Film:Der Glaube ans Kino

Uli Putz und Jakob Claussen haben "Die kleine Hexe" produziert. Mit ihrer Firma bewegen sie sich auf einem stark umkämpften Markt mit rückläufigen Zuschauerzahlen, der sich rasant verändert

Von Josef Grübl

Wenn man etwas oft genug wiederholt, dann glauben es die Leute irgendwann. Jakob Claussen weiß das, deshalb steht er Mitte Januar auf der Bühne des größten Saals im Mathäser Filmpalast und appelliert an die Zuschauer: "Kino kann mehr als Streaming." Das ist nichts Neues, denn Kinoerlebnisse sind einzigartig, das Dunkel des Saals, die Projektion, das Gemeinschaftserlebnis. Das weiß selbst die Amazon- und Netflix-Kundschaft. Man kann das trotzdem nicht oft genug sagen, auch das weiß Claussen.

Das Besondere seines Appells ist nicht der Inhalt, sondern seine Adressaten: Vor ihm sitzen 900 Kinobetreiber aus ganz Deutschland, einige von ihnen glauben selbst nicht mehr an ihre Einzigartigkeit. Die Geschäfte laufen nicht mehr so gut, die Zuschauerzahlen sind zurückgegangen, es gab im vergangenen Jahr zu viele Flops und wenig Hits. Die genauen Zahlen werden von der Filmförderungsanstalt erst in den kommenden Wochen veröffentlicht, die Branche ist besorgt. Jakob Claussen und seine Geschäftspartnerin Uli Putz teilen diese Sorgen, doch sie machen weiter: An diesem Donnerstag läuft ihre jüngste Produktion "Die kleine Hexe" in den Kinos an, eine Verfilmung des gleichnamigen Kinderbuchs von Otfried Preußler aus dem Jahr 1957.

Film: Uli Putz und Jakob Claussen lernten sich an der HFF beim Filmstudium kennen.

Uli Putz und Jakob Claussen lernten sich an der HFF beim Filmstudium kennen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sie haben lang daran gearbeitet und viel Geld hineingesteckt, in die Entwicklung und die detailverliebte Ausstattung, in die Hexentänze und den plappernden Hausraben der Hexe (Karoline Herfurth). Um den Film finanzieren zu können, holten sie sich einen Partner aus der Schweiz ins Boot, auch der Regisseur Michael Schaerer ist Schweizer. Der Aufwand soll sich auszahlen, die Produzenten hoffen auf volle Kinos am Startwochenende und eine möglichst lange Laufzeit. Und trotz Krisenstimmung in der Branche sieht es nicht schlecht aus, Mitte Januar wurde "Die kleine Hexe" beim Bayerischen Filmpreis für die beste Bildgestaltung ausgezeichnet. Vergangenen Sonntag kamen bundesweit knapp 50 000 Zuschauer zu einer Voraufführung, viele von ihnen mit Hexenbesen, Hüten oder Warzen im Gesicht.

"Die Konkurrenz ist riesig", sagt Claussen, "da muss man sich etwas einfallen lassen, um Aufmerksamkeit zu bekommen." Der 56-Jährige sitzt im Besprechungszimmer seiner Firma, hinter ihm stehen Bücher und Trophäen, vom Fenster aus sieht man hinüber zum Sendlinger Tor. Neben ihm sitzt die vier Jahre jüngere Uli Putz, gemeinsam leiten sie das Unternehmen. Beim Filmstudium an der HFF München lernten sie sich kennen, seitdem arbeiten sie zusammen, letztes Jahr stand das 25. Firmenjubiläum an. An den Wänden hängen Plakate ihrer Hits "Heidi", "Jenseits der Stille", "Crazy" oder "Maria, ihm schmeckt's nicht", bekannt sind sie aber vielen noch unter "Claussen + Wöbke Filmproduktion".

Die kleine Hexe; Die kleine Hexe

In ihre "Kleine Hexe" setzen Uli Putz und Jakob Claussen große Hoffnungen.

(Foto: Claussen+Putz Film / Walter Wehner)

Den Firmennamen gibt es seit Jahren nicht mehr, Thomas Wöbke stieg 2010 aus der Geschäftsführung aus und produziert heute mit eigener Firma, er ist aber noch Anteilseigner. Am Klingelschild steht jetzt "Claussen + Putz", auch die Filme haben sich verändert. In den ersten Jahren stellten sie oft Coming-of-Age-Filme her und förderten Regisseure wie Hans-Christian Schmid, Caroline Link oder Marco Kreuzpaintner. Heute produzieren sie auch Fernsehfilme, aus den Reihen "Tatort" oder "Polizeiruf 110" etwa, da ist das Risiko überschaubarer. In der Kinosparte verlagerten sie sich mehr auf den Kinder- und Jugendfilm.

"Was wir früher fürs Kino produziert haben, würde heute zum Teil nicht mehr funktionieren", sagt Claussen, jugendliche und studentische Zielgruppen seien heute nur noch schwer zu erreichen. "Es wird wirtschaftlich enger. Wir überlegen noch viel genauer als vor 15 Jahren, ob wir etwas machen", fügt Uli Putz hinzu. So entstanden in den letzten Jahren die auf Kinder-Bestsellern basierenden "Vampirschwestern"-Filme oder "Das kleine Gespenst", ebenfalls nach einem Buch von Otfried Preußler. Doch der Kinderfilmmarkt ist hart umkämpft, in den letzten Jahren haben sich immer mehr deutsche Produzenten darauf verlagert, verfilmt werden fast ausschließlich bekannte Marken oder Bücher wie "Bibi & Tina", "Wendy" oder "Fünf Freunde". Der Münchner Kinderfilmregisseur Joachim Masannek, der mit der "Wilde Kerle"-Reihe Riesenerfolge feierte und dessen "V8"-Filmen brutal floppten, sagte vor zwei Jahren im Interview: "Es ist nicht so einfach, Kindermarken zu etablieren. Kinder sind unwahrscheinlich markenloyal."

Claussen und Putz können das bestätigen, auch sie verfilmen im Kinderbereich keine Originalstoffe mehr. "Wir müssen darauf schauen, dass die Öffentlichkeit etwas von den Filmen erfährt", sagt Uli Putz, "wenn man eine Marke hat, ist es etwas einfacher. Ansonsten müsste man einfach noch viel mehr Geld fürs Marketing ausgeben." Kinofilme konkurrieren schon lange nicht mehr nur untereinander, viel mehr Sorge bereitet den Produzenten die Konkurrenz aus dem Internet. Jakob Claussen spricht von "der horizontalen Generation", jenen Zuschauern also, die Filme nur noch liegend, mit dem Rechner auf dem Bauch, konsumieren. Die Nutzung von Streaming-Plattformen steigt kontinuierlich, das spüren nicht nur die Fernsehsender, sondern auch die Kinos. Die Zuschauerzahlen gehen seit Jahren zurück, selbst sicher geglaubte Hits wie die US-Weihnachtsfilme "Coco" oder "Ferdinand" liefen weit unter Erwartung. Doch was kann man dagegen machen? Wie bringt man die horizontale Generation wieder in die Vertikale?

Die Filme müssen noch besser werden, da sind sich Claussen und Putz einig, man müsse groß denken, anders habe man keine Chance. Die Branche wird sich weiter verändern, so viel ist sicher. Als er mit dem Produzieren angefangen habe, erzählt Claussen, hätten ihn ältere Kollegen gewarnt, die guten Zeiten waren angeblich damals schon vorbei. Und so sagt er dann auch zum Abschied: "Es ist nicht schwieriger als früher, es ist anders."

Die kleine Hexe; läuft in mehreren Kinos

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