Feldmoching/Hasenbergl:Die Projekte wachsen, der Frust wächst mit

Lokalpolitiker fordern Stadtbaurätin Merk auf, Gutachten zu Bauvorhaben generell zu veröffentlichen

Von Jerzy Sobotta, Feldmoching-Hasenbergl

Lokalpolitiker aus dem Münchner Norden fordern von Stadtbaurätin Elisabeth Merk die Herausgabe unveröffentlichter Gutachten zu Siedlungsprojekten - generell, aber gerade auch im Münchner Norden. Grundsätzlich solle die Verwaltung alle Dokumente zugänglich machen, auf die sie sich bei der Genehmigung von neuen Bauvorhaben beziehe - auch dann, wenn diese von privaten Investoren angefertigt worden sind. "Anders ist ein nachprüfbarer Diskurs in einer Demokratie nicht möglich." Ein "geheimes Gutachten" sei eine "Bankrotterklärung", schrieb Markus Auerbach (SPD), der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Feldmoching-Hasenbergl an die Chefin des städtischen Planungsreferats.

Auslöser der Forderung ist die Diskussion um den Abriss und die Neubebauung des Eggartens und eine mitunter massive Nachverdichtung der Siedlung Ludwigsfeld am nördlichen Stadtrand. Bei der Beurteilung solcher Bauvorhaben greift die städtische Behörde immer wieder auf Gutachten zurück, die private Investoren angefertigt haben und die daher nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände hatten sich vergangenes Jahr immer wieder darüber beklagt, dass die Äußerungen der Verwaltung nicht überprüfbar seien. Im Falle des Eggartens hatten der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz auch den Rechtsweg nicht ausgeschlossen. Der könnte Klarheit darüber schaffen, ob der Abriss des Quartiers nicht gegen bayerisches Naturschutzrecht verstößt. Doch dafür bräuchten die Vereine Einblick in die Gutachten.

Kolonie Eggarten in München, 2018

Naturbelassene Idylle: Der verschlafene Eggarten soll ein großes Wohnquartier werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der BA-Vorsitzende Auerbach kritisiert, dass weder die Gutachten noch ihre Verwendung überprüft werden könnten. Daher solle die Verwaltung grundsätzlich von Investoren die Einsehbarkeit von Gutachten einfordern, wenn sie bei der öffentlichen Auseinandersetzung, etwa bei einer Diskussion im Stadtrat, eine Rolle spielen. Andernfalls entstehe eine Halböffentlichkeit, sagte Auerbach im Gremium der Lokalpolitiker, die seinen Vorstoß unterstützen. Allerdings kamen auch Einwände zu Wort: Weil die Gutachten höchst technisch sind und teil mehrere hundert Seiten umfassen, gibt es auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher Veröffentlichungen. Sie seien für Laien ohnehin nicht verständlich, sagte Klaus Mai (SPD). Die städtischen Mitarbeiter könnten zudem unmöglich fachliche Beratung leisten. Daher schlägt Auerbach vor, dass die Gutachter zwei Wochen nach Veröffentlichung der Dokumente für Rückfragen verfügbar seien sollen.

Das Schreiben an die Verwaltung ist das Resultat einer wachsenden Entfremdung zwischen dem Bezirksausschuss und dem Rathaus. Während die Bau- und Nachverdichtungsprojekte im Norden immer größer werden, wächst auch der Frust vieler Anwohner. Und die Lokalpolitiker bringen immer wieder das Gefühl zum Ausdruck, einzig ein Auffangbecken für den Unmut der Bürger zu sein. Denn reale Entscheidungskompetenzen haben sie als überwiegend beratendes Gremium in solchen Grundsatzfragen ohnehin nicht. "Die Stadträte stellen sich nicht der Diskussion mit den Bürgern. Das fehlt der Stadtgesellschaft", sagt Auerbach mit Blick auf den Eggarten. Einzig die Stadträtin Heide Rieke (SPD) habe den Mut, ihre Entscheidung vor den Bürgern zu verteidigen. Tatsächlich fehlt sie bei kaum einer der großen Diskussionsveranstaltungen und zieht dabei regelmäßig wüste Angriffe wütender Bürger auf sich. Auerbach lobte auch den ehemaligen CSU-Stadtrat Johann Sauerer, der damals als einziger gegen seine Fraktion und für den Erhalt des Eggartens gestimmt hatte. Er ist mittlerweile der ÖDP beigetreten.

Bürgerdialog

Auch in Siedlung Ludwigsfeld laufen Bürgerdialoge zur Nachverdichtung.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Auch die Art, wie private Agenturen Bürgerdialoge durchziehen, stößt auf Unmut. Statt Podiumsdiskussionen über große Bauvorhaben zu führen, werden die Meinungen der Bürger vor Stadtratsentscheidungen meist nur als Anmerkungen auf Pinnwänden gesammelt. Dadurch werde die Diskussion verwässert, meint Auerbach. "Bürgerbeteiligung wird so zum Teil der Wertschöpfung. Anliegen der Stadtpolitik und der örtlichen Gemeinschaft werden in private Büros verlagert."

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