Festival in Augsburg:Die Frauen an Brechts Bett

Brechtfestival 2021, Filmstill mit Stefanie Reinsperger, "Ich bin ein Dreck"

Stefanie Reinsperger sollte live mit einem Solo-Abend auftreten. Nun hat sie ein Video gedreht, das mit Film- und Theaterelementen spielt.

(Foto: Hamdemir & Isletme)

Kreative Umsetzung: Stefanie Reinspergers Beitrag "Ich bin ein Dreck"

Von Yvonne Poppek

Es sind schon viele Frauen, die da auftauchen. Aber vermutlich sind es immer noch nicht alle. Sie sind verzweifelt, selbstbewusst, mütterlich, verbittert, mondän, graumäusig. Komplett unterschiedlich also, aber mindestens zwei Dinge haben sie gemeinsam. Sie alle blicken auf den Mann, von dem sie sich - egal welche Pose sie auch probieren - nicht abwenden können, auf Bert Brecht (dargestellt von Julian Keck). Und sie alle werden von der famosen Schauspielerin Stefanie Reinsperger gespielt. "Ich bin ein Dreck", so heißt der Video-Beitrag der Theater- und Filmschauspielerin, die am Berliner Ensemble engagiert ist und neu als Kommissarin den Dortmunder Tatort verstärkt. Es ist eine von jenen Produktionen, die sich die Festivalleiter Jürgen Kuttner und Tom Kühnel gewünscht haben: kein bloßes Abfilmen einer Theaterproduktion, sondern die Möglichkeiten des Video-Formats auslotend.

Dass Reinsperger beim Brechtfestival 2021 mitmachen würde, stand schon vor der Entscheidung für ein digitales Festival fest - und zwar mit einem Solo-Abend zu Brechts Frauen. "Ich habe das als große Chance gesehen", sagt Reinsperger. Als Kuttner und Kühnel sie baten, sich für das digitale Format etwas einfallen zu lassen, ließ sich Reinsperger ebenfalls darauf ein. Auch hier sah sie eine "Chance, nach einer anderen Art der Bildsprache zu suchen". Gemeinsam mit Regisseur Akin Isletme erarbeitete Reinsperger ein Konzept, Kamera führte Bahadir Hamdemir. Mit dabei ist auch Schauspieler Wolfgang Michael, sie kennen sich alle vom Berliner Ensemble.

Die Arbeit spielt nun mit den filmischen Möglichkeiten, insbesondere in der ersten Szene, in der Reinsperger die vielen Frauenrollen einnimmt, die Dank des Schnitts gleichzeitig zu sehen sind. Es sei ein Text von Margarete Steffin gewesen, der sie dazu inspiriert habe, sagt die Schauspielerin. Darin fordert Steffin Brecht auf: "Bert, stell Dir vor, es kämen alle Frauen, die du einmal hattest, an dein Bett."

Neben Brecht-Texten hat Reinsperger einiges von Steffin montiert, der - wie Hanns Eisler wohl einmal beschrieb - "wertvollsten Mitarbeiterin Brechts". Dazu gehört auch der Titelgebende "Ich bin ein Dreck", in dem Steffin ihre Verzweiflung und Erschöpfung ausspuckt. Zumindest setzt Reinsperger dies in ihrem Video so um: ein harter Monolog, einer, dem man die Theaterbühne anmerkt und der so eindringlich umgesetzt ist, dass er auch digital funktioniert. "Der Text ist mir sofort ins Herz reingegangen", sagt Reinsperger.

Jürgen Kuttner sagt dazu: Reinsperger habe sich sofort in die Texte Steffins verliebt. Das Interesse, die Dringlichkeit sei zu spüren. Reinsperger wiederum spricht von Kuttners Energie, er sei "eine Explosion". Durch diese Art der gegenseitigen Bestätigung und Unterstützung scheint die Produktion der Festivalbeiträge nicht nennenswert ins Stocken gekommen zu sein: 23 Premieren soll es nun geben innerhalb des zehntägigen Festivals. "Ich habe schon einen Festivalpass", sagt Reinsperger. Ihre Neugierde sei groß auf die anderen Stücke. "Ich bin ein Dreck" gibt dieser Neugierde in jedem Fall Nahrung.

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