Feldmoching:Falsche Reihenfolge

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Ehe das neue Quartier "Lerchenauer Feld" mit 1600 Wohnungen hochgezogen wird, müssen die Verkehrsprobleme des Viertels gelöst werden, fordert der Bezirksausschuss. Am besten durch eine U-Bahn-Linie

Von Simon Schramm, Feldmoching

Noch breiten sich im Süden Feldmochings zwischen Lerchenauer und Lerchenstraße Äcker aus, doch in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) ist deutlich geworden, dass sich das in den kommenden Jahren rasch ändern wird. Im Stillen hatten sich Feldmochinger Grundstückseigentümer, die Stadt und zwei Immobilien-Gruppen, die Concept Bau und die zur Schörghuber-Unternehmensgruppe gehörende Bayerische Hausbau, nach längeren Verhandlungen im vergangenen Jahr darauf geeinigt, gemeinsam auf den Grünflächen an der Lerchenauer Straße ein neues Wohnquartier zu entwickeln, Titel des Projekts: "Lerchenauer Feld". Als Planungsziel der Verwaltung hat Stadtplaner Steffen Kercher im BA 1600 Wohneinheiten angegeben.

Von zukunftsträchtiger Bedeutung wird die Entwicklung der 23 Hektar großen Fläche sein, weil dort auch das erste eigene Gymnasium für den 24. Stadtbezirk aufgezogen werden soll, zudem eine Grundschule. Größere Tragweite für den Stadtbezirk hat das Projekt aus einem zweiten Grund: Entscheidende Maßnahmen zur Entlastung des ohnehin vom Verkehr geplagten Feldmochings stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erschließung des "Lerchenauer Felds". Was zwei anwesende Verkehrsplaner an ersten Lösungsideen präsentierten, reichte den Lokalpolitikern nicht aus. "Es ist verantwortungslos, erst mit den Bauvorhaben anzufangen und dann mit der Verkehrsplanung", meinte Max Bauer (CSU), die Stadtverwaltung habe keine "umsetzbaren" und auch nicht "ausreichend Ideen", um die steigende Verkehrsbelastung im Viertel zu steuern. "Wir werden der Massen nicht Herr."

Um Zugang und Verkehrsfluss zum neuen Quartier zu gewährleisten, ist die seit Jahren geplante Untertunnelung der drei Bahnübergänge im Viertel notwendig. Verkehrsplaner Matthias Toups erklärte aber, dass diese Maßnahmen natürlich wieder mehr Verkehr auf die Hauptachsen in Feldmoching ziehen, die um das Quartier liegen, insbesondere Pendlerverkehr. Auch die neue Bebauung selbst werde den Verkehr ansteigen lassen, aktuelle Untersuchungen gehen von rund 9000 Fahrzeugen pro Tag aus. "Es ist für unseren Stadtbezirk unzumutbar, wenn der Verkehr in den Hauptstraßen mindestens um das Doppelte ansteigt", kommentierte Rainer Großmann (CSU). Derzeit wollen die Verkehrsplaner für das Quartier einen eigenen Korridor als Verlängerung der Georg-Zech-Allee für den öffentlichen Nahverkehr freihalten und dort eine Strecke für Bus oder eine Tram anlegen, die zum Beispiel Richtung Karlsfeld und Milbertshofen fahren würde. Der BA ging so weit, gleich eine U-Bahn-Anbindung zu verlangen, "ob's dann kommt, ist eine andere Sache", sagte BA-Vorsitzender Markus Auerbach (SPD).

Rabatt-Aktion für den Nahverkehr: Das Neun-Euro-Ticket ist zwischen Bund und Ländern hochumstritten. S-Bahn in München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Matthias Toups von der Stadtverwaltung legte offen, dass die Verkehrsbelastung für Feldmoching mit bisher angekündigten Maßnahmen, etwa der Untertunnelung der Schleißheimer Straße, nicht zu reduzieren sei. Er warb darum für Untersuchungen im Zuge der aktuellen Planungen für ein neues Großquartier im ganzen Stadtbezirk, bei der auch verkehrliche Maßnahmen im größeren Kontext untersucht werden sollen. In drei bis vier Jahren könnten die Verkehrsplaner dann Lösungsvorschläge präsentieren. Zu spät, meinten viele im BA. "Wäre es nicht sinnvoll, den öffentlichen Nahverkehr jetzt schon auszubauen?", sagte Christine Lissner von den Grünen, in ein paar Jahren seien wahrscheinlich die nächsten Maßnahmen schon wieder nötig.

Reinhard Bauer (SPD) erinnerte an die Überlegungen, den DB-Nordring für den Personennahverkehr freizugeben. Doch laut Stadträtin Heide Rieke (SPD) gibt es noch Schwierigkeiten, Personenzüge auf der eigentlich für den Güterverkehr gedachten Strecke unterzubringen, das werde darum nicht so schnell funktionieren. Fazit der Diskussion: Drei bis vier Jahre wollen die Vertreter des Stadtviertels nicht abwarten, sie verlangen schnelle Lösungen - auf Antrag der CSU-Fraktion will der BA diese mit den städtischen Verkehrsplanern in einem Workshop diskutieren. Ins Spiel gebracht hat das Gremium auch eine Ortsumgehungsstraße für Feldmoching.

Einig waren sich die Fraktionen im Bezirksausschuss, dass sich das neue Quartier an die bestehende Bebauung in Feldmoching anpassen soll. "Wir wollen keine Hochhaussiedlung", sagte Rainer Großmann. Beschlossen hat der Bezirksausschuss, dass die Gebäude nicht mehr als drei Vollgeschosse haben sollen. Nicht durchsetzen konnte sich die Grünen-Fraktion mit ihrer Forderung, das Gelände nur zur Hälfte zu bebauen - wegen der Bedeutung der derzeit noch freien Flächen als Frischluftschneise.

Unterführungen statt oberirdische Gleisquerung sowie eine Freigabe des Nordrings (wie hier zu sehen) auch für Personenzüge: Das sind Vorschläge, wie der Verkehr flüssiger durch Feldmoching rollen soll. (Foto: Florian Peljak)

Neben Wohnungen will die Stadt auf dem Gelände auch viel neue Infrastruktur schaffen: Kitas und Nahversorger sind geplant, eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche, ein Flexi-Heim für Wohnungslose und ein Pflegeheim. Die von der Stadt veranschlagten 8000 Quadratmeter Geschossfläche für das Flexi-Heim sind dem BA jedoch zu viel. Und er äußerte erneut den Wunsch nach einem Nachbarschaftstreff. Prüfen will die Stadt auch mögliche Synergieeffekte zwischen den bestehenden Sportflächen südlich des "Lerchenauer Felds" und dem neuen Schulcampus, bei dem auch Freisportanlagen entstehen werden, und erhofft sich davon, das Angebot für den Breitensport zu erweitern.

Dennoch ist die genaue Gestaltung nach wie vor offen, die Stadt will die Bürger im Münchner Norden in mehreren Schritten bei der Entwicklung des Lerchenauer Feld beteiligen: bei zwei Workshops, einer zur Ideensammlung vor Auslobung des städtebaulichen Wettbewerbs sowie einer nach dem Wettbewerb, bei dem noch einmal "Wünsche, Sorgen, Anregungen" einfließen sollen, so Stadtplaner Kercher. Das Bauleitplanverfahren soll 2022 abgeschlossen sein, so dass die Vorbereitungen für den Schulbau beginnen können.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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