Feldmoching:Große Strahlkraft

Lesezeit: 3 min

Der Stadtviertel-Historiker Volker Laturell hat ein Buch über die Geschichte der Feldmochinger Pfarrei geschrieben

Von Simon Schramm, Feldmoching

Da ist zum Beispiel diese Grabplatte, die im Kapellenraum neben dem Altar in Sankt Peter und Paul hängt. "Sie wurde 1997 bei Umbauarbeiten der Kirche entdeckt", sagt Volker Laturell. Der Stadtviertelhistoriker streicht mit etwas Abstand zum Stein über die Reste der Inschrift in der Mitte der Platte und zeigt dann auf eine Erhebung an der Oberfläche am Ende der Platte: Sie ist geformt wie ein Kelch mit Hostie. "Daran erkennt man, dass es die Ruhestätte eines Pfarrers gewesen sein muss", sagt Laturell. Eine wissenschaftliche Untersuchung habe schlussendlich ergeben, dass die Platte aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges stamme. "Es war das Grab eines Feldmochinger Pfarrers, der an der Pest umgekommen ist", erklärt der Historiker.

Eindrücke und Verweise auf die Jahrhunderte alte Historie der Feldmochinger Kirche sind im ganzen Gebäude zu entdecken. Der älteste Anhaltspunkt: Laut Laturell sind im Turmgebäude noch Mauerwerke aus der romanischen Zeit zu finden. Die Adresse in der Feldmochinger Straße steht für rund 1500 Jahre Kirchenhistorie. Der Historiker hat in diesen Tagen ein über 400 Seiten starkes Buch über die Geschichte der Pfarrei Feldmoching und ihre Strahlkraft für die Region veröffentlicht. Der Kerngedanke des Werkes: Laturell will nachzeichnen, wie die Feldmochinger Geistlichen jahrhundertelang das christliche Leben im Münchner Nordwesten geprägt haben.

Volker Laturell konnte während seiner Recherche viel Neues über die Kirche St. Peter und Paul herausfinden. (Foto: Catherina Hess)

So waren die Kirchen in Moosach und Milbertshofen lange Zeit Filialkirchen der Feldmochinger Pfarrei. Erst im 20. Jahrhundert wurden sie nach und nach eigenständige Einheiten. "Das lag am Bevölkerungswachstum", sagt Laturell, 78. Hatte der Pfarrer von Feldmoching zuvor einen über den Bezirk hinausgehenden Einfluss- und Tätigkeitsbereich, bekamen die Kirchen erst daraufhin ihre eigenen Prediger. Laturell bezieht auch Stellung in der Diskussion über die Ursprünge der ältesten Pfarrkirche Münchens, Sankt Peter. Waren Historiker lange davon ausgegangen, dass die Ursprünge der Kirche beim Kloster Tegernsee liegen, tendieren viele Stimmen mittlerweile zur Einschätzung, dass die Feldmochinger die Münchner Peterspfarrei mitbegründet haben - zu dieser These neigt auch Laturell. Er beschreibt im Buch den im 12. Jahrhundert einflussreichen Feldmochinger Pfarrer Heribort, der wesentlich an der Gründung der Münchner Pfarrei beteiligt gewesen sei.

Laturells Wiedergabe reicht von den ersten Friedhöfen, die etwa im sechsten Jahrhundert nahe dem heutigen Fasaneriesee angelegt wurden, bis zur Gegenwart. Er schildert unter anderem, wie sich die Säkularisation und Aufklärung auf die Pfarrei in Feldmoching auswirken und widmet sich dem Einfluss des Barock und der Neugotik. Nahezu jede Kirche, Kapelle oder Klause, die mal zur Pfarrei Feldmoching gehört hat, findet im Buch Erwähnung.

Der 78-Jährige hat aufgeschrieben, wo Brüche und Konstanten im Leben der Pfarrei liegen. Darum weiß er auch, dass die Wände links und rechts des Kirchenaltars eine Zeit lang überhaupt nicht so blank wie heute strahlten. An diesen Stellen war gotische Fresken angebracht, die im puristischen 19. Jahrhundert größte Aufregungen verursacht hätten, erklärt Laturell, zum Beispiel von der Beschneidung Jesu. "Zu zeigen, dass Jesus ein Jude war, ging zu dieser Zeit gar nicht." Der damalige Pfarrer habe Arbeiten zur Erweiterung der Kirche angeordnet, um dabei die als "obscön" bezeichneten Abbildungen zu entfernen.

Die Kirchen in Moosach und Milbertshofen waren Filialkirchen. (Foto: Catherina Hess)

Mit seiner Arbeit über die Pfarrei Feldmoching will Volker Laturell seine Karriere als Autor beenden - "definitiv" sei es sein letztes Buch, sagt er. Das Buch bildet somit den Abschluss jahrzehntelanger Hingabe zur Lokalhistorie Münchens. "Die Münchner Geschichte hat mich von der Schulzeit an fasziniert", sagt Laturell. Zu seinen wichtigsten Werken gehören ausführliche Bücher über die Geschichte Moosachs und von Feldmoching-Hasenbergl. Als Dietmar Reichl, ehemaliger Vorsitzender des Kulturhistorischen Vereins Feldmoching, Laturell vorschlug, eine Broschüre über die Pfarrei Feldmoching zu schreiben, war Laturell anfangs abgeneigt. "Er hat mich dann lange genug bearbeitet." Für das Buch über die Pfarrei hat Laturell zehn Jahre lang recherchiert. Zunächst einmal hat er auf seinen eigenen Bestand an Unterlagen und Belegen zurückgegriffen. "Das Buch über die Pfarrei Feldmoching ist Opus Nummer 17. Da hat sich einiges Material angesammelt." Auch stand für den Autoren von Anfang an außer Frage, kein Heftchen, sondern ein umfassendes Buch zu schreiben.

Laturell recherchierte in den Archiven der Erzdiözese München-Freising und der kulturhistorischen Vereine in Feldmoching und Moosach. Die größte Herausforderung sei es gewesen, alte Texte in Schrift und Sprache zu verstehen. "Manchmal bin ich zu den Kollegen in das Archiv der Erzdiözese, da haben die schon angefangen zu überlegen."

Weil Volker Laturell zwanzig Jahre lang als Volkskulturpfleger gearbeitet hat, hat er auch Wert daraufgelegt, in seinem Buch zu dokumentieren, welche speziellen kirchlichen Bräuche in Feldmoching gepflegt wurden. Nachgewiesen hat er dabei, dass sich an einigen Kirchen im Münchner Norden Ossarien befunden haben müssen, Beinhäuser, auf die ausgewichen wurde, wenn auf dem Friedhof kein Platz mehr war. Und in Sankt Peter und Paul steht immer noch ein Taufstein, dessen Alter an einer Gravur abzulesen ist. "Der Taufstein stammt aus dem Jahr 1514", sagt der Stadtviertelhistoriker.

Viele Besuche in Archiven: Zehn Jahre lang hat Volker Laturell (unten) für sein umfangreiches Buch recherchiert. (Foto: Catherina Hess)

Mitherausgeber des Buches "Geschichte der Pfarrei Feldmoching und ihrer Kirchen, Kapellen und Klausen in Feldmoching, Moosach, Milbertshofen, Schleißheim, Karlsfeld und Ludwigsfeld" (Volk Verlag, ISBN-Nummer: 978-3-86222-265-9) ist der Kulturhistorische Verein Feldmoching. Das Buch ist in der Josef-Frankl-Straße 55 erhältlich, jeden Samstag, von 14 bis 17 Uhr, wie auch in der Feldmochinger Möbelstube und im Pfarrbüro Sankt Peter und Paul.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: