Mit Superlativen ist das ja immer so eine Sache: Das Schönste, Beste, Allertollste nutzt sich schnell ab, selbst Spitzenmeldungen klingen bei wiederholtem Einsatz nicht mehr ganz so spitzenmäßig. Wie also würdigt man Steffi Graf und Andre Agassi, zwei der besten, tollsten und spitzenmäßigsten Tennisprofis überhaupt? Indem man ihnen noch mehr Preise und Pokale hinterherwirft? Ihre sportlichen Erfolge in Endlosschleife wiederholt? Oder sich an einem Film über ihr Leben und ihre Liebe versucht? Der Münchner Filmproduzent Eric Welbers, der Regisseur Florian Gallenberger und die Herrschaften von Amazon Prime Video haben sich für Letzteres entschieden.
„Perfect Match“ heißt ihr Doppel-Biopic über das Tennis-Traumpaar Graf und Agassi, seine Premiere feiert es in München. Wobei das mit der Premiere nicht ganz stimmt: Eine „Preview“ soll es sein, eine Vorschau also, zu der Amazon am Dienstagabend in die Astor Film Lounge im Arri geladen hat. Auch wenn auf den ersten Blick alles nach Premiere aussieht (mit Schauspielerinnen, Schnittchen, Sekt und Fotografen), scheint hier jemand den Ball flach halten zu wollen. Keine Superlative, kein Starauflauf, kein branchenübliches Schöner-besser-toller-Geraune. Zur Vorschau geht es dann sogar ins kleine Kellerkino. Was womöglich Strategie ist: Drei Tage vor dem Streaming-Start (am 29. Juni) sucht man vergeblich nach einem Trailer des Films – und wer auf der Website von Amazon „Perfect Match“ eintippt, findet Kosmetikprodukte, Brettspiele oder einen acht Jahre alten US-Film mit demselben Titel. Von Steffi Graf oder einem Film über ihr Leben sieht man nichts.
Auch am Premieren- beziehungsweise Preview-Abend sind sie und ihr Ehemann nicht da, die beiden haben vor mehr als zwei Jahrzehnten geheiratet, eine Familie gegründet und sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. „Ich habe Steffi Graf nie persönlich getroffen“, sagt Lena Klenke, „sie war an dem Film nicht beteiligt.“ Die gebürtige Münchnerin spielt die Ausnahmesportlerin; als sie 1995 zur Welt kam, hatte Graf schon sechsmal Wimbledon gewonnen (und sollte im Jahr darauf erneut triumphieren). Mit Tennis habe sie vorher nichts zu tun gehabt, gesteht die Schauspielerin, die mit den „Fack ju Göhte“-Filmen (als kleine Schwester Schnabelstedt) oder der Netflix-Serie „How To Sell Drugs Online (Fast)“ bekannt wurde. Jetzt also der nächste Karriereschritt: „Sie haben mich einfach gefragt, ob ich Steffi Graf spielen möchte“, erzählt sie im Kinofoyer, immer noch etwas ungläubig ob dieses Rollen-Coups. Anscheinend habe sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der jungen Steffi, sagt sie. Um ihr auch sportlich ähnlich zu sein, habe sie monatelang trainiert – richtig Tennis spielen könne sie aber immer noch nicht. Auch sonst wurde etwas nachgeholfen: „Ich trage im Film eine Nasenprothese“, verrät die 28-Jährige.
Andere Haarfarben tragen Inka Friedrich und Michael Kessler, die ihre Eltern spielen: Im Film ist sie blond und er dunkelhaarig, im echten Leben ist es genau umgekehrt. Die beiden sprechen auch anders, sie hätten sich den in Grafs Heimatregion typischen kurpfälzischen Dialekt antrainiert, erzählt die Schauspielerin. „Ein schillernder Charakter“ sei Peter Graf gewesen, behauptet der vor allem für seine Parodien bekannte Kessler, der hier betont ernst spielt. Im ansonsten skandalfreien Leben der Sportlerin sorgte ihr Vater (und Trainer) für genug Skandale: Schmiergeldzahlungen, Steuerhinterziehung, Affären mit Akt-Modellen. Das zeigt der Film auch, allerdings nur am Rand: Es ist die fiktionalisierte Liebesgeschichte von Steffi und Andre (den der bei der Vorschau nicht anwesende Engländer Toby Sebastian spielt), die exakt so oder vielleicht auch ganz anders passiert sein könnte. Dafür sind die realen Vorbilder einfach zu diskret. Daran wird wohl auch dieses seichte, aber durchaus sympathische Liebesmärchen nichts ändern.