Feldmoching:Ruf nach mehr Steuerung

Unsere Veranstaltung  in der Feldmochinger Mehrzweckhalle an der Georg-Zech-Allee 15: Die Zukunft des Münchner Nordens

Skeptische Grundstimmung: So gut wie jede kritische Bemerkung zur Politik der Stadt wird in der bis auf den letzten Platz besetzten Faganahalle in Feldmoching mit Applaus quittiert.

(Foto: Florian Peljak)

Ständiger Zuzug, große Siedlungspläne, Werben um weitere Firmenansiedlungen: Wie unheimlich das Wachstum der Stadt den Bürgern vor allem im Norden ist, zeigt der Zulauf zu einer Diskussion. Gut 1000 Menschen sind gekommen, viele fordern eine Gesamtstrategie

Von Simon Schramm, Feldmoching

− Da ist der Lerchenauer Bürger, der sich fragt, welches Gymnasium seine Kinder im kommenden Schuljahr besuchen sollen, wenn jetzt schon fast alle Schulen im Umkreis am Anschlag sind. Da ist der Einwohner aus dem Norden Feldmochings, der nicht versteht, wieso die Lösungen für Verkehrsprobleme im Stadtbezirk nicht endlich umgesetzt werden und der den Kollaps befürchtet. Da ist der Landwirt, der die Stadtpolitiker bezichtigt, sie wollten ihm sein Grundstück und damit die Existenzgrundlage nehmen, um Wohnraum zu schaffen. Das Murren vieler Bürger im Münchner Norden über die Auswirkungen der boomenden Stadt auf ihr Viertel ist in den vergangenen zwei Jahren immer lauter geworden. Das Jahr 2018 hat nun damit begonnen, dass diese drei und viele andere Anwohner ihren Unmut von Neuem deutlich gemacht haben.

Gelegenheit dazu gab es am Montagabend bei der Diskussion über die "Zukunft des Münchner Nordens" in der Feldmochinger Mehrzweckhalle; dort lädt die Stadt auch immer zur jährlichen Bürgerversammlung, zu der gewöhnlich höchstens 500 Bürger kommen. Die Veranstaltung am Montag, organisiert vom "Bürgerbündnis München Nord", dem Zusammenschluss einiger Bürgerinitiativen, hat mehr als 1000 Bewohner angezogen. Kaum eine kritische Bemerkung über die Stadtpolitik, die das Publikum nicht mit Applaus belohnte. Man kann diesen Zulauf als Bekenntnis verstehen: Viele Münchner im Norden sehen das Wachstum der Stadt als bedrohlich an oder lehnen es grundsätzlich ab. Bestimmt war der Abend, an dem neben Experten auf einem Podium vor allem Bürger zu Wort kamen, darum von einer Fragestellung, die ganz München betrifft: Wie soll die Entwicklung der Stadt in Zukunft gesteuert werden?

Die Landtagsabgeordnete Mechthilde Wittmann (CSU) sprach sich für eine "vernünftig organische Entwicklung" der Stadt aus. Stadträtin Heide Rieke (SPD) hielt dem entgegen, dass die Stadt sich an Prognosen über einen Zuzug von 300 000 Menschen orientieren müsse. Der Norden Münchens trägt dazu seinen Teil bei: In Milbertshofen etwa baut BMW seinen Standort aus, Freimann wächst, in Feldmoching entstehen drei neue Siedlungen, neben der Lerchenau soll auch groß gebaut werden. Und dann steht noch immer die Überlegung der Stadt im Raum, in Feldmoching-Hasenbergl mit dem baurechtlichen Instrument der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) eine neue Großsiedlung aufzuziehen.

Ein Bewohner kritisierte, dass bei der SEM neben Wohnraum auch neue Arbeitsplätze geschaffen würden. Wieder ging es um eine grundlegende Frage: Sollte München seine Anziehungskraft nicht reduzieren, wenn in anderen Teilen Deutschlands die Wohnungen leer stehen? Auch Christian Hierneis vom Bund Naturschutz bemängelte, dass München seine Attraktivität aufrechterhalte und etwa auf internationalen Messen sich als geeigneter Wirtschaftsstandort bewerbe. Andererseits, darauf wies Politikerin Wittmann hin, profitiere München eben von diesen Einnahmen. Detlef Sträter vom Münchner Forum brachte die Überlegung ein, ob München sich bezüglich seiner Finanzen nicht vom "Tropf der Gewerbesteuer" unabhängig machen sollte.

Die Wachstums-Skeptiker vermissen bei der Stadt den präzisen Blick für das große Ganze. "Es gibt keine Strategie bei der Stadt", kritisierte Naturschützer Hierneis. Sträter sagte: "München braucht eine Zukunftsdebatte, eine Debatte darüber, wohin die Stadtgesellschaft will und auf welchen Wegen." Im Publikum ging man noch weiter: Wann hört es mit dem Zuzug auf, fragte ein Bewohner, und eine Bürgerin brachte den Vorschlag ins Spiel, für den Zuzug in München eine Obergrenze einzuführen - ein Niveau, an dem München keinen Zuzug mehr zulassen solle. Ein Deckel für München? Die Diskutanten auf dem Podium waren sich einig, dass das nicht möglich wäre. Wie solle das umgesetzt werden, fragte Stadträtin Rieke: "Mit einem Zaun?"

Immer mehr festgefahren scheint die Diskussion um die SEM Nord zu sein, die auch in der Mehrzweckhalle in bekannten Mustern verlief. Man wolle wohl alles zubetonieren, warfen die Bürger der Stadt vor. Das wiesen die Stadtvertreter zurück. Landwirte erläuterten erneut die Befürchtung, infolge der SEM enteignet zu werden. Das habe der Oberbürgermeister im Fernsehen doch schon ausgeschlossen, brachte Stadträtin Rieke zum Ausdruck. "Aber wenn an einer Stelle 50 Quadratmeter fehlen und dadurch partout eine Erschließung nicht möglich wäre, dann könnte man schon so vorgehen", sagte sie. Rieke plädierte erneut dafür, mit dem Instrument der SEM ganzheitlich zu ermitteln, was im 24. Stadtbezirk an Entwicklung möglich sei - zumal die SEM-Gegner von "Heimatboden" sich unter anderem auf ihrer Website einer baulichen Entwicklung auf ihren Grundstücken nicht vollständig verschlössen. Die CSU-Landtagsabgeordnete Wittmann kündigte zum Schluss des Abends noch an, dass die Stadtratsfraktion ihrer Partei gegen eine SEM stimmen werde, sollte der Stadtrat in diesem Jahr darüber abstimmen, ob dafür Untersuchungen eingeleitet werden. Wittmann: "Da können Sie sich auf uns verlassen." Die Replik von SPD-Stadträtin Rieke, deren Fraktion mit der am Abend von Landespolitikerin Wittmann vertretenen CSU ja bekanntlich in der Stadtregierung sitzt: "Das werden wir im Rathaus verhandeln."

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