und Entdeckungen schätzt, ist beim Filmfest also genau richtig.
Auf dem Spielplan stehen viele Koproduktionen, einige davon sind internationale Weltpremieren. Auf sie ist das Filmfest besonders stolz: Satirische Liebeskomödien wie „Comandante Fritz“, Künstlerinnenporträts wie „Leonora im Morgenlicht“, der deutsch-amerikanische Dokumentarfilm „The Last Spy“ (über einen 102-jährigen Geheimagenten) oder das Südtiroler Familiendrama „Zweitland“ werden in München das allererste Mal aufgeführt.
Bereits bei anderen Festivals gesehen und für gut befunden wurden die neuen Filme des britischen Meisterregisseurs Mike Leigh („Hard Truths“), des Franzosen Cédric Klapisch („Die Farben der Zeit“) oder des Amerikaners Mike Flanagan. Dessen Stephen-King-Verfilmung „The Life of Chuck“ begeisterte bereits in Toronto das Publikum.
Auch vom Festival in Cannes hat das Filmfest-Team etwas mitgebracht, unter anderem die preisgekrönten Wettbewerbs-Titel „Sentimental Value“ (von Joachim Trier, koproduziert von der Berliner Firma „Komplizen Film“) und „Sirāt“ (in dem es zu einem irren Rave in die marokkanische Wüste geht). Auch der Cannes-Eröffnungsfilm „Nur für einen Tag“ von Amélie Bonnin sowie Richard Linklaters Godard-Hommage „Nouvelle Vague“ laufen in München. Gespannt sein darf man auf den neuen Film des Israelis Nadav Lapid, der 2019 bei der Berlinale für „Synonymes“ den Goldenen Bären gewann: Er erzählt in „Yes“ von einem Musiker, der die neue israelische Nationalhymne komponieren soll, während Gaza brennt.
Programm für junge Leute

Eröffnet wird die Reihe „CineKindl“ am Samstag, 28. Juni, mit der Deutschlandpremiere des Animationsfilms „Tafiti – Ab durch die Wüste“. Regisseurin Nina Wels erweckt die Kinderbuchreihe von Julia Boehme zum Leben und erzählt von einem Erdmännchen in Afrika, das sich auf die Suche nach einer sagenumwobenen blauen Blume für seinen kranken Großvater begibt.
„Das Sommerbuch“ (Regie: Charlie McDowell) ist großes Familienkino mit Starbesetzung und spielt auf einer kleinen Insel im Finnischen Meerbusen. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Mumins-Erfinderin Tove Jansson und mit Glenn Close in der Hauptrolle, begleitet der Film die neunjährige Sophie, die nach dem Tod der Mutter den Sommer mit ihrem Vater und ihrer Großmutter verbringt, sich mit der Natur und dem Lauf des Lebens auseinandersetzt. In derselben Jahreszeit, aber ganz ohne Familie, sind mehr als tausende junge Pfadfinderinnen und Pfadfinder in Mateo Ybarras Dokumentarfilm „Sommercamp“ unterwegs. Sie treffen in den Schweizer Alpen aufeinander, um an einem historischen, nur alle 14 Jahre stattfindenden Zeltlager teilzunehmen.
Auch auf ein Wiedersehen mit einer Kultfigur kann man sich freuen: Regisseur Marcus H. Rosenmüller zeigt in der zweiten Staffel „Neue Geschichten vom Pumuckl“ abermals lustige Streiche aus der Schreinerei von Florian Eder. Das Programm „Kurzes für Kleine“ bietet erneut bildstarke Kurzfilme für alle Filmfans ab acht Jahren.
Nicht nur schauen, sondern auch mitmachen ist bei „CineYou“, dem partizipativen Rahmenprogramm für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, gefragt. Beim digitalen Schulworkshop, moderiert von „CineKindl“-Leiter Tobias Krell, blicken Kinder von der ersten bis zur sechsten Klasse anhand der Filme „Tafiti“ und „Hola Frida“ hinter die Kulissen der Filmwelt. Einblicke gewährt auch Marc-Uwe Kling, der erstmals aus seinem neuen Buch „Neon & Bor“ liest, das von der superschlauen Neon handelt, die gemeinsam mit ihrem mindestens hochbegabten Babybruder Bor jedes Problem mit einer passenden Erfindung löst. Dazu werden Folgen der gleichnamigen Zeichentrickserie gezeigt.
Events und Partys

Ohne Feste fehlt etwas, vor allem beim Filmfest. Deshalb feiert man hier bereits, bevor es richtig losgeht: Am Freitag, 27. Juni, findet die „Junge Nacht“ im Museum Brandhorst statt, der Eintritt ist frei. Das Filmfest kooperiert mit dem Kunstareal-Fest, das mit dieser Party eröffnet wird. Kooperationen gibt es zum Filmfest viele, unter anderem mit den Kammerspielen: So teilt man sich etwa bei der CSD-Politparade am 28. Juni gemeinsam einen Wagen, im Werkraum der Kammerspiele ist zudem ein ukrainischer Film- und Performance-Abend eingeplant (am 3. Juli).
Im Festivalzentrum im Amerikahaus ist jeden Tag etwas geboten, hier finden unter anderem die Filmtalks statt. Im Pavillon 333 (neben der Pinakothek der Moderne) geht es ab 2. Juli um Schlager in den Filmen von Rainer Werner Fassbinder, der vor Kurzem 80 Jahre alt geworden wäre. Bei einer weiteren Kooperation mit dem „Festival der Zukunft“ geht es um die Frage, wie man mit Technologie, Wissenschaft und Kreativität die Zukunft gestalten kann. Und wer am Ende noch mal richtig feiern möchte, kann das am 5. Juli machen: Dann steigt im Ampere die Abschlussparty des Filmfests.
SZ- und BR-Publikumspreis

Während des Filmfests werden zahlreiche Preise vergeben. Die Bandbreite reicht vom „CineMerit“-Award für herausragende Persönlichkeiten (Gillian Anderson) über Auszeichnungen in den Wettbewerbsreihen „CineMasters“, „CineVision“ und „CineRebels“ zu den in der Branche wichtigen Förderpreisen Neues Deutsches Kino sowie Bernd-Burgemeister-Fernsehpreis. Auch der mit 100 000 Euro sehr hoch dotierte „CineCoPro“-Award für die beste deutsche Koproduktion wird 2025 erneut vergeben. Neu ist der „QMS Award“ für das beste queere Langformat.
Am interessantesten für die Besucher sind wohl die Publikumspreise, die seit Kurzem „Audience Award“ heißen. Die von SZ und BR präsentierten Auszeichnungen werden seit 2024 erstmals in zwei Kategorien vergeben: für deutsche und für internationale Filme. Jeder Zuschauer kann via QR-Code die Filme bewerten, die er gesehen hat. Teilnehmende können zwei VIP-Pakete für „Klassik am Odeonsplatz“ am 12. Juli gewinnen. Die Preisverleihung findet im Rahmen der Filmfest-Award-Gala am 5. Juli im Amerikahaus statt. Das junge Programm „CineKindl“ hat zwei eigene Awards.
42. Filmfest München, Freitag, 27. Juni, bis Sonntag, 6. Juli, diverse Orte, Programm und Tickets unter filmfest-muenchen.de