Feldmoching:Wenn das Eigenheim erst nach Jahrzehnten legalisiert wird

Schwarzbau-Siedlung Schwarzhölzl/Dratfeld im äußersten Feldmoching

An ihrem Haus hat die Familie von Franz Knäbl alles selbst gemacht. Und alles sei auch noch im Originalzustand, sagt er. Denn Umbauten waren verboten.

(Foto: Florian Peljak)
  • Bald wird die letzte noch illegale Mondschein-Siedlung Münchens endgültig erlaubt sein.
  • In der Straße in Feldmoching stehen zwölf Häuser.
  • Sie wurden nach dem Zweiten Weltkrieg illegal gebaut.

Von Simon Schramm

Nur noch die Unterschrift des Oberbürgermeisters fehlt, dann ist Franz Knäbls Kampf endlich gewonnen. Sein Kampf um Anerkennung und für seine Rechte als Eigenheimer, nach 50 Jahren. Vor wenigen Wochen hat der Stadtrat die Außenbereichssatzung für die Straße Am Dratfeld beschlossen.

Hier lebt Knäbl seit 1949, für die Legalisierung der Häuser setzen sich der Siedlerverein Schwarzhölzl und er seit Jahrzehnten ein. Dass er nun endlich Erfolg hatte, darauf reagiert Knäbl eher lapidar. "Ich bin zufrieden", sagt er. In seiner Stimme sind Freude, aber auch Nachdenklichkeit und Voraussicht zu hören. "Ich habe endlich Sicherheit, wenn ich etwas ausbauen möchte. Aber nun kommen Auflagen auf uns zu, es muss eine neue Wasserleitung gebaut werden, oder ein Lärmschutz."

Jahrelang blockierte die Lokalbaukommission Umbauten an Knäbls Haus. Denn es gehört zur früheren Mondschein-Siedlung in Feldmoching, der Schwarzhölzl-Siedlung. Eine illegal errichtete Siedlung, die im Jahr 1993 genehmigt worden war - mit Ausnahme der Häuser Am Dratfeld. Sie waren formal weiter Schwarzbauten, bis sie nun eben der Stadtrat legalisiert. Als letzte entsprechende Siedlung Münchens.

"Ich kann mir nicht vorstellen, hier wegzuziehen"

Franz Knäbls jahrelange Hartnäckigkeit gründet in seinem Stolz über das Werk seiner Familie. "Alles an unserem Wohnhaus haben wir selber gemacht." Keller, Bad, Heizung, Küche. "Das sind die dritten Ziegel, die jetzt auf dem Dach liegen", sagt der 73-Jährige. Und alles Baumaterial haben die Knäbls selber beschafft. "Mein Vater war froh über jeden Dachziegel, den er bekommen hat." Wie motiviert man sich über Jahrzehnte hinweg dafür, sich für das eigene Heim einzusetzen, in ständiger Diskussion mit der Stadt? "Das ist unsere Straße, wir haben das ganze Leben dort verbracht. Das will man halt erhalten", sagt Knäbl. "Ich kann mir nicht vorstellen, hier wegzuziehen."

Einer, der diesen Kampf auch lange begleitet hat, ist Heinrich Rösl. "Nach dem Krieg entstanden etwa 20 Mondschein-Siedlungen in München, vor allem im Norden oder im Osten. Die größte war das Schwarzhölzl", sagt der heutige Präsident des Eigenheimerverbandes Bayern, der von 1972 bis 2003 dem Siedlerverein Schwarzhölzl vorstand. Die Ansiedlungen hätten sich auf diese Bereiche konzentriert, weil einzig dort Bauern bereit gewesen seien, ihren Acker zu verkaufen. In den illegalen Siedlungen lebten hauptsächlich deutsche Geflüchtete aus dem Osten. "Den Begriff Siedler haben die nicht zu Unrecht getragen", meint Rösl. Es sei für die Zugezogenen normal gewesen, ihr Heim selber aufzubauen.

Sobald OB Dieter Reiter den Stadtratsbeschluss unterschrieben hat, wird die letzte noch illegale Mondschein-Siedlung Münchens, in der etwa zwölf Wohnhäuser stehen, endgültig erlaubt sein. Das Planungsreferat rechnet damit, dass der Beschluss im Mai rechtskräftig wird. Es kennt sonst nur noch einzelne, ungenehmigte Gebäude im Münchner Norden, im Stadtbezirk Aubing-Lochhausen-Langwied und in Bogenhausen.

Die Häuser wurden in der Nacht gebaut

Mit dem Titel "Mondschein" wurden die Siedlungen versehen, weil nach dem Zweiten Weltkrieg die Bewohner ihre illegalen Wohnhäuser im Dunkel der Nacht hochzogen und Schritt für Schritt ausbauten, alles ohne Genehmigung. Zunächst duldete die Stadt die Schwarzbauten - zu groß war die Wohnungsnot nach dem Krieg. Der Kampf um die Legalisierung begann in den Sechzigerjahren; von da an versuchte die Stadt, die Bewohner abzusiedeln.

Knäbl sagt, die Größe mancher Siedlungen habe das verhindert. "Die Stadt hätte nicht einfach zwölf Familien auf die Straße setzten können. In den ersten zehn Jahren war sie nicht fähig, Ersatz zur Verfügung zu stellen." Kleinere Schwarzbauten im Osten Münchens waren, wie Rösl erklärt, auf gepachtetem Grund entstanden. Hier war die Stadt im Vorteil: Der illegale Wohnraum war rechtlich leichter zu beseitigen, als wenn der Grund Eigentum der Siedler war. "Es wurden stattdessen neue Häuser gebaut, in denen die Bewohner als Mieter wohnten", sagt Rösl.

Anfang der Achtzigerjahre untersuchte ein Stadtplaner, wie teuer die Absiedlung und die Sanierung der Schwarzhölzl-Siedlung käme. Zum Glück der Bewohner war letztere billiger. Die Lösung: Ein Umlegungsplan, der die Grundstücke ordnet und abgrenzt. Die Bewohner mussten sich untereinander über Zuschnitt des Grunds und mit der Stadt über Abtretungskosten einigen.

Zehn Jahre, um sich zu einigen

"Es hat zehn Jahre lang gedauert, die 120 Unterschriften zu sammeln", sagt Rösl. Ähnlich lief es bei der Moosacher Trinkl-Siedlung, die im Jahr 2002 einen Bebauungsplan erhielt. Auch im Fall der 2015 legalisierten Mondschein-Siedlung "Am Hierlbach" bei Johanneskirchen sei es nötig gewesen, erst innerhalb der Siedlung die Eigentumsverhältnisse zu klären.

Als die Stadt sich bereit erklärte, die Siedlungen zu erlauben, brauchte es dennoch viel Zeit, einen ordentlichen Bebauungsplan oder eine Satzung zu erstellen. "Behörden laufen manchmal langsam", sagt Franz Knäbl. Aufgehalten hat die Legalisierung der Kleinsiedlung Am Dratfeld auch der Bau der A 99. Die Autobahn schnitt die Straße von ihrer Ursprungssiedlung Schwarzhölzl ab. "Darum war Dratfeld in Vergessenheit geraten."

Nun wird es spannend sein zu beobachten, wie sich die Siedlung weiterentwickelt. Schließlich macht sich auch in Feldmoching der Druck bemerkbar, neuen Wohnraum zu schaffen. "Die Schwarzhölzl-Siedlung ist seit ihrer Legalisierung stark angewachsen, die ist doppelt so groß wie früher", sagt Franz Knäbl. Potenzial wäre noch vorhanden. Neues Baurecht am Dratfeld vergibt die Satzung allerdings nicht. Zumindest könnte die Kleinsiedlung ein frischere Erscheinung bekommen. "Eine Nachbarin gegenüber von uns will seit Jahren ihr Haus abreißen und neu bauen. Die Lokalbaukommission hat das bisher nie erlaubt", sagt Knäbl.

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