Film über Whistleblower:"Mit einem Klick könnten die alles mithören"

Film über Whistleblower: Philip Schulz-Deyle war unter anderem für die Drehorte zuständig. Kurzzeitig bestand das Team um ihn herum aus 180 Mitarbeitern.

Philip Schulz-Deyle war unter anderem für die Drehorte zuständig. Kurzzeitig bestand das Team um ihn herum aus 180 Mitarbeitern.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Münchner Philip Schulz-Deyle ist Koproduzent von "Snowden". Die Arbeit an dem Film hat den so ruhig wirkenden Biker verändert.

Von Philipp Crone

"Mit einem Klick könnten die alles mithören", sagt Philip Schulz-Deyle und zeigt auf das iPhone in der schwarzen Gummihülle auf dem Schreibtisch. Die, das ist die NSA. Und der, das ist der Münchner Koproduzent des Films "Snowden" über den NSA-Whistleblower. Der wuchtige Mann mit dem zurückgegelten Haar und der zahnstocherbreiten Zahnlücke lächelt. Es ist zum einen das Lächeln eines geübten Geschichtenerzählers, der eine gute Story hat und merkt, wie sie wirkt.

Es ist aber auch ein angespanntes Lächeln von jemandem, der im Laufe der Vorbereitungen auf den Film und die Dreharbeiten so viel gesehen, gelernt und gehört hat über diese weltumspannende Abhör- und Absauge-Organisation, dass es ihn verändert hat. Und das will bei diesem Menschen etwas heißen.

Schulz-Deyle, das ist der Produzent, der bei Empfängen der Branche in schwarzer Lederkluft auffällt und der die offenbar nicht nur deshalb anzieht, um seine Harley auszufahren, sondern auch, um die begeisterten Schulterhiebe der Kollegen ein wenig abzudämpfen. Ein rotzig herzlicher Familienvater, dessen ruppige Biker-Art mit jedem Charakter kompatibel ist. Vom knurrigen Oliver Stone bis zu den Filmassistenten mit Stressflecken auf der Wange.

Neben dem Handy stehen fünf Schädel, der Größe nach sortiert, auf dem Schreibtisch. Requisiten, Andenken. Hinter Schulz-Deyle liegt in seinem Büro auf dem Bavaria-Film-Gelände ein Schwert aus dem Film "Alexander". Bei diesem Projekt hat er "Snowden"-Regisseur Oliver Stone kennengelernt. An den Wänden drei Schwarz-Weiß-Fotos von boxenden Kindern. Andere haben niedliche Filmplakate in ihren Filmemacherbüros, bei Schulz-Deyle herrschen Kampf und Tod.

"Der große Schädel? Das ist der letzte, der seine Rechnung nicht bezahlt hat." Diesmal folgt ein uneingeschränktes Grinsen. Morbider Humor. Schulz-Deyle ist einer, den man als Mitschüler gerne auf seiner Seite hatte. Schnell, in jeder Hinsicht. Forsch, furchtlos. Zumindest war er das noch vor seinem aktuellen Film.

Mitte 2014 bekam Schulz-Deyle einen Anruf aus den USA, von einem Bekannten aus der Branche, mit dem er schon zusammengearbeitet hatte. Ob er Interesse hätte, in Deutschland einen Film zu realisieren, der keine Sekunde in Deutschland spielt, von dem es noch kein Buch gibt, der aber unter Zeitdruck produziert werden müsse? Er sagte zu. Und Oliver Stone begann, an einem Computer, dem sämtliche sendefähigen Komponenten entnommen worden waren, das Drehbuch zu "Snowden" zu schreiben.

"Später wurde das Buch ausgedruckt und in sechs verschiedenen Paketen, die einen mit geraden Seitenzahlen, die anderen mit den ungeraden, nach Deutschland geschickt." Zusammengesetzt wurden sie in München und dann ging es zu den Filmförderungen. "Bei der bayerischen Förderung zum Beispiel wurde drinnen gelesen und vor der Tür hat einer gewartet." Amerikanische Filmstudios hätten den Film nicht finanzieren wollen - zu heikles Thema.

Schulz-Deyles Handy klingelt, die sphärische Melodie von Star Trek. Sein Bruder Matthias, mit dem er zusammen die Produktionsfirma führt. Der ist gerade in Venedig und braucht ein Restaurant für ein Geschäftsessen. "Wer bezahlt das Essen?", fragt Schulz-Deyle. Alles einrechnen und bedenken, die Grundfähigkeit jedes Produzenten. Dabei wollte Schulz-Deyle nach seiner ersten Erfahrung beim Film eines auf keinen Fall: zum Film. Und das lag nicht daran, dass er Fahrer für "Forsthaus Falkenau" war. Der Vater, selbst Produzent, hatte ihm den Job besorgt. "Ich wollte aber Ethnologie studieren, fremde Kulturen und hübsche Mädchen."

Machte er auch, drei Jahre, aber er ging eben auch gerne weg, mit den Mädchen. Deshalb die Arbeit beim Film. Er war Set-Aufnahmeleiter, also einer, der den Tag genau plant und Probleme löst. Sind alle Drehgenehmigungen da? Wer muss wann am Set sein? Wissen die Fahrer Bescheid, so etwas. Und er merkte: Kann ich.

Schulz-Deyle bewarb sich mit 24 an der Münchner Filmhochschule HFF, wurde genommen, Studiengang Produktion. Drehbuch oder Regie waren nichts für ihn. "Ich habe schnell verstanden: Ich kann nicht gut schreiben, aber gut kritisieren." Konstruktive Vorschläge machen. Und an der HFF merkte er: "Ich brauche ein Team." Bei "Snowden" war das zu Hochzeiten eines mit 180 Mitarbeitern. Der 44-Jährige besorgte ein Drittel der 38 Millionen Euro des Gesamtbudgets in Europa, außerdem war er für die Drehorte zuständig.

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