Papiertheater-Festival:Indiana Jones anno dazumal

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Vergnügliches für Literaturliebhaber: Beim Dichtertreffen gestehen sich Schiller, Shakespeare und Goethe "Die Wahrheit" - beispielsweise über das Ende von Romeo und Julia. (Foto: Theater Andersartig)

Die sechste Ausgabe des Festivals "Alles Papier" präsentiert große Kunst im Kleinstformat: Elf Stücke entführen in den Tempel des Todes oder entlarven die Geheimnisse berühmter Dramatiker.

Von Barbara Hordych

Liselotte Bothe, die seit 30 Jahren die Puppen auf ihrer Kasperlbühne tanzen lässt, macht von Donnerstag bis Sonntag ihr Kleines Theater im Pförtnerhaus erneut zum Treffpunkt der Papiertheater-Szene: Elf Stücke sind dort zu Gast, von Meistern einer nahezu vergessenen Form der Theaterkunst. "Das Papiertheater braucht nicht viel Platz, weshalb man es gut im privaten kleinen Kreis, mit Freunden oder in der Familie, spielen konnte", sagt Bothe, die zu Beginn einen kurzen Einblick in die Geschichte des Papiertheaters geben wird. "Stücke wie den ,Freischütz' oder das ,Rheingold', ,Oberon' oder ,Wilhelm Tell' nachzuspielen oder selbst erdachte Geschichten umzusetzen, war ein großes Vergnügen für Leute, die über die nötige Fantasie verfügten, um eine große Welt in ein winziges Format zu übersetzen." Jeder, der Zeichenstift, Schere, Kleber und ein paar Bögen Papier im Haus hatte, konnte Dramen und sogar Opern dank der Erfindung der Lithografie Ende des 18. Jahrhunderts ins eigene Wohnzimmer holen. Vor allem beim Bildungsbürgertum des ausgehenden Biedermeiers, zur Zeit der Romantik und des späten 19. Jahrhunderts kannte die Begeisterung keine Grenzen. Bis die Erfindung des Fernsehens das Papiertheater weitgehend in der Versenkung verschwinden ließ. Nichtsdestotrotz gibt es auch heute noch Künstler, die das Fach beherrschen. Und ja, sogar der Wilhelm Tell wird beim Festival zum Einsatz kommen.

Irgendwo im Nirgendwo

Denn den Auftakt (und den Schlusspunkt am Sonntag) bildet das Stück "Die Wahrheit", ersonnen von Manfred Kronenberg und Rüdiger Koch vom Theater Andersartig aus Warendorf: Bei ihnen begegnen sich Shakespeare, Goethe und Schiller als "Triumvirat der toten Dichter" heimlich irgendwo im Nirgendwo. Und gestehen sich bei ihrem Treffen "Die Wahrheit". Etwa, dass die Geschichte von Romeo und Julia eigentlich ein ganz anderes und völlig unvermutetes Ende hatte. Ebenso gießen sie bis dato unbekannte Erlebnisse von "Götz von Berlichingen" und "Wilhelm Tell" in eigene Verse.

Für jüngere Zuschauer setzen die Warendorfer die Geschichte "Der letzte Drache" von Edith Nesbit mit Röhrenfiguren und viel echtem Rauch um: Die englische Autorin berichtet von einer märchenhaften Zeit, in der es der Anstand in Königshäusern gebot, dass heiratsfähige Prinzessinnen nur dann einen Gemahl bekamen, wenn der ein Prinz war und dann auch noch die Zukünftige aus den Klauen eines Drachen befreite. Was aber tun, wenn es kaum noch Drachen gibt, dafür aber plötzlich so starke Mädchen, die ihre Befreiung lieber selbst in die Hand nehmen wollen?

Für Märchenfans: In den fernen Osten entführt die Inszenierung von "Die Nachtigall" nach Hans Christian Andersen. (Foto: Papiertheater Heringsdorf)

Eine Novität hält Robert Jährig vom Papiertheater Heringsdorf bereit. Für jüngere Zuschauer spielt er seine Inszenierung von Hans Christian Andersens Märchen der "Nachtigall", die in wunderschönen Bildern nach China entführt. Für die älteren indes zeigt er einen besonderen Schatz, den er in einem dänischen Familienjournal von 1927 gehoben hat. Die ins Deutsche übersetzte Uraufführung des Stücks "Gefangen im Tempel des Todes", eine Abenteuergeschichte in Indiana-Jones-Manier.

6. Papiertheaterfestival "Alles Papier" , Do., 20. bis So., 23. Oktober, Kleines Theater im Pförtnerhaus, Bürgerpark Oberföhring

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