Festival:Unerwartete Begegnungen

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In Afghanistan waren sie so etwas wie Feinde, jetzt sind sie in "Out of Area" gemeinsam auf der Bühne: Der afghanische Künstler Pouya Raufyan (links) und Manuel Nawrot, der einst als jüngster deutscher Bundeswehrsoldat in einen Kampfeinsatz zog. (Foto: Judith Buss)

Das Rodeo zeigt Neues und Bewährtes aus der freien Theater- und Tanzszene und zieht dafür auch an den Rand der Stadt

Von Christiane Lutz

Rodeo ist das Festival mit dem wohl schönsten Namen. Rodeo klingt nach Unterhaltung und einem buchstäblich schnellen Ritt. Natürlich war dieses Jahr nix mit schnellem Ritt, obwohl die neuen Leiter Simone Egger, Karnik Gregorian, Bülent Kullukcu so viel vorhatten. Statt nur ein paar Tage sollte das Festival der freien Theater- und Tanzszene sich über mehrere Monate erstrecken, abseits der üblichen Orte stattfinden, draußen in den Stadtteilen. Nun gab es wegen Corona im August einen Rodeo-Schnipsel, jetzt folgt der Hauptteil, zwischen 17. Oktober und 1. November.

Was, an die Umstände angepasst, bleibt, ist der Programm-Mix aus Neuem und Altem, aus Theater und Tanz, aus Gespräch und Vorstellung. Caitlin van der Maas' Musiktheaterstück "Der stille Dirigent" etwa wird noch einmal gezeigt (20. und 21. Oktober, 20 Uhr, Utopia). Sie erzählt die Geschichte der Philharmonia Hungarica, einem Orchester aus Geflüchteten des Ungarnaufstandes, das 1957 in München ein Konzert von Béla Bartók aufführt. Fehlt nur der Dirigent. Es geht um Aufmerksamkeitssteuerung der Medien und um die Frage, ob der ungarische Volksaufstand vielleicht anders ausgegangen wäre, wäre die Welt nicht mit der medial präsenteren Suezkrise beschäftigt gewesen.

Dann ist das dokumentarische "Out of Area" ein letztes Mal zu sehen (18. Oktober, 19 Uhr und 20.30 Uhr, Pepper Theater Neuperlach), eine bewegende Begegnung zwischen einem Afghanen und einem Mann, der als Soldat in Afghanistan stationiert war. Beide sind sich dort nie begegnet, stellen aber Jahre später fest, dass sie mehr eint, als sie ahnen konnten.

Neu dabei ist "Recht(s) - Über das Verbrechen an Marwa El-Sherbini" (24. und 25. Oktober, 20 Uhr, Kammerspiele) von Ayşe Güvendiren. 2009 wird Marwa El-Sherbini im Landgericht Dresden von einem islamophoben Gewalttäter niedergestochen. Ein Polizist schießt nicht auf den Täter, sondern auf ihren Ehemann. Das Stück begibt sich auf die Suche nach Verantwortung und Schuld, nach blinden Flecken bei den Behörden. Wie auch bei Christiane Mudras Stadtspaziergang "Kein Kläger" (28. und 30. Oktober, 18 Uhr, 31. Oktober und 1. November, 17 Uhr), in dem die Nachkriegskarrieren von NS-Funktionären eindrucksvoll beleuchtet werden.

"Lulu" der Freien Bühne München ist als Stream zu sehen, spannend dürfte auch "Gegensätze/gegen Sätze" werden, in der sich Ayşe Güvendiren kritisch mit dem erfolgreichen Stück "Geächtet" von Ayad Akhtar beschäftigt.

Rodeo, Festival der freien Münchner Theater- und Musikszene , Samstag, 17. Oktober, bis Sonntag, 1. November, verschiedene Orte

© SZ vom 17.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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