Fettes Brot in München:"Rap ist nicht zum Lachen"

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"Wenn ich eine Party schmeiße, kannste kommen. Die ander'n Gäste gibt es gar nicht, strenggenommen": Fettes Brot. (Foto: N/A)

Krawallig und tanzbar, aber letztlich nur Krach-Pop: Fettes Brot spielen bei ihrem Auftritt in München viele Songs von ihrem neuem Album "3 Is Ne Party", zu viele. Doch sie stehen auch zu ihrem Frühwerk und liefern eine mitreißende Show. Trotzdem wäre man zum Konzert besser eine halbe Stunde zu spät gekommen.

Von Matthias Huber

Es gibt Konzerte, zu denen sollte man zu spät kommen. Wer pünktlich ist, muss möglicherweise Folgendes ertragen: Ein Großteil der Bühne ist mit schwarzem Tuch abgehängt, davor steht ein DJ-Pult, umgeben von zwei neonfarbenen Lavalampen. Der Typ, der in diesem Szenario vor sich hinrappt, trägt blaue Bermuda-Shorts und ein rosa Shirt über der mühsam verborgenen Plauze. Er spielt Songs, die "Whatsapper", "#Geilon" oder "Roflcopter" heißen. Und die schon im Titel andeuten, warum man besser eine halbe Stunde später gekommen wäre.

Dann nämlich hätte man MC Fitti verpasst - eine Art Möchtegern-J.B.O. ("Wir sind die Champignons") des deutschen HipHop. Für Fettes Brot dagegen wäre man gerade rechtzeitig im Münchner Zenith eingetroffen.

Texte zwischen musikalischer Fassade und ironischer Erzählung

Bei den Konzerten einer der mittlerweile dienstältesten deutschen Hip-Hop-Bands geht es hauptsächlich um Ironie. Das wird bei Fettes Brot in der Regel schon mit dem ersten Song klar: "Wackelige Angelegenheit", heißt er dieses Mal. Ein Lied über Menschen, die sich mit, nun ja, ihren eigenen kleinen Unzulänglichkeiten oder Pechsträhnen arrangieren müssen. Ehe das dann nahtlos in "Kannste kommen" übergeht, die Geschichte einer nicht existenten Party, die als Vorwand für eine Verabredung herhalten muss: "Wenn ich eine Party schmeiße, kannste kommen. Die ander'n Gäste gibt es gar nicht, strenggenommen."

Texte irgendwo zwischen musikalischer Fassade und ironischer Erzählung. Wie damals, 1998, als die Konzerte noch mit den Worten "Hey Fans! Autogramme gibt's später!" und dem Lied "Können diese Augen lügen?" begannen. Oder 2005, als die Hamburger auf einer stockfinsteren Bühne starteten und in die Dunkelheit die ersten Zeilen von "Wie immer" brüllten, ehe die Scheinwerfer angingen: "Was, du willst heute nicht kommen? Erzähl' davon später bloß nichts deinen Kindern!"

Beide Songs haben es nicht mehr ins aktuelle Repertoire geschafft. Wohl auch, weil bei einem Portfolio von mittlerweile deutlich mehr als hundert Titeln jede neue Tour immer mehr zum Promo-Vehikel für das aktuelle Album wird - und überwiegend die Lieder von diesem auszustellen hat.

So ist es schade, dass die eigentlich großartig ausgewogene Dramaturgie ausgerechnet hier ins Stocken gerät. Etwas arg banale Party-Songs wie "Toten Manns Disco", "Josephine #Schreibaby" oder "Dynamit & Farben" sorgen für seltene Durchhänger. Sie sind zu sehr austauschbarer Krach-Pop, zwar krawallig und tanzbar, aber das Konzert verträgt nicht mehrere von ihnen in Folge. Doch offenbar wollten die Brote jedes Stück des aktuellen Albums "3 Is Ne Party" irgendwie in der Show unterbringen.

Wahrscheinlich ist MC Fitti sogar das Beste, was den Hamburgern passieren kann. Immerhin beweist er, dass sie mit ihrem selbstironischen Kunstkonzept alles richtig machen. Das fängt schon beim dichten Vollbart und der riesigen Sonnenbrille an, die Fittis Gesicht verstecken und so für unwillkürliche Anonymität sorgen. Er reißt Witze ohne Pointen, rappt Lieder ohne Musik und geht sofort auf ironische Distanz zu dem, was er da eigentlich produziert. Als wollte er seinem Publikum gleich vorsorglich selbst dazu raten, sich den Quatsch lieber gar nicht erst anzuhören.

Fettes Brot spielen meisterhaft mit dem gesunden Abstand, den sie schon immer zum eigenen Werk hatten. Die alten Songs sind Teil der Band-Identität, aller Albernheit zum Trotz. Denn auch wenn kaum etwas so richtig ernst gemeint ist, gibt es keine Ironie ohne Selbstreflektion. Die Band bekennt sich zu all dem, was sie einst gemacht hat - von der quatschigen Jugendsünde "Definition von Fett" aus den Anfangstagen bis zum aktuellen und karnevalesquen "Klaus & Klaus & Klaus", das passenderweise mit aufgesetzten Clownsnasen gesungen wird. Und dann steht auf einem T-Shirt im Video von "KussKussKuss": "Rap ist nicht zum Lachen".

Medley durch 20 Jahre Hip-Hop-Geschichte

Und die Brote wissen nach mehr als 20 Jahren einfach, wann und wie welcher Song gebraucht wird. Das altmodisch-alberne "Da Draussen" rettet genau dann die Show, wenn man ein weiteres neues Stück einfach nicht mehr ausgehalten hätte. Und der ohnehin bereits dutzendfach mit neuem Instrumental versehene Klassiker "Rock Mic's" funktioniert auch auf dem Beat von Macklemores "Thrift Shop" ganz hervorragend.

Gegen Ende dann, noch vor der Zugabe, folgt die Einordnung des eigenen Wirkens: ein sorgfältig einstudiertes und durchgetanztes Medley quer durch mehr als 20 Jahre deutsche Hip-Hop-Geschichte, von Advanced Chemistry über die Fanta 4, die Absoluten Beginner und Blumentopf hin zu Sido und Haftbefehl, auf den Fettes Brot mit dem eigenen Klassiker "Nordisch by Nature" den ersten Rausschmeißer ansetzt. Nur um zwanzig Minuten später das Konzert endgültig mit der wirklich letztmöglichen ironischen Selbstverortung "Schwule Mädchen" zu beschließen.

So muss sie klingen, diese Art selbstbewusste und ihrer absurden Ernsthaftigkeit vertrauende Ironie, für die Fettes Brot steht. Trotz aller über die Jahre erfolgten und bisweilen radikalen Stilwechsel fühlt sich deshalb die Show immer noch nach der gleichen Band an, die vor mittlerweile 22 Jahren gegründet wurde. Ein Fettes-Brot-Konzert, im bestmöglichen Sinn "Wie immer": "Von dem, was heute passiert ist, redet man noch in ein paar hundert Jahren. Menschen haben sich verliebt und Kinder gemacht, und sie gaben ihnen dann unsere Namen." Selbst ohne diesen doch schmerzlich vermissten Song, der vielleicht ein noch besserer Rausschmeißer gewesen wäre.

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