Bei der Verhandlung über die Vergewaltigung einer schlafenden – und damit willenlosen – Frau hat das Amtsgericht München bemerkenswerte Milde walten lassen: Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Renate Partin verurteilte einen 28-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten und setzte diese zur Bewährung aus. Die Tat sei für das Opfer sehr einschneidend gewesen, stellte die Richterin fest, „sie wird für den Rest ihres Lebens nicht mehr so sein, wie sie war“. Den Täter wolle man aber nicht so hart bestrafen, denn bei einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr würde der Feuerwehrmann seinen Beamtenstatus verlieren. „Das wäre eine sehr große Härte“, meinte die Richterin.
Zwei männliche Schöffen sitzen an der Seite der Richterin und tragen das Urteil mit. Auch ohne das Geständnis des Angeklagten sei man „davon überzeugt“, dass sich die Tat so zugetragen habe, wie es die Geschädigte in ihrer Videovernehmung geschildert hatte. In der Begründung schwang aber in erster Linie Verständnis für den Täter mit: Er sei ja mit 25 Jahren noch sehr jung gewesen damals, dass er nach der Trennung von seiner Frau eine gute Freundin vergewaltigt habe, sei eine „unreife Reaktion“ gewesen, man müsse das strafmildernd werten. Der Angeklagte solle unter anderem fünf Beratungsstunden absolvieren.
Eineinhalb Jahre musste sich Jennifer L. (alle Namen geändert) nach dem Geschehen in Therapie begeben, was ihr aus terminlichen Gründen Schwierigkeiten in der Arbeit einbrachte. Sie litt unter Schlafstörungen, einer posttraumatischen Belastungsstörung, ekelte sich vor Männerparfüms und wich Umarmungen von Bekannten oder Freunden aus. Und Thomas B. war ein Freund, zumindest bis zum damaligen Zeitpunkt.
Man kannte sich seit mehr als zwei Jahren, hatte denselben Freundeskreis. Thomas B. ist hauptberuflicher Feuerwehrmann im Münchner Umland, zugleich in der Führungsebene einer Freiwilligen Feuerwehr in der Gemeinde, in der Jennifer L. wohnte. Bei eben dieser Feuerwehr trank Thomas B. in einer Besprechung Anfang Februar 2022 „so fünf Bier“, anschließend ging es zu einer privaten Geburtstagsfeier. Dort nahm er „vier bis fünf doppelte Ramazzotti“, dann noch Cuba Libre. An den Pappbecher mit dem Rum erinnere er sich zuletzt – dann an nichts mehr.
Dafür weiß Jennifer L. alles noch ganz genau. In ihrer Videovernehmung erzählt sie, dass sie am Abend sehr viel mit Thomas B. über seine Trennung gesprochen habe. Die Party löste sich auf, „es war üblich, dass bei mir noch ein Absacker getrunken wird“, sagt sie, und da sie das Gefühl hatte, dass es Thomas B. schlecht ging, nahm sie ihn mit.
Zu Hause klagte B. weiter sein Leid und versuchte dann, die damals 29-Jährige zu küssen. Sie habe klar gesagt, „das verstehst du jetzt falsch“, er habe sich entschuldigt und sei weggerückt. Sie habe sich dann wieder einen Kopf gemacht: „Ich hatte ihn gerade aufgebaut und dachte: Jetzt ist er wieder traurig.“ Irgendwann sei sie auf der Couch eingeschlafen.
Als sie erwachte, war ihre Hose nach unten gezogen und sie spürte eine bewegende Berührung im Intimbereich. Sie sprang auf, lief ins Bad, kehrte zurück und warf B. aus der Wohnung. „Er lag auf der Couch und hatte unten rum nichts an.“
Der Angeklagte behauptet, dass er sich nicht erinnern kann
An den Rauswurf, so behauptet Thomas B., könne er sich schon wieder erinnern. Die Erinnerungslücken, so sagt die Rechtsmedizinerin Anna Holzer, seien durch seinen Alkoholkonsum erklärbar. Auf der anderen Seite sei B. bei der Tat „zielgerichtet und sinnhaft“ vorgegangen.
Thomas B. gesteht die Tat, auch wenn er sich nicht erinnert. „Ich weiß, dass sie mich nicht zu Unrecht belasten würde.“ Er entschuldigt sich und bietet 6000 Euro als Entschädigung an, die Rechtsanwalt Matthias Bohn im Namen seiner Mandantin annimmt. Staatsanwalt Maximilian Seidl hatte eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung gefordert. Die Frau habe sich empathisch verhalten, er habe ihr Vertrauen ausgenutzt. Ob Seidl in Berufung geht, ließ er offen.