Filmdreh in München:Wadlbeißer auf dem Olympiaberg

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"Vatertage" wird eine Filmkomödie mit München als Hauptdarsteller. Gedreht wird an prominenten Plätzen wie Olympiaberg, Stachus, Eisbach und Odeonsplatz. Und Heiner Lauterbach darf den Schwulen spielen.

Josef Grübl

Eigentlich ist ein Wadlbeißer ja ein kleiner keifender Hund, der mit einem kräftigen Biss in den Musculus gastrocnemius auf sich aufmerksam macht. Gibt man den Begriff aber in eine Internet-Suchmaschine ein, finden sich Seiten von Stammtischen oder Musikkapellen, auch Artikel über den bayerischen Umweltminister Markus Söder fangen so an.

Dreharbeiten für den Kinofilm 'Vatertage' auf dem Olympiaberg. Mit dabei Schauspieler Heiner Lauterbach (Mitte, mit Baby) und Kabarettistin Monika Gruber (links). (Foto: Stephan Rumpf)

Auf die Idee, ein Rikscha-Unternehmen so zu benennen, ist bisher noch keiner gekommen: Dabei zwickt es gewaltig in den Waden, wenn man faule Touristen vom Marienplatz über den Englischen Garten zum Königsplatz strampelt. Geht's bergauf, wird es noch unangenehmer. Sebastian Bezzel weiß das, sein Radltaxi mit dem "Wadlbeißer"-Schild steht auf einer von Münchens höchsten Erhebungen: dem Olympiaberg.

Dass der Film- und Fernsehschauspieler ("Schwere Jungs", "Tatort") hier selbst in die Pedale trat, ist unwahrscheinlich, aber an diesem Septembertag geht es auch nicht ums Fahrradfahren, sondern um einen Film. Genauer gesagt um eine Komödie, die noch bis Ende September in München gedreht wird. "Vatertage" erzählt von einem Münchner Lebenskünstler (Bezzel) mit eigener Rikscha-Flotte, der über Nacht zum Großvater wird: Vor seiner Tür steht ein junges Mädchen, das behauptet, seine Tochter zu sein. Ähnlich wie ihr Erzeuger hat sie sich schon früh mit Nachwuchsfragen beschäftigt - und so bringt sie ihr eigenes Baby gleich mit zum Kennenlerngespräch. Eine traumatische Erfahrung, die sich im Laufe des Films aber in komödiantisches Wohlgefallen auflösen wird.

So richtet der von Sebastian Bezzel gespielte Basti beim Set-Termin auf dem Olympiaberg bereits einen Kindergeburtstag aus, Blaskapelle, Torte und Geschenke inklusive. Doch noch während der Vater wider Willen eine Rede schwingt, verdunkelt sich der Himmel. Minuten später regnet es, das Team wird in die Mittagspause geschickt. "Wir haben uns in den letzten drei Jahren immer wieder getroffen und die Geschichte weiter entwickelt", erklärt Bezzel die Zusammenarbeit mit den Drehbuchautoren und Produzenten, die Rolle sei ihm quasi auf den Leib geschrieben worden. Figuren wie Basti eignen sich gut für Komödien; sie sind unterhaltsam, gehen keiner Albernheit aus dem Weg und haben dennoch genügend Fallhöhe.

Dass das deutsche Kino derzeit reihenweise solche Männer auffährt, fällt dann aber doch auf: Anstatt heldenhafte oder coole Typen über die Leinwände zu jagen, sind die Stars der Kinohits "Kokowääh", "Resturlaub" oder "What a Man" Nachwuchsverweigerer, Torschlusspaniker oder Schluffis mit Identitätskrise. In diese Laumann-Riege reiht sich auch Basti ein: Für längerfristige Beziehungen ist er nicht geschaffen, und für die Rolle des Vorzeige-Papas fehlt es ihm an Erfahrung und finanzieller Basis.

So weit, so bekannt. Der Charme beziehungsweise die Besonderheit des Projekts liegt dann auch weniger in seiner Story als an seinem Schauplatz: "München ist der eigentliche Hauptdarsteller des Films", betont Jakob Claussen. Der mit Kinohits wie "Jenseits der Stille" oder "Anatomie" bekannt gewordene Produzent schickt sein Team außer in den Olympiapark noch an touristische Hotspots wie Stachus, Eisbach oder den Odeonsplatz.

Aber auch in weniger abgefilmten Stadtvierteln wie Neuhausen, Sendling oder dem Westend wird in den nächsten Wochen gedreht. "Die Stadt München hat unfassbar viele Veranstaltungen und Bauvorhaben zu bewältigen. Dreharbeiten halten da immer auf und machen Arbeit", meint Claussen. Deshalb habe es auch vor Drehbeginn eine Sitzung im Kreisverwaltungsreferat gegeben, in der die Vertreter von MVV oder Polizei auf den Film eingestimmt wurden. "Sie sind alle bemüht, uns zu unterstützen", freut sich der Produzent, "das ist nicht selbstverständlich."

Kinokomödien aus München sind selten geworden; es waren vorwiegend ernste Filme wie "Sophie Scholl", "Im Winter ein Jahr" oder der leider völlig untergegangene "Morgen das Leben", die auf den Straßen und Plätzen der Landeshauptstadt spielten. Man muss schon weiter zurückgehen, um hiesige Komödienperlen ausfindig zu machen; Filme, die das ganz besondere Lebensgefühl der Stadt einfingen. Die bekanntesten Vertreter dürften Helmut Dietls "Rossini" oder Sönke Wortmanns "Kleine Haie" sein. Auch Doris Dörries "Männer" ist eine große Münchner Komödie.

Dörries Hauptdarsteller von damals ist auch bei "Vatertage" dabei: Heiner Lauterbach spielt den Vater des Helden, auf dem Olympiaberg fällt er durch den eigenwilligen Kleidungsstil auf. Er trägt rosa Schuhe, ein Matrosen-Shirt und viel zu viel Schmuck um Hals und Hände. Begleitet wird er von einem südländischen Mann im Partnerlook, die Botschaft ist unmissverständlich: "Der sanfte Macho" (Titel einer Lauterbach-Biographie) mimt einen schwulen Mann, dem es nach seinem späten Coming-out nicht schrill genug zugehen kann. "Der Film ist kein Drama", kommentiert der Fernsehstar seine Rolle, "da kann man dem Affen schon mal etwas Zucker geben."

Heiner Lauterbach lebt seit knapp vierzig Jahren in und um München, er hat in so mancher komödiantischen Rolle geglänzt. "Das ist heute einfach eine andere Zeit", urteilt er über den veränderten Blick von Filmemachern auf die Stadt. Komödien über die Schickimicki-Szene seien eben nicht mehr zeitgemäß. "Es gab einen Generationswechsel, viele Leute leben auch nicht mehr. Und jetzt ist mit Bernd Eichinger auch noch der Anführer der Schickeria tot."

Höchste Zeit also, die Münchner Gesellschaftskomödie neu zu erfinden. "Es soll ein liebevoller und etwas anderer Blick auf München werden, ohne die gängigen Touristenklischees", beschreibt Hauptdarsteller Bezzel dann auch die "Vatertage", die zum Kinostart im Sommer 2012 vermutlich noch einen knackigeren Titel verpasst bekommen. Auf dem Regiestuhl sitzt ein junger Mann, der mit dem Blick des Außenseiters auf die Stadt blickt: Ingo Rasper ist gebürtiger Niedersachse und lebt in Berlin. Sein Kinodebüt "Reine Geschmackssache" überzeugte Claussen aber so sehr, dass er ihm die Regie zu diesem Film anbot.

Bei der Kindergeburtstags-Szene am Olympiaberg zeigt Rasper dann auch, was er draufhat: Trotz der vielen Statisten und angesichts der bedrohlichen Regenwolken bleibt er ruhig und gibt seinen Darstellern knappe Anweisungen. Monika Gruber, die die Schwester des Helden spielt, trägt ein schrilles Dirndl; Peter Mitterrutzner, den man aus den Rosenmüller-Filmen kennt, wirkt dagegen etwas verloren zwischen all den herumhüpfenden Kindern. Nur Adam Bousdoukos (bekannt aus "Soul Kitchen") scheint der ganze Rummel nichts auszumachen.

Auf die Frage, wie intensiv die Beziehung zu seinem Film-Lover Heiner Lauterbach denn nun sei, antwortet er lachend: "Übers Händchenhalten ist es noch nicht hinausgegangen."

© SZ vom 07.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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