Warum treffen sich alle bayerischen Filmleute am Freitagmittag bei der Berlinale in der Hauptstadt zum Weißwurstessen? Könnten sie das nicht das ganze Jahr über in München tun? „Doch, aber sie tun es, um ihre Wertschätzung auszudrücken“, sagt Gabriela Sperl, die Produzentin von Filmen wie „Bibi Blocksberg“, „Operation Zucker“ und „Herrhausen“. Denn ohne das Zutun des Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF), der traditionell zu diesem Empfang lädt, wären viele ihrer Filme kaum zustande gekommen. Die unterhaltsamen nicht, wie die investigativen. Die lustigen nicht, wie die traurigen. Dann würden weder Matthias Schweighöfer, noch Veronica Ferres hier stehen, weder Edgar Selge noch Iris Berben, Jutta Speidel oder Tim Fehlbaum, deren grandioser Film September 5 jetzt für den Original-Drehbuch-Oscar nominiert ist.

Dieser Tag in der Bayerischen Vertretung fühlt sich an wie ein Familientreffen, mehr noch als in anderen, aus heutiger Sicht der knappen Kassen „fetten“ Jahren. Nicht nur, weil es tatsächlich viele Verwandtschafts- und Liebesbande gibt in der Welt des Kinos: So hält Matthias Schweighöfer seine Liebste Ruby O. Fee im Arm, Veronica Ferres ist mit ihrer Tochter Lilly Krug gekommen, und Iris Berben begleitet ihr Sohn, der Produzent Oliver Berben.
Eine haltgebende Familie ist das Ganze hier auch, weil viele einen Gedanken teilen. Der gilt den Menschen daheim. Die mussten tags zuvor in ihrer Mitte einen schrecklichen Anschlag erleben, bei dem ein junger Afghane mit dem Auto in einen Demonstrationszug fuhr und 36 Teilnehmer teils schwerst verletzte. Zwei Menschen, eine Mutter und ihr Kind, sind gestorben, wird einen Tag später bekannt.

Dorothee Erpenstein, die Chefin des FFF, bringt das Mitgefühl mit den Opfern und deren Angehörigen in ihrer Rede zum Ausdruck. Heute - eine Woche vor der Bundestagswahl - sprechen in dem freundlich sanierten Gründerzeitkasten, der zeitweise die DDR-Handelsbank beheimatete, keine Politiker. Der zuständige Staatsminister Florian Herrmann (CSU) ist zur Sicherheitskonferenz in München geblieben.
Die Welt wie die Branche haben eben schon mehr Leichtigkeit erlebt. Jetzt rückt man dafür vielleicht näher zusammen. 700 Leute sind gekommen. Mehr lässt der Brandschutz nicht zu.
Erpenstein hat ihnen auch gute Nachrichten mitgebracht: „Wir erhöhen die maximale Fördersumme von zwei auf drei Millionen Euro im Bereich Produktion Kinofilm“, sagt sie. Das ist eine logische Konsequenz aus den allgemeinen Teuerungen, die auch das Filmemachen treffen. Trotzdem muss sich die Politik erstmal leisten wollen, sie auch zu ziehen.
In der Bayerischen Vertretung in Berlin steht immer noch eine Bronzebüste von Franz Josef Strauß. Der wäre womöglich ein bisschen erstaunt über die Worte, die Erpenstein für die Ankündigung einer weiteren Neuerung wählt. Der FFF richte „eine zusätzliche Fördermöglichkeit ein: für diskriminierungssensible Lektorate innerhalb der Stoffentwicklung zum Abbau von Unconscious Bias“, sagt sie.
Unconscious Bias kann man übersetzen mit „unbewusste Voreingenommenheit“ - und die führt zum unkritischen Wiederholen von immer gleichen Stereotypen und ungewollter Diskriminierung. Schließlich isst auch nicht jeder Bayer wirklich gern Weißwürste. Doch es ist egal, wie der FFF nennt, was er fördert. Klar ist seine Stoßrichtung, und die heißt: gesellschaftlicher Zusammenhalt.