Länder-Filmfestivals in München:In Filmen einmal um die ganze Welt

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Der Spielfilm „Reinas – Die Königinnen“ von Klaudia Reynicke erzählt eine Kindheitsgeschichte aus den 1990er-Jahren. (Foto: Diego Romero Suárez-Llanos/Alva Film, Inicia Films, Maretazo Cine)

Im November finden in München wieder mehrere Länder-Filmfestivals statt. Auf dem Programm stehen selten gezeigte Werke aus Lateinamerika, China, Italien, Rumänien, Griechenland und der Schweiz. Ein cineastischer Reiseüberblick.

Von Josef Grübl

Schöne Schweiz

Was das Besondere an der Schweiz sei, wurde der Dichter Adolf Muschg einmal gefragt. Es sei dort alles schöner und besser, antwortete er. Da der Mann gebürtiger Zürcher ist, glaubt man ihm das einfach einmal. Schön ist auch die Schweizer Filmwoche, die im Theatiner Kino stattfindet. Auf dem Spielplan steht ein bunter Mix aus schweizerischen Dramen und Komödien, aus Dokus und Animationsfilmen.

Viele von ihnen sind brandneu und laufen als Preview: Der Spielfilm „Reinas – Die Königinnen“ erzählt eine Kindheitsgeschichte aus den 1990er-Jahren, eine Familie bereitet ihre Übersiedlung von Peru in die USA vor. Klaudia Reynicke ist eine schweizerisch-peruanische Regisseurin, ihr Film ist autobiografisch inspiriert und soll die Schweiz 2025 im Rennen um den Oscar für den besten internationalen Film vertreten. Ebenfalls noch nicht in den Kinos angelaufen ist „Sauvages“, der neue Film des in Genf lebenden Stop-Motion-Animationsfilmers Claude Barras. Er erzählt von einem kleinen Mädchen auf Borneo, das ein Orang-Utan-Baby rettet.

In Lausanne gedreht wurde die Tragikomödie „Le procès du chien“ („Hundschuldig“), in der eine Anwältin um das Leben eines Hundes kämpft: Dieser hat drei Menschen gebissen und soll eingeschläfert werden, es kommt zu einem aufsehenerregenden Prozess. Der Film von Lætitia Dosch kommt erst im Februar 2025 in die deutschen Kinos. Abschlussfilm dieser Filmwoche ist die Feelgood-Komödie „Bon Schuur Ticino“, in der die Eidgenossen über eine offizielle und einheitliche Landessprache abstimmen sollen. Ob ihr Land danach immer noch schöner und besser ist?

Schweizer Filmwoche, noch bis Mittwoch, 6. November, Theatiner Film, Theatinerstr. 32

Großes aus China

In „Five Hundred Miles“ geht es um heimliche Lieben und ein aus dem Ruder gelaufenes Blind Date. (Foto: kao hsing; Chinesisches Filmfest München)

Mit mehr als sieben Millionen verkauften Kinotickets wäre „Five Hundred Miles“ hierzulande der kommerziell erfolgreichste Film des Jahres, doch in seinem Heimatland reichte dieses Ergebnis 2023 nur für einen Platz im hinteren Mittelfeld: In China ist eben alles ein bisschen größer – im Rest der Welt schaffen es chinesische Filme dagegen nur selten in die Kinos. Deshalb gibt es Länder-Filmfestivals wie das Chinesische Filmfest München: In dessen zwölfter Ausgabe werden zwei Wochen lang 20 Filme gezeigt, die meisten laufen als Deutschlandpremieren.

So auch die eingangs genannte Körpertauschkomödie, die das Festival am 4. November eröffnet: In „Five Hundred Miles“ geht es um heimliche Lieben und ein aus dem Ruder gelaufenes Blind Date. Ein Teenager tauscht den Körper mit einem korrupten Anwalt, ihre Familien tauschen die beiden gleich mit. Romantisch und komisch geht es auch zu in „If You Are The One“: Der chinesische Kinohit war so erfolgreich, dass er zwei Fortsetzungen nach sich zog. Die gesamte Trilogie ist im Neuen Rottmann Kino zu sehen.

Alle Filme sind in der Originalfassung mit englischen Untertiteln zu sehen, im Gasteig HP8, im Kino Breitwand Gauting oder eben im Neuen Rottmann. Einige der Filme können auch online gestreamt werden. Das Angebot ist vielfältig und reicht von Actionthrillern („The White Storm 3: Heaven Or Hell“) über Animationsfilm-Klassiker („Princess Iron Fan“ aus dem Jahr 1941) bis hin zu Dokumentarfilmen wie „Hear The Light“, der einen Chor blinder Menschen begleitet.

Chinesisches Filmfest München, Montag, 4., bis Montag, 18. November, verschiedene Orte sowie online

Reise nach Rumänien

„Horia“ erzählt von einem jungen Mann, der mit einem uralten Motorrad einmal quer durchs Land zu seiner Traumfrau fährt. (Foto: Filmmuseum München)

Das Rumänische Filmfestival im Münchner Filmmuseum ist bekannt für Filme aus Rumänien. Was wie eine Binsenweisheit klingt, ist dieses Jahr ein bisschen anders: Zwei der insgesamt 13 Filme stammen aus Moldawien (auch bekannt als Republik Moldau), in einem geht es in die Region Transnistrien. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörten beide größtenteils zu Rumänien (ab 1940 zur Sowjetunion), viele Menschen dort sprechen Rumänisch, in Filmen spielt dieses Groß-Rumänien regelmäßig eine Rolle.

So auch im Eröffnungsfilm des Festivals: „Horia“ erzählt von einem jungen Mann, der mit einem uralten Motorrad einmal quer durchs Land zu seiner Traumfrau fährt. Die Regisseurin Ana-Maria Comănescu will ihren Film in München dem Publikum persönlich vorstellen. Das rumänische Kino hat einen exzellenten Ruf, Regisseure wie Cristian Mungiu oder Radu Jude sind Stammgäste bei den großen Festivals in Cannes, Venedig oder Berlin. Auch Călin Peter Netzer ist international bekannt, er gewann 2013 den Goldenen Bären der Berlinale für „Mutter & Sohn“.

In München läuft Netzers neuer Film „Familiar“, in dem er von einem Regisseur erzählt, der einen Film über seine Eltern machen will. Anleihen an seine eigene Familiengeschichte sind beabsichtigt, Ähnlichkeiten zu Fellinis „Achteinhalb“ ebenfalls. Als Abschlussfilm läuft Cristian Comeagăs Politsatire „La Snagov“ (über die feine Gesellschaft Bukarests), der Regisseur wird ebenfalls in München erwartet. Alle Filme werden in der Originalfassung mit englischen Untertiteln gezeigt.

Rumänisches Filmfestival, Donnerstag, 7., bis Samstag, 16. November, Filmmuseum, St.-Jakobs-Platz 1

Gäste aus Griechenland

Starke Frauenfiguren bei der Griechischen Filmwoche: Der Dokumentarfilm „Lesvia“ über die lesbische Frauenbewegung auf Lesbos. (Foto: Griechische Filmwoche München)

Sie starb vor 30 Jahren, gilt aber nach wie vor als die wohl berühmteste Schauspielerin Griechenlands: Melina Mercouri war in internationalen Filmhits wie „Sonntags … nie!“, „Phaedra“ oder „Topkapi“ zu erleben, in den 1970er-Jahren wechselte sie in die Politik. Sie wurde Kulturministerin und ermahnte ihre EU-Amtskollegen, das kulturelle Bewusstsein Europas zu schärfen.

Kulturelles Bewusstsein schafft auch die Griechische Filmwoche, die zum 38. Mal stattfindet und in diesem Jahr mit dem 1978 entstandenen Drama „Traum einer Leidenschaft“ eröffnet. Darin geht es um eine Schauspielerin, die die Rolle der Kindsmörderin Medea übernimmt und eine echte Mörderin im Gefängnis besucht. Jules Dassin führte Regie, seine Ehefrau Melina Mercouri spielte die Hauptrolle, der Film markierte ihren Abschied vom Kino.

Mercouri war eine sehr starke und stolze Frau, starke Frauenfiguren finden sich auch im restlichen Programm der Griechischen Filmwoche München. So etwa die Dokumentarfilme „Lesvia“ (über die lesbische Frauenbewegung auf Lesbos) und „Mary, Marianna, Maria“ (über Maria Callas’ Jahre in Griechenland). Mit einer knappen halben Million verkaufter Kinotickets war die Literaturverfilmung „Die Mörderin“ der erfolgreichste griechische Film des Jahres 2023, zur Vorstellung in München wird die Drehbuchautorin Katerina Bei erwartet. Insgesamt 14 Spiel- und Dokumentarfilme sowie ein Kurzfilmprogramm stehen auf dem Spielplan, der Eröffnungsfilm läuft im Rio Filmpalast, die restlichen Filme sind im Theatiner Kino und im Gasteig HP8 zu sehen.

Griechische Filmwoche, Donnerstag, 14., bis Samstag, 23. November, verschiedene Orte

Italienische Geschichte

In der 1962 entstandenen Komödie „La marcia su Roma“ („Der Marsch auf Rom“) von Dino Risi erleben zwei einfache Männer (Vittorio Gassman und Ugo Tognazzi) im Herbst 1922 die Machübernahme Benito Mussolinis. (Foto: Filmmuseum München)

Vor hundert Jahren, im Juni 1924, starb der Politiker Giacomo Matteotti. Er wurde von Faschisten ermordet, sein Tod markierte einen Wendepunkt in der Geschichte Italiens. Der Münchner Kulturverein Circolo Cento Fiori gedenkt Matteotti mit einer Reihe von Veranstaltungen, mit Vorträgen, einer Fotoausstellung und einer italienischen Filmreihe.

Diese findet im Filmmuseum statt, zum Auftakt läuft Dino Risis 1962 entstandene Komödie „La marcia su Roma“ („Der Marsch auf Rom“). Darin erleben zwei einfache Männer (Vittorio Gassman und Ugo Tognazzi) im Herbst 1922 die Machübernahme Benito Mussolinis. Ebenfalls in jenen ereignisreichen Jahren ist Florestano Vancinis Film „Il delitto Matteotti“ („Die Ermordung Matteottis“) aus dem Jahr 1973 angesiedelt: Wie der Titel bereits verrät, geht es hier direkt um den Mord an dem Politiker und Juristen – und wie Mussolini daraus politisches Kapital schlug. Die Hauptrollen wurden übrigens sehr prominent besetzt: Franco Nero spielte Matteotti, Mario Adorf verkörperte Benito Mussolini.

Mit großen Namen punktet auch der dritte Film der Reihe: Mit „Il conformista“ („Der große Irrtum“) feierte Bernardo Bertolucci im Jahr 1970 seinen ersten großen Erfolg, Jean-Louis Trintignant spielt darin einen Faschisten zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Der Film lief im Wettbewerb der Berlinale und wurde für einen Oscar nominiert. Alle drei Filme werden in der Originalversion mit englischen Untertiteln aufgeführt.

Circolo Cento Fiori Filmreihe: Giacomo Matteottis Vermächtnis, Freitag, 22., bis Sonntag, 24. November, Filmmuseum, St.-Jakobs-Platz 1

Lachen in Lateinamerika

Der Dokumentarfilm „El arte de perder“ porträtiert den außergewöhnlichen Musiker Andrés Godoy. Regisseur Sebastian Saam stellt seinen Film persönlich vor. (Foto: Sebastian Saam)

Als 14-Jähriger verlor er bei einem Arbeitsunfall seinen rechten Arm, als Gitarrist wurde Andrés Godoy trotzdem bekannt: Der Chilene entwickelte eine ganz eigene Spieltechnik, die ihn in weiten Teilen Lateinamerikas berühmt machte. Der Dokumentarfilm „El arte de perder“ porträtiert diesen außergewöhnlichen Musiker. Regisseur Sebastian Saam stellt den Film bei den Lateinamerikanischen Filmtagen München (Lafita) persönlich vor.

Die Lateinamerikanischen Filmtage gibt es bereits seit 1986, dieses Jahr stehen Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus Brasilien, Argentinien, Venezuela, Ecuador oder Peru auf dem Programm. Gezeigt werden sie in der jeweiligen Originalsprache, mit deutschen oder englischen Untertiteln. Lafita ist an mehreren Orten zu Hause: Der Eröffnungsfilm „Puan“ (eine Komödie aus dem Universitätsbetrieb in Buenos Aires) läuft im Kulturzentrum Luise, die restlichen Filme sind im Werkstattkino und im Gasteig HP8 zu sehen.

Es werden auch Gäste erwartet, so etwa der Freiburger Filmemacher Marco Keller. Er bringt seinen Dokumentarfilm „Olinda – Heartbeats of Brazil“ mit, darin geht es in die titelgebende Karnevalsmetropole im Nordosten Brasiliens. Um die Kinos in seiner Heimatstadt Recife geht es in Kleber Mendonça Filhos neuem Film „Retratos Fantasmas“. Als Abschlussfilm läuft die argentinische Komödie „Arturo a los 30“: Regisseur Martin Shanly spielt darin selbst einen 30-Jährigen, der recht orientierungslos durchs Leben stolpert. Dabei sorgt er immer wieder für Lacher.

Lateinamerikanische Filmtage, Mittwoch, 27. November, bis Sonntag, 1. Dezember, verschiedene Orte

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