Filmfest der ExtremsportlerMit 130 durch den Canyon

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Kletterer Tobias Renggli und Speedrider Antonie Dutruy (rechts).
Kletterer Tobias Renggli und Speedrider Antonie Dutruy (rechts). (Foto: Stephan Rumpf)

Fliegen, raften, klettern – manchmal bis der Heli kommt. Die Protagonisten der EOFT-Tour am Mittwochabend in München überbieten sich in ihren Filmen an Waghalsigkeit.

Von Thomas Becker

Was schöner ist als Fliegen? Na, Skifahren und Fliegen natürlich, was sonst? Hört man Anthony Dutruy, dem jungen Franzosen, ein paar Minuten zu, erscheint nichts selbstverständlicher als mit Skiern an den Füßen und einem sechs Quadratmeter kleinen Gleitschirm an den Schultern mit Tempo 130 durch einen schmalen Canyon zu donnern. Dazu federleicht zwischenzulanden, ein paar Schwünge in den Pulverschnee zu zaubern, um bei der nächsten Klippe wieder abzuheben, Wind Nordost, Startbahn 02. Über den Wolken ist er nicht, aber dem Himmel scheint dieses Gefühl beim Speedriding recht nahe zu sein. Zumindest wenn man so gepolt ist wie der Bursche mit dem zarten Schnauzbart. Dabei ist er zwangsweise bei diesem Sport gelandet: weil die Knie nach Jahren auf der Junior Freeride World Tour die krassen Sprünge nicht mehr vertrugen. Ergo: lieber fliegen als hart landen. Das Leben kann so einfach sein, und damit willkommen bei der European Outdoor Film Tour, kurz EOFT, dem Klassentreffen der Frischluftfreunde.

Jedes Jahr im Herbst kommt die EOFT, um die Besucher in der Alten Kongresshalle zwei Stunden lang in die Welt der Abenteurer, Extremsportler oder sonstwie spannenden Menschen zu schicken. Oft geht es um sportive Höchstleistungen, manchmal liegen die Extreme aber auch woanders. Protagonistin in „Sheri“ ist eine Mittsiebzigerin, die als junge Kajakerin und Skifahrerin die Diagnose ‚chronisches Erschöpfungssyndrom‘ bekommt. Als Sheri Tingeys Sohn Thor nach einem Alaska-Abenteuer über die Qualität seines Schlauchboots klagt, fuchst sie sich mit Ende 50 in das Thema rein - und gilt heute als Erfinderin des modernen Packrafts, einem stabilen Schlauchboot. Gefeiert wurde sie nicht, sondern von der männerdominierten Branche kritisch beäugt und sagt: „In einer testosterongeladenen Industrie hatte ich weniger als null Glaubwürdigkeit. Niemand wollte mit mir sprechen. Du bemerkst diesen Hintergedanken: Wie soll die das verstehen? Sie ist eine Frau…“

Szenario : European Outdoor Film Tour in der Alten Kongreßhalle ,FOTO : , 14.Oktober 2025 , Copyright : Foto : Stephan Rumpf
Szenario : European Outdoor Film Tour in der Alten Kongreßhalle ,FOTO : , 14.Oktober 2025 , Copyright : Foto : Stephan Rumpf (Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

Wie stark Frauen heute sind, beweist „Freja‘s Back“, ein Wortspiel, da back im Englischen sowohl Rücken als auch zurück bedeutet. Denn nur ein halbes Jahr, nachdem sich die irisch-schwedische Klettererin Freja Shannon nach einem Sturz aus zehn Metern den Rücken gebrochen hat, wagt sie sich wieder in eine Wand: eine fast senkrechte Granitnadel, anspruchsvollste Riss-Kletterei im Schwierigkeitsgrad 7c. Es wird geschnauft, geschrien und geflucht, besonders oft zu hören: der mit den vier Buchstaben und F am Anfang. Dass es nach dem Crash wirklich ernst war, habe sie erst realisiert, als die Notärztin im Helikopter ans Krankenhaus funkte: Number one priority! Shannon erinnert sich: „Selbst als sie mir sagten, ich habe mir den Rücken gebrochen, dachte ich: Die haben die Falsche. Mich können die nicht meinen.“ Das Konzept, dass man sich verletzen könnte, sei so weit weg gewesen für sie. „So viele Jahre war immer alles gut gegangen. Man glaubt ja auch nie, dass das eigene Haus abbrennen könnte. Klar war das naiv. Und dann ist es passiert.“ Aber warum gleich so extrem beim Comeback? „Ich wollte mich fordern, nach dem Motto: Alles ist möglich. Stimmt nicht immer, aber das ist okay. Wir können oft mehr als wir glauben. Mein Tipp: keine Angst haben, es auszuprobieren!“

Furcht kannten auch die vier Franzosen nicht, die sich in „Wild days“ 50 Tage durch die Wildnis Alaska kämpfen, in Gletscherspalten stürzen, sich gegenseitig retten und sich vor der Besteigung eines 5000ers Glitzer auf die Wangen streuen, um den Wettergott gnädig zu stimmen. Kufenkünstler Elladj Baldé erzählt dagegen vom Ausstieg aus der Eiskunstlauf-Karriere, der ihn nicht nur auf wildes Eis führt, sondern auch zu sich selbst. Und der junge Schweizer Tobias Renggli hat in „Gipfeli of Switzerland“ nicht nur die höchsten Gipfel aller 26 Kantone in nur 21 Tagen bestiegen, sondern auch die jeweiligen Gipfeli, also Croissants, getestet. Sein nächstes Abenteuer: mit dem Rad von Alaska nach Argentinien und en passant alle 35 höchsten Gipfel Amerikas besteigen. Dann doch lieber fliegen.

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