Feinkost aus Italien:München isst mediterran

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Luftgetrockneter Schinken hängt von der Decke der Schrannenhalle - bei den Münchnern kommt das Eataly gut an. (Foto: Florian Peljak)

Dass die italienische Kette Eataly ausgerechnet München als ersten ausländischen Standort in Europa gewählt hat, ist kein Zufall.

Von Franz Kotteder

Schon wahr: In den vergangenen zwei Monaten hätte man leicht den Eindruck gewinnen können, München sei erst dank des neuen Eataly in der Schrannenhalle aus dem Tal der Ahnungslosen, was italienische Spezialitäten angeht, hinaus ins Schlaraffenland und in das helle Licht der Erkenntnis geführt worden.

Das ist natürlich ein Schmarrn. In Wirklichkeit ist es ja so, dass der Konzern Eataly, der dieser Tage sein neunjähriges Bestehen feiern kann, gerade deshalb seine erste Filiale in Europa außerhalb von Italien hier eröffnete, weil die Münchner eben besonders Italien-afin sind und sich besonders gut auskennen, was die italienische Küche angeht. Nicht nur von den Wochenendausflügen zum Gardasee her oder den ersten Badeurlauben in Rimini, sondern auch von den Ristorantes und Geschäften vor der eigenen Haustür. Man kann das Klischee von der "nördlichsten Stadt Italiens" zwar schon nicht mehr hören, aber es ist halt auch etwas Wahres dran.

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Das alles begann vor vielen Jahrzehnten. Man muss nicht unbedingt mit der Osteria italiana in der Schellingstraße anfangen, die 1890 als erstes italienisches Lokal von einem Münchner mit dem schönen Namen Joseph Deutelmoser eröffnet wurde. Es war kein rascher Durchbruch für die mediterrane Küche: 60 Jahre später, 1950, zählte man in der Stadt genau fünf italienische Restaurants. Dann aber kamen das Wirtschaftswunder und die Autokarawanen über den Alpenhauptkamm hinunter zur Adria. 1980 zählte man schon 121 italienische Ristorantes, Trattorien, Pizzerien und Osterien in München; heute sind es an die 700, mit dem Großraum München sogar um die 1000.

Die brauchen natürlich jede Menge Rohstoffe für ihre Küche, sprich: Feinkost und Spezialitäten aus der Heimat, ebenso wie zahlreiche italienische Lebensmittelhändler in der Stadt und drumherum. Deren Zahl ist zwar rückläufig, aber das schon länger, und das liegt auch nicht daran, dass die Münchner der italienischen Küche überdrüssig geworden wären, im Gegenteil. "Bei den Massenprodukten werden wir immer stärker vom Discount und von den Großmärkten bedrängt", sagt Roberto Farnetani, italienische und mediterrane Erzeugnisse finde man heutzutage in jedem deutschen Supermarkt. Dafür müsse man nicht mehr zu einem italienischen Feinkosthändler gehen.

Farnetani muss es wissen. Der kleine, umtriebige Mann beliefert gut 500 der italienischen Restaurants in und um München, dazu noch alle wichtigen großen Hotels der Stadt, vom Bayerischen Hof bis zum Mandarin Oriental, und nicht zuletzt auch den Flughafen. 1982 gründete er seinen Feinkosthandel, nur Konkurrent Spina, der heute seinen Sitz im Euro-Industriepark hat, war früher dran; er ist bereits seit 1970 in München ansässig.

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Farnetani hat eine beinahe lupenreine Tellerwäscher-Karriere hinter sich. Auch wenn er nicht als Tellerwäscher, sondern als Kellner begonnen hat. Geboren in dem toskanischen Bergdorf Radicofani, machte er eine Lehre in einem Hotel und arbeitete dann in Florenz und später am Monte Amiata. Weil sein Bruder, der in München lebte, 1980 einen schweren Autounfall hatte und Hilfe brauchte, ging er an die Isar. Hier kam er dann auf die Idee, Chianti zu importieren. Sein erstes Lager waren zwei Tiefgaragenplätze in Pasing, der Wein kam von der Cantina della Chiantigiane bei San Gimignano.

Heute hat er um die 4800 verschiedene Artikel im Angebot, die man auch in seinem 600 Quadratmeter großen Supermarkt für Endverbraucher in der Pasinger Peter-Anders-Straße 9 kaufen kann - ein Paradies für Liebhaber italienischer Speisen; viele Gastronomen kaufen hier ein, zum Beispiel auch Mario Gamba, Chef des Bogenhausener Sternerestaurants Acquarello, das erst kürzlich vom Wirtschaftsministerium in Rom zum "besten italienischen Restaurant außerhalb Italiens" gekürt wurde.

Farnetani macht 80 Prozent seines Jahresumsatzes von 14 Millionen Euro innerhalb der Stadt, sechs Laster liefern heute die Waren aus, 35 Mitarbeiter beschäftigt er. Im Laufe der Jahre hat er sich zwei Gesellschafter - Stefano Giorgi und Giuseppe Campione - geholt; auch seine beiden Söhne arbeiten mit und sollen demnächst die Firma übernehmen.

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Roberto Farnetani kennt sich aus mit der Münchner Vorliebe für Italienisches, nicht zuletzt deshalb hat ihn sich der Münchner Filmemacher Peter Heller als wichtigen Protagonisten für seinen derzeit entstehenden Dokumentarfilm "Pasta imperiale" über den Siegeszug der italienischen Küche in Bayern ausgesucht. Anfangs habe es zu 90 Prozent Pizzerien gegeben, erzählt Farnetani, nur fünf Prozent seien hochwertige Restaurants gewesen.

Inzwischen habe sich "das qualitative Niveau der Gastronomie um 300 Prozent verbessert". In München gebe es viele Lokale der Spitzenklasse und ungefähr 60 der gehobenen Kategorie. Hätten sich die italienischen Gastronomen früher noch am deutschen Geschmack orientiert, so könne man heute längst echt italienisch essen. Die Kundschaft kenne sich inzwischen sehr gut aus, "von denen kann man nicht selten noch selbst etwas lernen".

Davon, dass der Markt schon gesättigt ist, kann also kaum die Rede sein, wenn immer mehr Feinschmecker, Italienfans, Essengeher und Selberkocher auf der Jagd nach neuen, noch nicht geschmeckten Delikatessen sind. Da gibt es auch jenseits der Massenware bei Supermärkten und Discountern oder dem Feinkostkaufhaus à la Eataly noch Nischen für die Kleinen. Die müssen, glaubt Farnetani, verstärkt auf Premiumware setzen. Er selbst hat inzwischen ja auch zwölf verschiedene Sorten Aceto Balsamico im Programm, jeweils mit ganz unterschiedlichen Reifezeiten.

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Ob er die heute in Italien auch im Sortiment haben müsste? Man weiß es nicht. Vielleicht geben sich die Münchner ja auch nur einfach große Mühe, besonders gute Italiener zu werden.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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