Feuerwehrmann:Kummerkasten

Günter Dorfer, 57, nimmt in der Leitstelle der Münchner Berufsfeuerwehr die Notrufe an

"Besonders schlimm ist es bei Vollmond", sagt Günter Dorfer, der bei der 112 ans Telefon geht.

(Foto: Florian Peljak)

Bei Günter Dorfer gehen nicht nur Notrufe ein

Von Julian Hans

Es ist schon vorgekommen, dass Günter Dorfer per Telefon Leben gerettet hat. So wie damals, als ein Mann einen Herzanfall hatte. Bis der Rettungswagen eintraf, gab Dorfer den Angehörigen am Telefon Anweisungen für die Reanimation: Auf den Rücken drehen! Oberkörper frei machen! "Dann habe ich den Takt für die Herzdruckmassage vorgegeben", erinnert sich der 57-Jährige. Seit 36 Jahren ist er bei der Berufsfeuerwehr. Lange war er Chef der Einsatzzentrale, Nachtdienste macht er immer noch. Die echten Notfälle seien mehr oder weniger gleichmäßig über 24 Stunden verteilt, sagt er. Aber nachts werden die Verwirrten aktiv. Wenn sie nur wissen wollen, wie spät es ist, oder welcher Wochentag ist, das sind die harmlosen Fälle. Bei vielen Senioren haben die Angehörigen den Telefonanschluss sperren lassen, damit sie nicht versehentlich in Indonesien anrufen und vergessen, aufzulegen. Nur der Notruf geht noch, und da landen sie dann alle. Sie benutzen die 112 einfach als Kummerkastennummer.

"Wenn ich Zeit habe, rede ich zehn Minuten mit denen. Vielen geht es schon besser, wenn ihnen nur jemand zuhört", sagt Dorfer. Wenn Betrunkene nicht mehr heimfinden, kann er manchmal auch helfen. Oder wenn jemand wissen will, welche Apotheke Notdienst hat. Aber diese Anrufe sind etwas seltener geworden, seit es das Internet und Smartphones gibt. Trotzdem liegen in der Einsatzzentrale der Münchner Feuerwehr die Notdienstnummern für Apotheken und Handwerker bereit - und natürlich die von der Telefonseelsorge.

Ein Anrufer hatte mal Ärger mit seiner Freundin. In seiner Verzweiflung ist er auf einen Baukran geklettert. In solchen Fällen schickt Dorfer einen Einsatzwagen los und versucht gleichzeitig, den Anrufer am Telefon zu halten, bis die Kollegen da sind. "Ich sag' dann: Ich komm' jetzt gleich bei Ihnen vorbei, dann ratschen wir mal miteinander". Mit der Zeit hat er ein ganz gutes Gespür dafür bekommen, wie man mit den Leuten reden muss. Auf manche Fragen weiß allerdings auch er keine Antwort. Zum Beispiel als das Pärchen anrief, das wissen wollte, wann die beste Zeit sei, um Kinder zu zeugen? Sie hatten irgendwas von einer Temperatur-Methode gehört, da müsste die Feuerwehr sich doch auskennen.

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