Süddeutsche Zeitung

Fangesänge zum Glockenspiel:Diesmal gehört der Rathausbalkon den Frauen allein

Lesezeit: 3 Min.

Die Spielerinnen des FC Bayern zeigen, dass eine Meisterfeier auf dem Marienplatz auch ohne die titellosen Männer funktioniert. Ein paar Spitzen gegen die Herren gibt es von Oberbürgermeister Reiter.

Von Maik Rosner

Als Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nachträglich zu seinem 66. Geburtstag ein Trikot vom FC Bayern überreicht bekam, wirkte die Szenerie im Großen Sitzungssaal des Münchner Rathauses beinahe wie immer, obwohl vieles ganz anders war. Zwar ist die Trikotübergabe an den bekennenden Fan des Vereins längst zur Tradition im Rahmen der alljährlichen Meisterfeiern geworden. Doch diesmal hatten ja nur die Fußballerinnen des FC Bayern ihren Titel in der Bundesliga erfolgreich verteidigt, weshalb auch nur sie am Dienstagmittag gebührend beklatscht und bejubelt wurden, als sie nach dem Empfang bei Reiter und dem Eintrag ins Gästebuch der Stadt auf den Rathausbalkon traten.

Anders als im vergangenen Jahr bei der gemeinsamen Meisterfeier mit den Männern standen auf dem Marienplatz nun zwar nicht 20 000 Menschen, sondern laut Schätzungen rund 2500. Dennoch konnten die Frauen vom Balkon aus auf eine beträchtliche Menge schauen, die den zentralen Platz der Stadt ganz gut füllte. Darunter waren zwar auch viele Passanten, Schaulustige und Touristen, die spontan stehen blieben. Dennoch übertönten die rund 200 bis 300 Menschen, die wegen ihrer Schals und Trikots als Bayern-Fans erkennbar waren, mit ihren Gesängen das Glockenspiel am Turm des neuen Rathauses.

Auf dem Balkon präsentierten die Frauen des FC Bayern ihre Meisterschale und machten die La-Ola. Die Anhänger besangen den wunderschönen Tag, und natürlich fehlten auch die überdimensionalen Weißbiergläser des Sponsors nicht. Nur das ganz große Tamtam, das sonst um die Männer gemacht wird, blieb diesmal aus. Stattdessen war es eine vergleichsweise kleine, aber feine Meisterfeier geworden, die die Frauen später mit einem gemeinsamen Essen beschlossen.

"Wir wären natürlich auch sehr gerne mit den Männern hier gestanden", sagte Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn, aber es sei "sehr, sehr schön, dass wir erneut hier stehen dürfen und so empfangen werden." Die 24-Jährige wertete den beträchtlichen Zuspruch als "eine Bestätigung für unseren Weg". Ihre Teamkollegin Linda Dallmann merkte zwar an, dass eine Meisterfeier ohne die Männer "nicht so richtig Bayern-like" sei. Aber vielleicht, sagte die Mittelfeldspielerin, "ist es auch mal ein Zeichen", dass die Erfolge der Frauen "genauso viel wert" seien.

Abteilungsleiterin Bianca Rech erkannte in dem Empfang ebenfalls "eine große Wertschätzung". Von Genugtuung war bei den Frauen allerdings nichts zu spüren, in dieser Saison erfolgreicher gewesen zu sein als die Männer und nun alleine im Mittelpunkt zu stehen. Der Gewinn der Meisterschaft der Frauen sei "ein Titel für den FC Bayern, für den Verein", sagte Rech. Am Rande der Meisterfeier wurde auch noch die Vertragsverlängerung mit Cheftrainer Alexander Straus bis 2026 verkündet.

Vergleiche zu den Männern ziehen die Fußballerinnen beim FC Bayern ohnehin nicht so gerne. Auch, weil der Frauen-Fußball in Deutschland lange Zeit von Verbänden und Vereinen vernachlässigt worden war und noch immer viel bescheidenere Voraussetzungen hat, trotz der inzwischen beträchtlichen Popularität. "Ich glaube, da müssen wir einfach auf uns schauen, wie unsere eigene Entwicklung vonstattengegangen ist", befand Gwinn und ergänzte, man könne "sehr, sehr stolz sein auf alles, was wir bewegt haben und wie viele Menschen wir schon begeistern können".

Doch natürlich waren auch die Männer immer wieder Thema bei der Meisterfeier, auch gleich zu Beginn des Empfangs im Großen Sitzungssaal vor rund 50 Gästen. "Nicht nur Leverkusen schafft es, die ganze Saison ungeschlagen zu bleiben, auch die Bayern-Frauen schaffen das", sagte Reiter während seiner Rede. Das war nur eine von mehreren Anspielungen auf den Männerfußball, und die nächste Spitze für die Profi-Kicker des FC Bayern folgte sogleich.

"Ich will jetzt alle Bezüge zum Herrensport verschweigen. Auch, dass man in Hoffenheim gewinnen kann", stichelte Reiter. Die Männer hatten am Samstag bei der TSG trotz einer 2:0-Führung 2:4 verloren, die Münchnerinnen dagegen hatten in Hoffenheim am Pfingstmontag 4:1 gewonnen. "Ich freue mich, dass heute der Sport weiblich ist", sagte Sportbürgermeisterin Verena Dietl (SPD). Durch den Meistertitel der Bayern-Frauen "strahlt München wieder in die Welt hinaus".

Vom FC Bayern gekommen waren auch Präsident Herbert Hainer sowie die Vorstände Jan-Christian Dreesen (Vorsitzender), Michael Diederich (Finanzen) und der scheidende Andreas Jung (Marketing). Hainer bezeichnete die Frauen als Vorbilder, auch wegen ihres Zusammenhalts und Teamgeistes. "Das hilft dann auch immer, schwierigere Zeiten zu überstehen", sagte Hainer. Wer wollte, konnte das durchaus als Querverweis auf die Männer verstehen. Im kommenden Jahr, hoffen sie beim FC Bayern, sollen auch die Herren wieder etwas zu feiern haben, gemeinsam mit den Frauen. Und dann, sagte Hainer zu den Meisterinnen, "bin ich überzeugt, nehmt ihr auch die Männer gerne mit".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.7254117
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.