Feldmoching:Angst vor der Zukunft

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Die Entwicklungs- und Baupläne von Stadt und privaten Investoren auf den vielen freien Flächen im Stadtbezirk stoßen in der Bürgerversammlung auf Ablehnung. Auch die Idylle der Eggarten-Siedlung wollen die Feldmochinger erhalten

Von Jerzy Sobotta, Feldmoching

Noch ist das Lerchenauer Feld ein flacher Acker, auf dem Erdbeeren und Kartoffeln wachsen. Man sieht ihn auf dem Weg in die Mehrzweckhalle an der Georg-Zech-Allee, in der am Dienstagabend die Bürgerversammlung des Stadtbezirks Feldmoching-Hasenbergl stattgefunden hat. Viele Teilnehmer gingen an dem Feld vorbei, das ein Sinnbild für den Wandel geworden ist, der den Münchner Norden in den nächsten Jahrzehnten erfassen wird. Dann könnten nicht nur auf dem Lerchenauer Feld neue Wohnungen entstehen, sondern auch auf den Ackerflächen am Stadtrand, die mehr als 30 Mal so groß sind. Es ist ein Wandel, den die Bürger des Stadtbezirks nicht wollen. Zumindest, wenn man die Bürgerversammlung mit gut 340 Teilnehmern als Ausdruck des Bürgerwillens sieht.

Die Eggarten-Kolonie soll einem Neubauprojekt weichen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Zahlreich vertreten waren dort die Gegner einer solchen Stadtentwicklung, die auf der Versammlung den Ton angaben. Darunter auch Dirk Höpner, der für das "Übergreifende Bündnis Nord" sprach, einem Zusammenschluss, der nach eigenen Angaben 14 000 Mitglieder hat und sich bereits gegen die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) stark gemacht hatte. Höpner forderte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) auf, nach Feldmoching zu kommen, um sich der Diskussion über die Stadtentwicklung im Münchner Norden zu stellen. "Wir bitten den Oberbürgermeister, dass er die Einladung zu uns annimmt", rief der Sprecher und zählte all die Einladungen der vergangenen beiden Jahre auf, zu denen Reiter nicht gekommen sei. "Viele Bürger machen sich Sorgen über den fehlenden Bürgerdialog", sagte er.

Die Feldmochinger wollen die Idylle der Eggarten-Siedlung erhalten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Fast drohend klang dagegen ein anderer SEM-Gegner, der den "drei großen Parteien" sein Vertrauen versagte und dazu aufrief, bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr "genau hinzuschauen". Große Unterstützung der Anwesenden fand sein Antrag, der sich gegen das Nachfolgeprojekt der SEM richtete, das kooperative Stadtentwicklungsmodell (Kosmo), mit dem die Stadt die Fläche im Norden überplanen will.

Sorgen über die Zukunft brachten ebenfalls zwei Mitglieder des "Aktionskreises Contra Bahnlärm" aus der Lerchenau ein. Die Initiative wehrt sich dagegen, dass die Bahn eine bislang stillgelegte Kurve in der Nähe der Wilhelmine-Reichart-Straße wieder für den Güterverkehr aktivieren will. Wenn der Brennerbasistunnel in Betrieb geht, werde der Zugverkehr im kommenden Jahrzehnt auch in München enorm ansteigen, sagte der Redner. "Wir brauchen einen Schutz vor noch mehr Zuglärm." Ein Verkehrsplaner der Stadt bestätigte, dass bis zum Jahr 2030 bis zu 200 Güterzüge pro Tag durch München fahren könnten. Das seien doppelt so viele wie heute. Die Verantwortung dafür sieht er allerdings bei Bund, Freistaat und der Deutschen Bahn. Die Stadt habe nicht einmal ein Anhörungsrecht. "Wir würden dort viel lieber eine S-Bahn-Strecke haben", sagte er. Trotzdem forderte der Aktionskreis von der Stadt, sich des Zuglärms konsequenter anzunehmen. Nur Züge, die nach München fahren, sollen demnach auch durch München hindurchfahren dürfen. Der Antrag fand große Unterstützung.

Die Bürger sprachen sich auch für den Schutz des Virginia-Depots in der Lerchenau aus. Die Stadt solle das Biotop kaufen und unter Naturschutz stellen lassen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Viele der gut zwanzig Anträge des Abends wurden im Namen des Naturschutzes eingebracht. So sprach sich eine große Mehrheit gegen eine absehbare Bebauung der Eggarten-Kolonie aus. Während der naturbelassene Charme der 100 Jahre alten Siedlung in einer Slideshow sichtbar wurde, rief Aktivist Martin Schreck zum "Erhalt und der Wiederherstellung dieses städtebaulichen Kulturerbes" auf. Um den "musealen Charakter der Siedlung" zu erhalten, sollte der Stadtrat über ein Strukturkonzept gar nicht erst abstimmen, das die künftige Bebauung mit etwa 2000 neuen Wohnungen vorsieht. Zudem wurde eine Erhaltungssatzung und eine Biodiversitätsstrategie für das Areal gefordert.

Aus ökologischen Gründen sprachen sich die Bürger auch für den Schutz des Virginia-Depots in der Lerchenau aus. Die Stadt solle das naturbelassene Biotop, das früher von der Bundeswehr genutzt wurde und heute als ökologisch besonders wertvoll gilt, aufkaufen und unter Naturschutz stellen. Auch griff die Versammlung den Vorschlag eines anderen Bürgers auf. Er wies darauf hin, dass sich nordöstlich vom S-Bahnhof Feldmoching zwischen den Gleisen und der Raheinstraße ein kleines Biotop gebildet habe, das die Stadt schützen müsse. In der Nähe könnte zudem ein Naturkindergarten gebaut werden.

Änderungswünsche für den Ausbau der GWG-Wohnhäuser an der Ittlingerstraße südlich des U-Bahnhofs Hasenbergl wurden von einer Bürgerin ebenfalls mit dem Hinweis auf Naturschutz vorgetragen. Sie forderte, die geplante Tiefgarage so zu bauen, dass entlang der Straße Robinien gepflanzt werden können. Obwohl ein städtischer Vertreter dies als technisch zu kompliziert einschätzte, stimmte die Versammlung dafür. Unterstützung fanden auch Tempo-Limits und Fahrbeschränkungen in verschiedenen Straßen. Zudem erneuerten die Bürger ihren Wunsch, die Straßen an den drei Bahnübergängen bald unter die Gleise zu verlegen. Möglichst noch bevor auf dem Lerchenauer Feld der Acker den neuen Wohnungen weichen muss.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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