Festzelt-Auftritt:Der Rest vom Fest

Sie hatten den ersten gemeinsamen Wahlkampf-Auftritt von Angela Merkel und Horst Seehofer so schön vorbereitet im Truderinger Festzelt. Doch dann kam der Terror in Manchester dazwischen. Was übrig bleibt, sind Riesenbrezen, enttäuschte Besucher - und die Hoffnung auf Sonntag

Von Nico Fried, Frank Müller und Wolfgang Wittl

Als der Nachmittag ins Land geht, ist das meiste schon wieder abgeräumt: Die große CSU-Dekoration hinter der Bühne - weg. Sie hätte so schöne Bilder für die Kamerateams geliefert. Doch deren Podest in der Mitte des Truderinger Festzelts ist auch schon weg. Auf einem Biertisch am Seitenausgang liegt noch eine selbst für Münchner Bierzelt-Verhältnisse riesengroße Riesenbreze, die die örtliche Bäckerei Brücklmaier gebacken hatte. Bei einem normalen Verlauf des Abends hätte sie am Ende möglicherweise die Kanzlerin in der Hand gehalten.

Doch Angela Merkel kommt nicht. In der Brezn-Mitte sind die Buchstaben C, S und U aufs Kunstvollste ineinander verschlungen. Es gab auch ein Pendant mit C, D und U, doch von dem ist zu diesem Zeitpunkt gegen 16 Uhr nur noch der rechte, noch recht knusprige Seitenarm übrig. Wenig später geht auch die CSU-Breze ihren letzten Weg. Sie wird den Festzelt-Bedienungen übergeben, und die essen sie in kürzester Zeit auf. Das war's dann wirklich mit dem Bierzelt-Gipfel der Union.

Es hätte der erste gemeinsame öffentliche Wahlkampfaufschlag von CDU-Chefin Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer werden sollen am Dienstagabend in Trudering: ein wichtiger Akt in deren Versöhnungsschauspiel. Nach zwei missglückten Treffen in München sollte die Bevölkerung sehen, dass in der Union wieder Einigkeit herrscht. Auf dem CSU-Parteitag 2015 hatte Seehofer die Kanzlerin ja auf offener Bühne für ihre Flüchtlingspolitik abgekanzelt, beim sogenannten Friedensgipfel Anfang Februar in der CSU-Zentrale blickte wiederum Merkel drein, als würde sie am liebsten sofort nach Hause fahren. Trudering sollte diese Bilder vergessen machen.

Festzelt Trudering, Veranstaltung mit Angela Merkel und Horst Seehofer abgesagt

Nie war es so leicht, im Truderinger Festzelt einen Platz zu bekommen, wie am Dienstagnachmittag.

(Foto: Florian Peljak)

Doch der Terroranschlag von Manchester verhindert diesen Plan vorerst. Im Kanzleramt in Berlin hat man schon am Morgen erwogen, den Auftritt in Trudering abzusagen. Einerseits geht es um Fragen der Pietät gegenüber den Opfern, andererseits darum, sich von Terroristen nichts vorschreiben zu lassen. Doch die endgültige Entscheidung muss Merkel selbst fällen - und die hat zunächst keine Zeit für einen ruhigen Gedanken oder auch klärende Gespräche. Am Vormittag ist die Kanzlerin zunächst Gast beim Petersberger Klimadialog, wo sie um 11 Uhr auch selbst eine Rede hält. Nach der Rückkehr stehen weitere Termine im Kanzleramt auf dem Programm. Sie telefoniert mit Seehofer während der Kabinettssitzung in München und berät sich um kurz nach 13 Uhr mit ihren Mitarbeitern. Einige Minuten später fällt die Entscheidung.

Zu diesem Zeitpunkt radelt Pablo Lübeck gerade von Obersendling nach Trudering. Er will unbedingt Merkel sehen und hat sich schon mittags aufgemacht. Um 15 Uhr kommt er an der Wasserburger Landstraße an, extra früh, damit er auch ja einen Platz im Zelt bekommt, so dachte er sich das. Doch wenn etwas an diesem Tag kein Problem ist, dann einen Platz im Truderinger Festzelt zu ergattern. Es ist quasi menschenleer, ein paar versprengte Volksfestbesucher machen Brotzeit, Sicherheitspersonal streift ziellos umher, die Bedienungen haben ruhige Stunden. Lübeck ist richtig sauer wegen der Absage. "Ich kann's nicht glauben." Beim Berliner Terroranschlag sei Merkel schnell zur Tagesordnung übergegangen, nun beuge sie sich der Logik des Terrors.

In der Mitte des Zeltes sitzen Markus Blume, der örtliche CSU-Landtagsabgeordnete, und der Festwirt Lorenz Stiftl. Sie denken komplett anders. Zu der Absage habe es keine Alternative gegeben. "Man kann nach einem solchen Anschlag nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagt Blume, der auch Vize-Generalsekretär der CSU ist. Blume zeigt, was er an Mails und Kurznachrichten auf die Veranstaltungsabsage bekam: nur Zustimmung. Bei Stiftl wiederum ist es schon so, dass er als rechnender Wirt zwar genau weiß, wie viel ihn das eigens und nun nutzlos angeheuerte Sicherheitspersonal für diesen Tag kostet.

Festzelt-Auftritt: Diese Breze war einmal eine Riesenbreze, in der Mitte kunstvoll verschlungen die Buchstaben C, D und U. Sie sollte Angela Merkel überreicht werden.

Diese Breze war einmal eine Riesenbreze, in der Mitte kunstvoll verschlungen die Buchstaben C, D und U. Sie sollte Angela Merkel überreicht werden.

(Foto: Frank Müller)

Aber jetzt groß zu feiern im Bierzelt, das geht nicht, findet auch er. Dann sagt er einen guten Satz: "Europa rückt zusammen." Wenn in Manchester junge Leute sterben, merkt man das auf einem Volksfest im Münchner Osten sehr direkt. Er hat Erfahrung mit so etwas. Beim Amoklauf im vergangenen Jahr war er der Gastronomiechef einer dann abgesagten großen Bierparty zum Jubiläum des Reinheitsgebots. Auch das hat Geld gekostet.

Immerhin: Abends kommen fast 500 Gäste, sie halten eine Schweigeminute ab.

Stiftl hat sein Zelt extra umbauen lassen, die CSU wollte unbedingt mehr Plätze für Seehofer und Merkel. Die Vorderfront ist geöffnet Richtung Volksfestplatz, das sieht luftig aus und weniger hermetisch. Für Stiftl und die CSU wird sich all das nun wohl am Sonntag auszahlen. Wahrscheinlich wird der Auftritt von Seehofer und Merkel bei einem Frühschoppen nachgeholt.

Vielleicht gibt es dann neue Unions-Brezen. Und Seehofer wird sich wieder Gedanken machen, welche Bilder es von ihm und Merkel geben soll. In Anspielung auf die beiden missratenen Begegnungen zuvor hat der CSU-Chef mehrmals betont, er werde diesmal genau darauf achten, dass er mit der Kanzlerin nicht gemeinsam auf der Bühne zu sehen sei. Seine Begründung: Es sei nahezu unmöglich, unglückliche Fotos zu vermeiden - selbst wenn man sich wieder verstehe. Trotz aller Harmonie will er sich die Option offen halten, auf die Kanzlerin reagieren zu können. Denn man weiß ja nie, wenn die beiden aufeinander treffen. Und auch wenn die Kanzlerin zu Gast ist: Das letzte Wort in Bayern will immer noch der Ministerpräsident haben.

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