Man möchte es kaum glauben, aber unser aller Leben wird tatsächlich immer noch schneller, noch getakteter, noch kurzatmiger: Das ist nicht nur in der Politik festzustellen (wo man bereits Stunden nach dem Sturz eines Diktators die Rückkehr geflüchteter Menschen in ihr Heimatland einforderte), das erleben die Menschen auch Tag für Tag in ihren angeblich sozialen Online-Filterblasen. Tiktok, Instagram oder Whatsapp sorgen für Schnappatmung im Sekundentakt: Sich auf ein Thema länger als eine halbe Minute einzulassen, gilt fast schon als anachronistisch.
Anders ist es im Kino, da können die aktuellen Hits der Saison nicht lang genug sein. „Gladiator II“ etwa ist zwar quasi eine Wiederholung der Story aus Teil eins, benötigt dafür aber zweieinhalb Stunden. „Wicked“ legt mit einer Laufzeit von zwei Stunden und 40 Minuten noch eine Schippe drauf und erzählt trotzdem nur die Hälfte der Geschichte. Es scheint fast so, als ob Filmemacher mit der Länge ihrer Werke angeben wollen – dabei haben auch kurze Filme ihren Reiz. Kurzfilme bieten ihren Machern viele Freiheiten und dem Publikum neue Sichtweisen; mal sind sie minutenkurz, mal eine halbe Stunde lang. Man könnte sie also gut ins Vorprogramm der Kinos einbauen. In den regulären Kinospielplänen kommen sie aber kaum vor.

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Ob Theater, Konzert oder Ausstellung: Wer an den oder um die Feiertage herum etwas erleben will, wird in jedem Fall etwas finden – und das muss nicht immer weihnachtlich sein.
Die Initiative „Der Kurzfilmtag“ möchte das ändern: Am kürzesten Tag des Jahres, also zur Wintersonnenwende um den 21. Dezember herum, werden in ganz Deutschland die verschiedensten Orte zu temporären Kinos. Auf den Spielplänen stehen ausgewählte Kurzfilme, die die Vielfalt des Genres demonstrieren und Lust auf mehr machen sollen. Auch reguläre Kinos machen mit, laut Veranstalterangaben war der Zuspruch im Vorjahr groß, es kamen mehr als 25 000 Besucherinnen und Besucher. Geboren wurde der Kurzfilmtag 2011 in Frankreich, als „Le jour le plus court“. Bereits ein Jahr später kam er nach Deutschland.
Auch dieses Jahr sind wieder viele Kinos und Kultureinrichtungen mit von der Partie: Wer am kürzesten Tag in Bayern Kurzfilme sehen will, kann das unter anderem in Nürnberg, Regensburg, Ingolstadt, Hof oder Gauting machen. In München ist das Neue Maxim Kino bereits nachmittags mit einem Programm für kleine Kinofans ab fünf Jahren dabei; die Pasinger Fabrik will abends mit ihrem Kurzfilmprogramm „Banden bilden“ – so lautet auch das Motto der Veranstaltung. Es präsentieren Münchner Filmfestivals wie Cinema Iran, Underdox, die Türkischen Filmtage oder Lafita Kurzfilme.

Im Studio Isabella gibt es ein „Best of Deutscher Generationenpreis“, auf dem Spielplan stehen Kurzfilme über junge Künstlerinnen, alleinerziehende Väter oder Pfandflaschen sammelnde Rentnerinnen. Auch das Werkstattkino beteiligt sich am Kurzfilmtag, hier laufen Filme aus dem diesjährigen Festivalprogramm von „Bunter Hund“, unter anderem ein Found-Footage-Animationsfilm über einen verlorenen Hund oder ein Experimentalfilm über tanzende Roboter.
Im Sub, dem Kommunikations- und Kulturzentrum der LGBTIQ-Community Münchens, gibt es unter dem Motto „Queer geschaut“ Filme über Coming-outs, erste Schwärmereien von Teenage-Mädchen oder nächtliche Partys junger Männer. Beim „Queer Mixtape“ im City-Kino werden zur selben Zeit (ab 20 Uhr) ebenfalls queere Kurzfilme gezeigt. Das Team des Queer Film Festivals München (QFFM) ist für die Gestaltung des Abends zuständig und verspricht ein „abwechslungsreiches Programm mit preisgekrönten Filmen und versteckten Schätzen aus aller Welt“.
Der Kurzfilmtag 2024, Samstag, 21. Dezember, bayernweit, www.kurzfilmtag.com