Film in München:Tränen und Trubel beim Bayerischen Filmpreis

Bayerischer Filmpreis 2017

Stand bis kurz vor Beginn der Veranstaltung wegen des roten Teppichs im Stau: Diane Kruger.

(Foto: dpa)
  • Seit 1979 werden Filmschaffende von der Staatsregierung mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet.
  • Den Ehrenpreis erhält Regisseur Werner Herzog.
  • Beste Regie: Fatih Akin für "Aus dem Nichts"
  • Beste Darstellerin: Diane Kruger für "Aus dem Nichts"
  • Beste Darsteller: David Kross und Frederick Lau in "Simpel"
  • Beste Produktionen: "The Happy Prince" und "Grießnockerlaffäre"

Von Philipp Crone

Das ist natürlich blöd. Diane Kruger steckt im Stau. Und das Blödeste daran: Der Stau ist auch noch selbst verursacht. Die Fotografen langweilen sich langsam, schließlich sind alle anderen Gäste schon durchgelaufen. Und Kruger? Die Hauptdarstellerin von "Aus dem Nichts" sitzt vor der Verleihung der 39. Bayerischen Filmpreise am Freitagabend im Prinzregententheater fest, auf der Prinzregentenstraße.

Da ist Stau, weil eine Fahrbahn für die Gäste des Abends reserviert ist. Als Kruger dann doch angerollt kommt, macht sie das, was ein Hollywood-Darsteller eben so macht: Sie bleibt cool. Autogramme, Fotos. Wobei auch der zweite Hauptdarsteller des Abends, Ehrenpreisträger Werner Herzog, ihr in nichts nachsteht, wenn es darum geht, bei minus einem Grad auf dem roten Teppich eine gute Figur zu machen. Herzog schlendert zuvor mit Medienministerin Ilse Aigner über den Teppich im Trubel zwischen Fans und Fotografen.

Er erkundigt sich, ob es in Ordnung ist, wenn er noch Autogramme schreibt, was Aigner im dünnen Abendkleid mit einem Abwinken erlaubt. Wobei nebenan andere Damen noch viel verfrorener sind. Schauspielerin Lisa Maria Potthoff hat in ihrem großzügig ausgeschnittenen Kleid eine Gänsehaut, die sicher nicht von Herzogs Blicken herrührt. Einer, der völlig ohne von einem Fotografen behelligt zu werden ins Theater marschieren kann, ist David Kross.

Dort bekommt er dann gleich den Preis für den besten Darsteller in die Hand gedrückt, zusammen mit Frederick Lau für ihre Rollen in dem Film "Simpel". Der Filmpreisabend ist ein Abend im Rausch. Überall Überschwang und kürzeste Aufmerksamkeitsspannen.

Routinierte Preisträger

Die Verleihung springt von Preis zu Preis. Fatih Akin bekommt einen langen Applaus, als er den Preis für die beste Regie entgegennimmt. Er darf ganz routiniert auch seinem Hund danken und damit einen Abend, an dem das Wort Dank etwa zweitausend Mal in die Mikrofone gesprochen wird, auf den Arm nehmen. Auch die "Fack ju Göhte"-Darsteller Jella Haase und Max von der Groeben sind sehr routiniert, als sie den Publikumspreis entgegennehmen.

Zum Glück kommt dann Jonas Dassler an die Reihe, die Überraschung des Abends. Der 21-jährige Schauspieler erhält den Nachwuchspreis gleich für zwei Filme ("Lomo" und "Das schweigende Klassenzimmer") und ist schon vor Aufregung außer Atem, als er noch die Moderation zu seinem Preis vom Platz aus verfolgt. Als er dann auf der Bühne steht und seine frühere Lehrerin dazu tritt, bei der er in der achten Klasse in die Theater-AG eintrat, die ihn damit auch entdeckt hat und die er seit dreieinhalb Jahren nicht gesehen hat - da kommen ihm die Tränen.

Die Haare zu Berge, das Kinn zitternd, stammelt er sich so mitreißend durch seine Dankesrede, dass sogar Diane Kruger zum ersten Mal eine Regung zeigt und mit dem Saal mitlacht. Zum Finale ruft Dassler: "Ich will meinen Mitspielern danken, der Beruf funktioniert doch nur alleine! Ahh! Zusammen!" Da hat er längst die Sympathie-Führung unter den Preisträgern übernommen.

Gerührte Ehrengäste

Nur Herzog sitzt relativ ungerührt da. Er muss bei Dassler und seinen weit aufgerissenen geröteten Augen wahrscheinlich mit Schrecken an Klaus Kinski zurückdenken, mit dem er so viele Filme gedreht hat und der regelmäßig ähnlich durchgedreht ist. Herzog, Regisseur von "Nosferatu" oder "Fitzcarraldo" (mit Kinski), der mit Darstellern wie Nicolas Cage, Christian Bale, Nicole Kidman oder Tom Cruise gearbeitet hat, der Dokumentarfilme ebenso gedreht wie er Bücher und Opern geschrieben oder selbst vor der Kamera gestanden hat, ist dann ganz am Ende nach zwei Stunden Preisverleihung und akutem Sauerstoffmangel im Saal als sechzehnter und letzter Preisträger an der Reihe.

Davor wird noch Diane Kruger als beste Darstellerin in "Aus dem Nichts" ausgezeichnet. Sie reibt sich angespannt die Hände, als sie auf die tausend Gäste schaut, gar nicht Hollywood-cool auf einmal. Herzog hört sich dann erst einmal eine minutenlange Lobeshymne an. Er sei ein großer Träumer, der Träume in Filme gießt, wird da geschwärmt. Und auch wenn es nicht so wirkt bei diesem sehr gefassten Mann mit den meist fast geschlossenen Augen, nicht nur für die anderen Preisträger ist das ein traumhafter Abend, sondern auch für den 75-Jährigen.

So viel kann man ihm ansehen, als er etwas ratlos von der Bühne auf die stehenden Gäste schaut. Er dankt, und das mit einer Stimme, bei der man nie weiß, ob sie jetzt drohend klingt oder doch freundlich. Er dankt, vor allem aber erzählt er Anekdoten von seinen Erinnerungen aus Bayern. Und da ist klar: dieser bayerische Ehrenpreis bedeutet ihm viel.

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