Fenster-Ausstellung im Lost Weekend:Perfektes Gesichtchen

Jaemin Lee

Puppentraum: Jaemin Lees Arbeit "Where is my Ken" im Schaufenster der Buchhandlung Lost Weekend.

(Foto: Jaemin Lee)

Schaufenster werden zur Galerie für junge Kunst

Von Jürgen Moises

Für Jahrzehnte waren sie das amerikanische Traumpaar und so etwas wie Stilikonen der westlichen Kultur. Dass sie aus Plastik sind, hat Barbie und Ken dabei nie geschadet. Im Gegenteil konnten sie so als Markenbotschafter der USA nahezu ungehindert in Kinderzimmer eindringen und mit ihren nach westlichen Idealen gestalteten Körpern und Gesichtchen Kinder in aller Welt "indoktrinieren". Inwiefern speziell die Geschichte von Ken dabei männliche Identität und gesellschaftlichen Wandel reflektiert, das war vor einigen Monaten in der Ausstellung "Yes We Ken" in der Pasinger Fabrik Thema. Dass Barbie und Ken auch das Leben, Fühlen und Denken von Kindern in Südkorea beeinflusst haben, das kann man nun in oder genauer: vor der Coffee-Shop-Co-Working-Buchhandlung Lost Weekend in der Münchner Schellingstraße sehen.

Dort, das heißt in vier Tag und Nacht einsehbaren Schaukästen, zeigt der aus Südkorea stammende und in München lebende Künstler Jaemin Lee in Form von vier Gemälden seine Ausstellung "Where is my Ken?". Diese ist Bestandteil eines von ihm selbst initiierten und zunächst auf ein Jahr angelegten Ausstellungsprojekts, bei dem Lee jeweils für einen Monat junge Künstler aus München, Nürnberg, Leipzig und andere Städten präsentieren will. Die Idee: Einen Austausch mit auswärtigen Künstlern anzukurbeln, die noch nicht in den etablierten Galerien zu finden sind. "Vielleicht kann ja eine kleine Kunstbewegung angeschoben werden, die Schule macht", so Lee. "Es steht auf jeden Fall fest, dass wir dringend etwas tun müssen, damit gerade die Generation junger Künstler nicht frustriert das Handtuch wirft, die eben noch studiert hat und nun in dieser schwierigen Zeit durch jegliches Auffangraster fällt."

Tatsächlich gilt das auch für Jaemin Lee selbst. Der 33-Jährige hat im Februar sein Diplom bei Gregor Hildebrandt an der Kunstakademie gemacht, mit einer schönen Abschlussarbeit, die aus selbst gebastelten, mit Masken versehenen Vogelhäuschen bestand. Dass er Vogelhäuschen aus Südkorea nicht kannte: Das passt auch irgendwie zur Barbiepuppe, die er sich als Fünfjähriger sehnlichst gewünscht hatte und dann von seinen Eltern auch bekam. Denn auch die stand mit ihren blonden Haaren für eine andere Kultur und Vorstellungswelt, für eine westliche Art der Perfektion. Was ihn daran fasziniert hat? "Die täuschend echte Hautfarbe, die matte Haptik der Beckenpartie, das feine, fast lebensechte Gesichtchen" und nicht zuletzt die Möglichkeit, sie mit allerlei Kleidern zu bestücken. Eine Faszination, die, gibt er zu, "schon ziemlich speziell" war. Und die er in seiner Arbeit mit dem typisch koreanischen "Streben nach Perfektion" verknüpft.

Das Barbie'sche Schönheitsideal erscheint bei den Mädchengesichtern auf den vier Gemälden auf jeden Fall übersteigert, mit den großen Puppenaugen und der hohen Stirn. Wobei das gefühlt teilweise schon ins Unheimliche umkippt. Gleichzeitig lösen sich durch den aus vielen kleinen Strichen bestehenden, vibrierenden Farbauftrag die Konturen auf. Was im Kontrast zur "toten" Ebenmäßigkeit von Barbie wiederum lebendiger wirkt. Ansonsten symbolisieren Barbie und Ken für Jaemin Lee die faustische Erkenntnis, dass du am Ende immer das bist, was du bist. Egal, wie oft du die Kostüme oder Perücken wechselst. In den Schaufenstern des Lost Weekend wird Mitte Dezember umdekoriert. Dann sind dort von 22. Dezember an Arbeiten von Vincent Kern aus München und Jonathan Pielmeier aus Nürnberg zu sehen.

Jaemin Lee: Where is my Ken?, bis 19. Dez., Schaufenster am Lost Weekend, Schellingstr. 3

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