Feldmoching:Nachbarn müssen draußen bleiben

Die Stadt will keinen Präzedenzfall schaffen und lehnt Bürger-Vertreter in Jurys von Architektur-Wettbewerben ab

Von Simon Schramm, Feldmoching

Reinhard Sachsinger ist enttäuscht und wütend. "Man lässt Bürger mitreden, solange es um nichts geht, und wenn Entscheidungen getroffen werden, wird hinter verschlossenen Türen alles ausgehandelt", sagt der Feldmochinger, der sich gemeinsam mit seiner Frau in der Aktionsgemeinschaft "Rettet den Münchner Norden" engagiert. Der Unmut von Sachsinger hängt mit einem Bauvorhaben zusammen, dessen mögliche Auswirkungen auf das Viertel viele Bewohner verunsichern. An der Ratoldstraße nahe dem Bahnhof soll eine neue Siedlung mit etwa 600 Wohneinheiten entstehen, auch die Raheinstraße wird einbezogen. Im Preisgericht für den städtebaulichen Wettbewerb zum Wohnareal hätte eigentlich auch ein Vertreter der Bürger als Gast sitzen sollen. "Das wurde vielfach wiederholt versprochen", sagt Sachsinger. Nun hat er von der Person, die bereits ausgewählt worden war, erfahren, dass sie nicht im Preisgericht sitzen darf. Das Planungsreferat begründet dies damit, dass bereits zwei Mitglieder des Bezirksausschusses als gewählte Vertreter der Bürger im Preisgericht vertreten seien. Zudem seien die Bürger im Vorfeld intensiv beteiligt worden.

Aus Perspektive der Stadt ist es problematisch, eine nicht-gewählte Einzelperson ins Preisgericht zu holen. Die Vertreter von Bezirksausschuss und Stadtrat seien demokratisch legitimiert, für die Bürger Entscheidungen zu treffen. Von einem Stadtratsmitglied hat Reinhard Sachsinger eine weitere in diese Richtung weisende Begründung für den Feldmochinger Fall erhalten: Politische Mehrheit und Verwaltung seien sehr skeptisch gegenüber einem Bürger-Vertreter im Preisgericht gewesen, sie wollten keinen Präzedenzfall schaffen, teilte der Stadtrat Sachsinger mit.

Die Beteiligung eines Bürger-Vertreters am Wettbewerb wäre ein Novum gewesen und ist derzeit in München nicht vorgesehen. Zum Beispiel ist der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung bei einem Bauprojekt in Ramersdorf-Perlach im Dezember vergangenen Jahres ähnlich verfahren und hat sich dagegen entschieden, einen Anwohner in die Jury zu entsenden. Vertreter des Bezirksausschusses seien mit der Situation und den speziellen Belangen und Interessen aus dem Stadtviertel vertraut, argumentierte das Planungsreferat in der Sitzungsvorlage gegen die Beteiligung eines Bürgers. Es sei generell anzumerken, dass die Teilnehmerzahl bei den Preisgerichten bereits jetzt eine Größenordnung erreicht habe, die erheblichen organisatorischen Aufwand und Kosten verursache: Dort sitzen Fach- und Sachpreisrichter, sachverständige Berater und Gäste. Die zusätzliche Aufnahme weiterer Jurymitglieder würde den noch vertretbaren Rahmen sprengen, steht in der Vorlage.

Laut Reinhard Sachsinger hatten sowohl Vertreter des Planungsreferats als auch der CA Immo, der Bauherrin der neuen Siedlung, selber zugestimmt, einen Bürgervertreter in den Wettbewerb einzubeziehen. Ausgewählt wurde ein Bewohner des 24. Stadtbezirks, der als Stadtdirektor und Hauptabteilungsleiter im Baureferat gearbeitet hat, und damit Erfahrung mit Bauwettbewerben besitzt.

Das ausdrückliche Anliegen, einen Interessenvertreter der Bürger zu entsenden, war entstanden, weil im Viertel viele Zweifel bestehen, wie sich der Zuzug auswirken wird, etwa auf das Erscheinungsbild oder das Verkehrsaufkommen. Die Stadt, Investoren und das Planungsbüro Dragomir hatten daher im Herbst einen gut besuchten Workshop veranstaltet, bei dem die Feldmochinger Bedenken und Wünsche eingebracht hatten, die dann in den Eckdaten- und Aufstellungsbeschluss einflossen. Nächste Woche lädt das Planungsbüro Dragomir zum Auftakt des städtebaulichen Wettbewerbs die Feldmochinger zu einer Podiumsdiskussion, bei der sie erneut ihre Hauptanliegen artikulieren sollen.

Die Podiumsdiskussion über das neue Siedlungsgebiet am Feldmochinger Bahnhof findet am Montag, 25. April, in der Freizeitstätte "Kiste" statt, Gundermannstraße 77. Beginn ist um 18.30 Uhr. Auf dem Podium werden Vertreter der Landeshauptstadt, der Bauherrin CA Immo, die den Wettbewerb auslobt, und des Preisgerichts sitzen. Sie werden das weitere Verfahren erklären, mit den Bürgern über das Bauvorhaben diskutieren und Publikumsfragen beantworten.

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