Festival:Ein Komponist für alle

Nach dem Debakel in Garmisch-Partenkirchen: Dominik Šedivý will die Richard-Strauss-Tage mit knappem Budget neu erfinden

Von Sabine Reithmaier

Einfach ist die Sache nicht. Ein Spagat, sagt Dominik Šedivý, eine echte Herausforderung. Der Leiter des Richard-Strauss-Instituts in Garmisch-Partenkirchen redet über das Programm der Festtage zu Ehren des Komponisten, die an diesem Donnerstag beginnen. Darüber, dass das auf ein verlängertes Wochenende gestutzte Festival einerseits weiterhin ein überregional strahlendes Leuchtturmprojekt sein soll. Sonst könnten plötzlich die staatlichen Förderungen ausbleiben. Andrerseits müssen die Tage "basiskulturell verankert" sein. "Eben auf Augenhöhe mit der anderen Kultur hier, die Veranstaltungen dürfen auf keinen Fall elitär wirken." Doch statt zu lamentieren freut sich Šedivý dann erst einmal ausgiebig darüber, dass die Richard-Strauss-Tage überhaupt stattfinden. Endlich kann er die ganzen Streaming-Szenarios ad acta legen und sich auf die Schlechtwetter- und Gutwetter-Varianten der vier Tage beschränken.

Es ist gerade mal elf Monate her, dass Dirigent Alexander Liebreich völlig unerwartet die künstlerische Leitung des renommierten Festivals aufgekündigt hat. Als Gründe nannte er fehlende finanzielle, personelle und strukturelle Vorgaben durch die Marktgemeinde, für die er, wie sich damals herausstellte, drei Jahre lang ohne Vertrag gearbeitet hatte. Angesichts des sechsstelligen Minus, das Liebreich der Gemeinde beschert hatte, hielt sich die Trauer über seinen Verlust zumindest bei den Kommunalpolitikern sehr in Grenzen. Bürgermeisterin Elisabeth Koch (CSU) beauftragte kurzerhand Šedivý, ein "integratives Kulturkonzept" zu entwickeln, das alle musikalischen Angebote des Orts, ob Strauss-Tage, Blasmusikkonzerte oder Orgelabende, zu einem Gesamtpaket mit dem Titel "Musiksommer Garmisch-Partenkirchen" bündelt. Das alles unter dem organisatorischen Dach der 2020 gegründeten gemeinnützigen Gapa Kultur GmbH, die auch das Strauss-Institut einschließt. Šedivýs Chef ist daher der Gapa-Geschäftsführer Michael Gerber.

Erklärtes Ziel der beiden: eine bessere Akzeptanz der Richard Strauss-Tage im Ort. Hatten das die vorhergehenden Festivalchefs nicht auch versucht? "Schon, aber das ist eben nicht angekommen bei der Bevölkerung", sagt Šedivý und erzählt von seinen Gesprächen mit der Partenkirchner Blaskapelle, für deren Repertoire er nach Strauss-Stücken suchte. "Ich strebe da einen Paradigmenwechsel an."

Das hatte auch Liebreich versucht. Er holte zwar mit den Bergkonzerten auf Wank und Zugspitze, mit musikalischen Wanderungen zum Kramerplateau oder mit Freiluftkonzerten in Ettal ganz neue Besucherschichten ins Festival. Doch Garmisch-Partenkirchen als Aufführungsort kam manchem Einheimischen zu selten vor, weshalb eine Forderung lautete, alle Konzerte müssten in der Marktgemeinde stattfinden. Das tun sie jetzt auch: entweder im Festsaal Werdenfels des Kongresszentrums oder im Michael-Ende-Kurpark. Šedivý hat, wie ebenfalls gewünscht, die Eintrittspreise deutlich gesenkt, sie bewegen sich zwischen 10 bis maximal 34 Euro pro Ticket. Alle Veranstaltungen sind bereits ausverkauft, was freilich in erster Linie an den coronabedingten Restriktionen liegt. Statt der 878 Personen, die sonst im Saal Platz finden, dürfen nur 109 eingelassen werden.

Festival: Das Frühwerk von Richard Strauss steht im Zentrum der nach ihm benannten Tage in Garmisch-Partenkirchen. Als die Aufnahme entstand, lebte der Komponist noch nicht im Ort. Seine Villa bezog er erst 1908.

Das Frühwerk von Richard Strauss steht im Zentrum der nach ihm benannten Tage in Garmisch-Partenkirchen. Als die Aufnahme entstand, lebte der Komponist noch nicht im Ort. Seine Villa bezog er erst 1908.

(Foto: Richard-Strauss-Institut)

Der Fokus des viertägigen Programms, das Šedivý zusammengestellt hat, liegt auf dem Frühwerk des Komponisten, geplant sind sogar Uraufführungen. So wird die Wagner-Sängerin Petra Lang, die wie der Tenor Julian Prégardien einen Liederabend gibt, das bislang unbekannte Strauss-Lied "Herbstabend" uraufführen. Auch das Kammerorchester Camerata Salzburg wird die "Concertouvertüre h-Moll TrV 41", 1876 geschrieben vom zwölfjährigen Strauss, zum vermutlich ersten Mal zu Gehör bringen. Šedivý hat jedenfalls keinen Beleg dafür gefunden, dass das Werk schon mal gespielt wurde. Zu hören sein wird auch Cellistin Raphaela Gromes mit der Erstfassung der Cellosonate op. 6 (TrV 115), die sie bereits im Januar 2020 in München uraufführte.

Er habe sich schon die vergangenen Jahre gefragt, warum das Festival so wenig auf die Kompetenz und die Literaturkenntnis des Richard-Strauss-Instituts zurückgreife, sagt Šedivý. "Da sehe ich enorme Synergieeffekte." Der Institutsleiter arbeitet seit März 2018 in Garmisch-Partenkirchen. Er fühle sich hier sehr wohl, sagt der gebürtige Tiroler, der in Rosenheim aufgewachsen ist. Nach dem Abitur studierte er Musikwissenschaft, Komposition, Chordirigieren und Musiktheorie in München, Salzburg und Wien, promovierte dort auch 2006 über Zwölftonkomposition. Neben der Forschung und Lehraufträgen an Hochschulen ist er auch künstlerisch aktiv, leitet Chöre und komponiert auch. "Eher nicht tonal. Strauss hätte wahrscheinlich gehasst, was ich schreibe." Und dachte, als er in Garmisch ankam, er würde überwiegend in der Forschung tätig sein.

Das Institut, getragen von der Marktgemeinde und vom Freistaat, betreut den Nachlass des Komponisten, der einer Erbengemeinschaft gehört. Fast alles, was Strauss zu Papier gebracht hat - Skizzen, Manuskripte, Partituren und Zehntausende Briefe -, liegt hier. "Nirgendwo auf der Welt wird so viel Material zu ihm aufbewahrt", sagt Šedivý. Das Institut ist daher eine viel gefragte Anlaufstelle sowohl für wissenschaftliche Forscher als auch für Liebhaber, arbeitet eng mit anderen Einrichtungen wie etwa der Forschungsstelle der Richard-Strauss-Ausgabe an der LMU München zusammen, informiert in einer Dauerausstellung über das Leben des Wahl-Garmischers Strauss. Aber es erfüllt auch Fotowünsche von Opernhäusern, begleitet und betreut Doktoranden, die in der als private Gedenkstätte erhaltenen Strauss-Villa Material sichten wollen.

Festival: Dominik Šedivý leitet seit 2018 das Richard-Strauss-Institut in Garmisch-Partenkirchen und verantwortet in diesem Jahr auch das Programm der Richard-Strauss-Tage.

Dominik Šedivý leitet seit 2018 das Richard-Strauss-Institut in Garmisch-Partenkirchen und verantwortet in diesem Jahr auch das Programm der Richard-Strauss-Tage.

(Foto: Richard-Strauss-Institut)

Jetzt freilich widmet der Institutsleiter 50 Prozent seiner Arbeitszeit der Organisation der Strauss- oder der demnächst folgenden Hermann-Levy-Tage. Die Gefahr, dass er mit seinem Programm abhebt, ist gering. Schon deshalb, weil ihm weniger als ein Drittel des bisherigen Budgets - Liebreich verfügte zuletzt über knapp eine Million Euro - zur Verfügung steht. Doch Šedivý ist ganz zuversichtlich, dass sein Ansatz angenommen wird, auch wenn er Garmisch-Partenkirchen für ein schwieriges Pflaster hält. Dass die eigentlichen Bewährungsproben erst in den nächsten Jahren kommen werden, ist ihm sehr bewusst. Und wenn es nicht klappt? "Dann habe ich halt Pech und bin einer mehr auf der langen Liste."

Richard-Strauss-Tage, 24. - 27. Juni, Infos: www.richard-strauss-festival.de

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