Süddeutsche Zeitung

Filialen in München:Die Geldsorgen der Banken

Lesezeit: 4 min

Von Inga Rahmsdorf und Katja Riedel

Es ist gerade einmal ein halbes Jahr her, da lud die Deutsche Bank ein, eine ihrer modernsten und umsatzstärksten Filialen zu besichtigen, am Münchner Marienplatz. Dort solle sich jeder Kunde so richtig wohlfühlen, wenn er einen Kredit abschließt oder sein Geld anlegt, hieß es da noch. Zum Beispiel im edlen, mit dunklem Holz ausgekleideten "Senatorenzimmer". Oder zwischen moderner Kunst, in Ikea-Ambiente, Typus: Student mit Ansprüchen. Jedem Kunden seine Wohlfühlumgebung, so sei es Strategie, betonten die Filialleiter damals.

Mit Wohlfühlatmosphäre ist es nun erst einmal vorbei. Die Deutsche Bank schlägt in ihrer überaus wechselvollen Geschichte des Umgangs mit dem Privatkunden mal wieder ein neues Kapitel auf. 200 ihrer gut 700 bundesweiten Filialen werden dichtgemacht, wie viele der knapp 30 Münchner Niederlassungen geschlossen werden, wird sich erst in den kommenden Monaten herausstellen. Und wie es mit der Tochter Postbank weitergeht, welche die Deutsche Bank an die Börse bringen wird, ist ebenso unklar.

Sicher ist: Die Bankenszene steht auch in München vor den gleichen Umbrüchen, denen sich der Handel seit einigen Jahren stellen muss. Es geht um eine Grundsatzfrage: Was bedeutet die Digitalisierung für die festen Standorte, für die Filialen? Wie weit haben sich die Kunden bereits für immer ins Internet verabschiedet, und wie viel persönlichen Service müssen Banken wie Handel noch bieten? Die Antwort heißt in beiden Fällen "Multichannel", Vertrieb über die Ladentheke und die Datenautobahn. Wie viele Bankfilialen dabei am Ende noch bleiben, und wie die künftig aussehen sollen, darauf finden die Banken derzeit sehr unterschiedliche Antworten.

"Wir ziehen um" klingt besser als "wir schließen"

Am radikalsten setzt die Hypo-Vereinsbank auf die digitale Zukunft. "Wir ziehen um!", steht zum Beispiel auf einem Plakat, das an der Filiale der Hypo-Vereinsbank in der Kazmairstraße im Westend hängt. Allerdings: an der dort aufgeführten künftigen Adresse in der Bergmannstraße gibt es bereits eine Filiale. Aber Umzug klingt nun einmal besser als zu sagen: "Wir schließen fast die Hälfte unserer Filialen, betroffen ist auch diese Niederlassung." Die Hypo-Vereinsbank dünnt ihr Netz derzeit kräftig aus, Anfang 2014 hatte sie in München noch 98 Filialen, Ende dieses Jahres werden es nur noch 61 Niederlassungen sein.

Selbst am Münchner Flughafen wird es demnächst keinen Geldautomaten der einst stolzen bayerischen Bank mehr geben, deren Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. 2005 wurde die HVB Teil der Unicredit-Gruppe. Jetzt folgt die Unicredit in Deutschland einem bundesweiten Trend. Hierzulande haben Kreditinstitute in den vergangenen 20 Jahren insgesamt etwa die Hälfte ihrer Niederlassungen geschlossen.

Zwei große regionale Banken, die Stadtsparkasse und die Münchner Bank, haben eine andere Antwort gefunden: Sie wollen die Nähe und den Kontakt zum Kunden wieder stärken. Statt Filialen zu schließen, sollen gerade die einzelnen Niederlassungen wieder mehr Bedeutung erhalten. Dabei ist es noch nicht lange her, da hat auch die Münchner Stadtsparkasse ihr Filialnetz ausgedünnt, zuletzt im Herbst 2013, als sie neun der damals noch 89 Filialen schloss.

Damit ist erst einmal Schluss. Auf Plakaten wirbt die Sparkasse derzeit damit, dass andere Banken verschwinden, die Sparkasse aber bleibe. Und Ralf Fleischer, Chef der Münchner Stadtsparkasse, versichert, dass keine der stadtweit 80 Filialen geschlossen werde. Stattdessen sollen Beratungszentren, die vor einigen Jahren ausgelagert wurden, nun wieder in die Filialen integriert werden, um dort die Kompetenzen und Zuständigkeiten der Mitarbeiter zu stärken. Und das alles ohne Personal abzubauen, wie der Sparkassen-Chef ankündigt. Denn es gehe ja gerade darum, Kunden künftig besser betreuen zu können.

Gedanken über die Zukunft ihrer 37 Filialen im Stadtgebiet macht sich auch die Münchner Bank. Doch bislang sind der Genossenschaftsbank ihre Filialen heilig. So heilig, wie sie dem Kunden bleiben, sagt Sandra Binder, die neu im Vorstand und dort verantwortlich für die Zukunftsstrategie ist. Das Institut hat sogar Personal aus der Zentrale in die Filialen versetzt - jedoch angekündigt, dass mittelfristig Arbeitsplätze wegfallen werden.

Beide Regionalbanken setzen darauf, dass immer mehr Münchner das Online-Angebot nutzen, bei der Stadtsparkasse sind es mehr als 50 Prozent der Kunden. Gleichzeitig gibt es bestimmte Anliegen, besonders bei Fragen zu Wertpapieren, Versicherungen und Immobilien, bei denen der Kunde auch künftig einem Berater gegenübersitzen möchte. Das kann dann auch online und per Video-Konferenz sein. Die Münchner Bank eröffnet deshalb noch in diesem Jahr eine "Online-Filiale". Die Stadtsparkasse will verstärkt Video-Beratung durch Spezialisten anbieten.

Wie alle Banken stehen auch die Münchner Kreditinstitute nicht nur wegen der Konkurrenz aus dem Internet, vor allem der Direktbanken, unter Druck. Hinzu kommt die anhaltende Niedrigzinsphase; sie verdienen kaum noch etwas mit den Guthaben, die auf Konten und Sparbüchern liegen. Der Privatkunde hat an Bedeutung verloren, gleichzeitig verursacht ein dichtes Filialnetz hohe Kosten. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben zwar in der Bevölkerung einen guten Ruf als sichere Institute, die weniger auf riskante Finanzgeschäfte setzen. Doch sie leiden besonders unter der Krise im Privatkundengeschäft, weil sie viel stärker als Großbanken darauf setzen. Dennoch geht es Genossenschaftsbanken und Sparkassen in München noch weit besser als in vielen strukturschwachen Regionen.

Münchens Sparkassenchef Fleischer ist denn auch mit der Bilanzsumme des vergangenen Jahres zufrieden, das Kreditinstitut konnte seinen Rang als fünftgrößte Sparkasse Deutschlands halten. Die Stadt München als Eigentümer kann auch in diesem Jahr wieder mit einer Ausschüttung von etwa fünf Millionen Euro rechnen, entschieden wird das erst im Mai.

Für die kommenden Jahre wird die Situation allerdings wohl auch für die Stadtsparkasse und die Münchner Bank schwieriger werden. Die Zinserträge dürften deutlich zurückgehen, die Kreditinstitute müssen sich auf sinkende Erträge einstellen. Inwieweit es gelingen wird, den Herausforderungen am Finanzmarkt zu trotzen und gleichzeitig alle Filialen wieder zu stärken, wird sich zeigen müssen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2455385
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.04.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.