Ferientouren durch München:Eiszeit an der Würm

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Idyllische Plätze bietet die Würm zwischen Pippinger Kirche und Blutenburg. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein Tag im wilden Westen Münchens zeigt schnell: Die Würm braucht zwischen Pasing und Allach einen Vergleich mit der Isar nicht zu scheuen - ganz im Gegenteil.

Von Martin Bernstein

München gilt ja schlechthin als Stadt an der Isar. Früher wurde sie deswegen sogar zum Isar-Athen verklärt. Gut, den Vergleich mit Athen hört man in letzter Zeit eher selten . . . aber das sind halt die Tücken der Zeitläufte. Viel gravierender ist jedoch, dass die Isar eigentlich nur die Nummer zwei unter Münchens Flüssen ist. Die Würm tief im Westen ist ihr nämlich in nahezu allen Belangen überlegen.

Zwar fließt die Würm nur gut elf Kilometer durchs Stadtgebiet (bei der Isar sind es drei mehr). Aber an der Würm stehen immerhin drei Schlösser. Und an der Isar? Null. Die Würm (und nicht die Isar) ist es auch, die eines der größten barocken Kanalsysteme und den Olympiasee speist und mit deren Wasser die Kaskaden im Schloss Nymphenburg angetrieben werden.

An der Würm ist auch alles geregelt. Kennt sich noch jemand aus, wo er an der Isar grillen soll und kann? An der Würm ist beides eindeutig durch städtische Verordnungen geklärt: Nirgends nämlich. Kommt dann doch einmal jemand auf die Idee, die Würm dem Freizeitvergnügen zu öffnen - wie die Allacher mit ihrem Kneipp-Becken an der Servetstraße -, dann wehrt sich der Fluss echt münchnerisch-hinterfotzig.

Mal schwemmt er Treibholz an, dann ist das Becken plötzlich trocken und nach dem nächsten Starkregen auf einmal so voll, dass höchstens Ganzkörper-Kneippkuren möglich wären. In den zehn Jahren seines Bestehens ist das Kneipp-Becken gerade einmal zwei Jahre lang in Betrieb gewesen - aber nicht zur Wasserkur, sondern nur als Wasserspielplatz für Kinder bei einem Wasserstand von fünf bis zehn Zentimetern.

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Die Geschichte der Würm

Und dann die Sache mit der Eiszeit. Isar-Eiszeit? Fehlanzeige. Eine Würm-Eiszeit kennen Geo- und Glaziologen indes schon. Sie haben die letzte Kaltzeit im Alpenraum nach dem Fluss im Westen Münchens benannt und sie auf den Zeitraum von etwa 115 000 bis 10 000 Jahre vor der Gegenwart datiert. Im Alpenvorland war es damals im Jahresmittel zehn Grad kälter als heute. Gletscherzungen reichten bis in die Gegend des heutigen Starnberger Sees. Das Geröll der Münchner Schotterebene - man muss es fast nicht mehr eigens betonen - ist nicht zuletzt ein Produkt der Würm-Eiszeit. Und nördlich davon sah es damals aus wie heute in Spitzbergen. Die Zeitläufte halt . . .

Die Würm und das Eis, das ist ein Kapitel für sich, ein angesichts der aktuellen Temperaturen durchaus erfrischendes, weswegen es hier kurz aufgeschlagen werden soll. Am 18. Februar 1928 berichteten die Münchner Neuesten Nachrichten: "Das Überschwemmungsgebiet des Würmtals zwischen Obermenzing und Karlsfeld war am Sonntag das Ziel Tausender, die aus München und Umgebung in ununterbrochenen Reihen ankamen. Die überschwemmten Häuser sind rings in Eis eingeschlossen." Immer wieder in den vergangen 400 Jahren bastelten die Münchner und ihre Nachbarn am Fluss herum, um den Lauf der einst "rasch strömenden" Würm (das soll die vorgermanische Bedeutung des uralten Namens sein) zu ändern.

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Gefahr durch Grundeis

Der ursprüngliche Flusslauf der Würm mäanderte vor seiner Begradigung im Stadtgebiet auf einer Breite von rund 80 Metern und teilte sich häufig in mehrere Fließarme auf. Die Flussregulierung am Ende des 19. Jahrhunderts engte die Würm auf sechs bis acht Meter ein. Die Ufer wurden mit Blocksteinen, Holzverbau, Spundwänden oder Betonmauern verbaut. Die "Flusskorrektionen" in den Jahren zwischen 1898 und 1901 dienten dem Hochwasserschutz.

Vor allem sollten die Korrektionen verhindern, dass sich das tückische Grundeis bildet. Die Würm führt viele Schwebstoffe mit sich, die sie nach unten abdichten. Die gute Isolierung kann im Winter dann Grundeis entstehen lassen - der Fluss friert von unten her zu. Und überschwemmt dann die Umgebung. Am Würmkanal bei Feldmoching erinnert der "Eishüttenplatz" an die Zeit, als dort eine Hütte stand, in der der Flussmeister sich im Winter aufwärmen konnte. "Wenn in kalten Wintern Grundeis entsteht und die Kanäle zuzufrieren drohen, ist die Gefahr von Überschwemmungen groß. Mit hohen Wasserhosen angetan müssen die Arbeiter dann stundenlang im kalten Wasser stehen, das Grundeis lostreten und das Randeis beseitigen," heißt es in einer Infobroschüre des Vereins Dachauer Moos.

Nun soll unser Spaziergang ja der Würm gelten - wie aber kommt deren Wasser bis nach Feldmoching? Es ist eine Geschichte mit Geschichte, mit einer mehr als 400-jährigen Geschichte sogar. Denn direkt an der nördlichen Münchner Stadtgrenze zwischen der Gerberau und Karlsfeld teilt ein Wehr die Würm in einen Bach, der weiter Richtung Norden zur Amper hin fließt, wo nach knapp 40 Kilometern die Würm ihre Eigenständigkeit aufgibt - und in einen der Kanäle, die den Münchner Norden durchziehen und deren Geschichte bereits im Jahr 1601 beginnt. Damals wurde der erste Kanal zwischen der Würm und der Schwaige von Schleißheim gebaut. Er sollte vor allem den Mühlen mehr Wasser zuführen.

Doch erst mit dem "Blauen Kurfürsten" Max Emanuel begann der Ausbau eines europaweit nahezu einzigartigen Kanalsystems. Die Kanäle leiten Würmwasser zu den Schlössern Nymphenburg, Schleißheim und Dachau; eine Verbindung mit der Residenz wurde nicht vollendet. Der erste, 1601 angelegte Würmkanal sollte Wasser zu den Mühlen von Feldmoching und Schleißheim bringen. Auch der "Gröbenkanal" von 1687 ist in der Landschaft kaum noch auszumachen.

Er führte vom Gröbenbach in gerader Linie Richtung Würm. Die erste Furche zur Markierung zog ein gewisser Georg Spitzwekh aus Allach - ein direkter Vorfahre des Malers Karl Spitzweg. 3726 Gulden und 14 Kreuzer kostete der Kanal, der der Würm zusätzliches Wasser aus dem Dachauer Moos zuführen sollte. Im gleichen Jahr wie der Gröbenkanal wurde der acht Kilometer lange (Allacher) Würmkanal zum Schleißheimer Schlossareal angelegt.

Kanäle zweigen von der Würm ab und leiten Wasser zu den Schlössern. (Foto: Stephan Rumpf)

Springbrunnen mit Würmwasser

Warum das alles? Es ging um Lustbarkeiten, kurfürstliche Lustbarkeiten. Genauer gesagt um Wasserspiele und Gartenkunst, man lebte schließlich im Barock. Kurfürst Max Emanuel, der sich zeitlebens zu Höherem berufen sah, hatte in seiner Jugend die Brenta-Kanäle im Veneto und später als Generalstatthalter der Spanischen Niederlande auch Flandern kennengelernt. So etwas wollte er auch haben. Die Kanäle dienten dem Transport von Baumaterial zu den Schlössern, speisten Teiche und Fontänen und ermöglichten sogar Gondelfahrten.

1701 ließ der blaue Kurfürst einen weiteren Kanal von Pasing zum Nymphenburger Schlosspark und weiter Richtung Schwabing bauen. Nur 20 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen Pasing und Schwabing, nur 13 Meter sind es zwischen der Gerberau und Schleißheim.

Größer ist der Höhenunterschied auch nicht, den der Würm-Wanderer zwischen Pasing und Allach zurücklegen muss. Und es geht immer bergab, geografisch gesehen. Besichtigungstechnisch reiht sich Höhepunkt an Höhepunkt, Schlösser, Gotteshäuser, Landschaftsgärten, Wälder. Und weil dazwischen auch noch etliche lockende Einkehren und gemütliche Biergärten warten, wird aus einer Strecke, die sich locker in drei Stunden bewältigen ließe, schnell einmal ein Tag an der Würm.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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