Filmfest:Warum sagt niemand, "ich liebe dich aus ganzem Hirn"?

Filmfest: Der Spanier Antonio Banderas bekam von der Leiterin des Filmfests, Diana Iljine, einen Award verliehen.

Der Spanier Antonio Banderas bekam von der Leiterin des Filmfests, Diana Iljine, einen Award verliehen.

Antonio Banderas nimmt den Cinemerit Award entgegen und zeigt dabei, warum er von seinen Fans nicht nur für seine schauspielerische Leistung geliebt wird.

Von Bernhard Blöchl und Susanne Hermanski

Eines steht fest: Dieser Schauspieler existiert, er existiert wirklich. Man kann sich da ja nicht mehr sicher sein, bei Filmfest-Schwerpunkten wie "Virtual Worlds" und Diskussionsrunden wie "This Actress doesn't exist", aber dazu später. Zunächst strahlt der Star, der echte, neben Ralph Fiennes der größte, den das Filmfest München diesen Supersommer zu bieten hat: Antonio Banderas tritt am Samstagnachmittag ins Rampenlicht der Black Box im Gasteig, schlicht und elegant im grauen Anzug mit weißem Shirt, und spricht zum Publikum. Sieben Jahre übrigens nach seiner damaligen Ehefrau Melanie Griffith, die an selber Stelle stand, als sie vom Filmfest geehrt wurde. Banderas ist ein Profi im Erzählen, pointiert und sich stets seiner Aufgabe bewusst, den Film zu bewerben, wegen dem er hier ist: "Leid und Herrlichkeit" von Pedro Almodóvar. Und um am Abend im Carl-Orff-Saal den Cinemert-Award entgegenzunehmen, das freilich auch.

Zunächst erzählt der 58-Jährige, wie ihn ebenjener Regisseur vor 42 Jahren am Theater in Madrid entdeckte und zum Film lockte, als er, mit langen Haaren und romantischem Gesicht, in einem Shakespeare-Stück spielte. Banderas nennt das Theater "einen unglaublichen Akt der Zivilisation", er outet sich als Selfie-Hasser ("es gibt nichts Schrecklicheres"), und er hat Frieden gefunden mit seinem Imagewandel von der Gay-Ikone zum Latin Lover. Inzwischen ist er Cannes-Gewinner.

Schon eine Stunde vor dem Gespräch haben sich am Roten Teppich unten Autogrammjäger positioniert, die Schlange vor der Black Box war länger als bei den Filmfest-Ticket-Schaltern. Der spanische Star, der es auch in Hollywood geschafft hat, verleiht München tatsächlich jenen Glamour, der ein Filmfest zum magischen Magneten macht. Den es braucht, wenn es ein breites Publikum erreichen soll. Ebenso wie den Willen zum Wandel. Was nützen "Virtual Worlds", wenn es keine echten Stars gibt? Dieser scheinbare Gegensatz aus Zukunftsvision und Gegenwartskult, aus Ungreifbarem und Realem war ein Leitthema dieses ersten Filmfest-Wochenendes. Die Veranstaltung direkt vor Banderas' Auftritt in der Black Box war in mehrerlei Hinsicht visionär und inspirierend, und trotzdem das Gegenteil vom "Star zum Anfassen". Das Motto: "This Actress doesn't exist", diese Schauspielerin gibt's gar nicht.

Auf Initiative von Olga Havenetidis vom Film-Fernseh-Fonds Bayern stellten sieben Experten ihre Thesen zu computergenerierten Darstellern und anderen Künstlichen Intelligenzen vor. Eine davon konnte man etwa jüngst im von James Cameron produzierten Heldinnendrama "Alita" auf der Leinwand sehen. Für Kenner: Die Debatte streifte Themen wie Computer Generated Imagery, Motion Capture, Rendering und den Einsatz von KI im Film. Vom Betrug am Zuschauer und dem Fehlen des anarchischen Moments war da die Rede, aber auch von großen Chancen und neuen Ausdrucksformen des interaktiven Erzählens. Die interdisziplinäre Zusammenkunft (davon bitte mehr auf dem Filmfest) ging weit über eine Pro-und-Contra-Digitalisierungsdebatte hinaus. Kluge Gedanken aus der Psychologie ("Sehnsucht nach Macht über den Verfall", Wolfgang Schmidbauer), aus der Filmkunst (von Gästen wie Regisseur Edgar Reitz), aus der Games- und Animations-Sparte (Trixter-Gründer Michael Coldewey war da), aus Theologie, Kunst (SZ-Redakteurin Kia Vahland), Film-Avantgarde (Su Steinmassl) und Schauspiel (Irina Wanka) gaben der Diskussion echte gesellschaftliche Relevanz. Sie wird weiter geführt werden.

Die Echtheit der Gefühle war es unterdessen, die den weiteren Fortgang dieses Filmfesttags bestimmte. Bei der abendlichen Gala, mit der Antonio Banderas für sein Schaffen geehrt wird, erzählt er dem Publikum von dem Herzinfarkt, den er 2017 erlitten hat, und welche Traurigkeit ihn danach befiel. "Was glauben Sie, warum sagen die Menschen nicht, ,Ich liebe dich aus ganzem Hirn', sondern ,von ganzem Herzen'? Warum sagen sie, ,Du hast mir das Herz gebrochen - und nicht die Nieren'?" Das habe ihn eine Krankenschwester nach der Operation gefragt, bei der ihm drei Stents gesetzt worden waren.

Dass es sein Einfühlungsvermögen ist, das Banderas zu einem großen Schauspieler macht - und nicht der geschickt programmierte Algorithmus eines Computerhirns - dringt auch aus den Worten, die er für seinen wichtigsten Regisseur Pedro Almodóvar findet. Dessen Alter Ego spielt er in "Leid und Herrlichkeit". "Als wir uns für den Film ,Die Haut, in der ich wohne' nach 23 Jahren zum ersten mal wiedergesehen haben, brachte ich einen ganzen Koffer voll Erfahrungen mit, mit denen ich ihn beeindrucken wollte." Banderas habe all seine Tricks ausgepackt: ",Hör' hin, ich führe meine Stimme jetzt ganz anders, meine Art zu spielen, hat sich vollkommen gewandelt." Almodóvar habe das überhaupt nicht interessiert. "Er holte stattdessen einen Charakter aus meinem Inneren, der ganz anders war als alles, was ich von mir kannte. Mir hat das klar gemacht: Man sollte öfter Demut und Bescheidenheit üben."

Wie ernst Antonio Banderas - laut des Magazins People with Money aktuell der höchstbezahlte Schauspieler der Welt - dies meint, zeigt das spätere Dinner, ihm zu Ehren im kleinen Kreis im Bayerischen Hof. Sein Schauspielerkollege Jesse Eisenberg ist dabei, begleitet von der Chefin des NS-Dokuzentrums Mirjam Zadoff, Banderas Lebensgefährtin, die Anlageberaterin Nicole Kimpel, und eine Handvoll Regisseure von Kuba über Spanien bis Syrien, die Filmfest-Chefin Diana Iljine dazugeladen hat. Auf die Frage, wie ihm München gefalle, sagt Banderas: "Ich genieße es. Es macht so viel mehr Freude als das Filmfest in Cannes, wo man von früh bis spät nur unter Hochdruck von einer Station zur nächsten geschleust wird. Hier zu sein, die Zeit zu haben, mit anderen Kollegen aus aller Welt zu sitzen und sich auszutauschen; das ist herrlich." Und die Worte, so klingen sie, kommen von Herzen.

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