Faustschläge gegen Nazi-Gegner:Staatsanwaltschaft ermittelt gegen USK-Beamten

Münchner demonstrieren gegen Neonaziaufmarsch, 2012.

Ein Mann protestiert gegen einen Aufmarsch von Neonazis durch die Münchner Innenstadt. Nun wird wegen eines Polizeieinsatzes gegen Nazi-Gegner ermittelt.

(Foto: Robert Haas)

Neuer Fall von Polizeigewalt in München? Vor Gericht steht ein Nazi-Gegner wegen Widerstands gegen Beamten. Doch die Richterin spricht den Aktivisten frei - und beanstandet stattdessen die Faustschläge eines USK-Beamten. Gegen den Polizisten wird nun ermittelt.

Von Bernd Kastner

Ein neuer Verdacht von unrechtmäßiger Polizeigewalt ist im Zuge eines Strafprozesses gegen einen Nazi-Gegner bekannt geworden. Der Mann war in erster Instanz verurteilt worden, weil er während eines Nazi-Marsches Widerstand gegen Polizisten geleistet haben soll. In der Berufung sprach ihn jetzt das Landgericht frei. Die Richterin registrierte in der Verhandlung auf einem Polizeivideo zwei Faustschläge eines Beamten gegen Brust und Kinn des Angeklagten. Diese Schläge seien "durch nichts gerechtfertigt", erklärte sie.

Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt eingeleitet. Es richtet sich gegen unbekannt, denn noch ist der betreffende Beamte nicht identifiziert.

Dominik A., 23, ist einer von etwa einem Dutzend Nazi-Gegnern, die angeklagt wurden, weil sie im Januar 2012 in der Sonnenstraße versucht haben sollen, einen Aufmarsch von Rechtsextremisten zu blockieren. Das war jene von Norman Bordin angemeldete Neonazi-Demo, auf der kurz zuvor die Paulchen-Panther-Melodie gespielt worden war. Mit diesem Lied hatten die NSU-Terroristen das Bekennervideo zu ihrer Mordserie unterlegt.

Das Amtsgericht verurteilte den Nazi-Gegner A. zu 60 Tagessätzen, weil er sich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht habe. Die Staatsanwältin forderte in der Berufung, die Strafe zu bestätigen.

Das lehnte Susanne Hemmerich, Vorsitzende der 22. Strafkammer am Landgericht, jedoch ab und bescherte den Anklägern eine weitere Schlappe: Trotz der zahlreichen Prozesse wegen der versuchten Blockade ist bisher keine rechtskräftige Verurteilung bekannt. Bisher gab es mehrere Freisprüche und Einstellungen, manche Verfahren laufen noch. Gegen den Freispruch für A. hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.

"Man hätte die Durchsage wiederholen müssen"

Das Landgericht begründete seine Entscheidung zugunsten des Nazi-Gegners damit, dass die Aktion der Polizisten in der Sonnenstraße, die die Blockierer wegschoben und -drückten, nicht rechtmäßig gewesen sei. Die Polizei hätte unmittelbar vor der Räumung diese nochmals in einer Durchsage ankündigen müssen. Die letzte Lautsprecherdurchsage aber lag da schon eine halbe Stunde zurück, und es sei nicht bewiesen, dass der Angeklagte diese gehört habe.

Die Polizei müsse ihre Absicht jedoch klar kundtun. Es sei nicht Aufgabe der Bürger, herauszufinden, was die Polizei beabsichtige, wenn sie zu schieben beginne. "Man hätte die Durchsage wiederholen müssen", so die Richterin. Sie verstehe nicht, warum dies nicht geschehen sei.

Hemmerich hält der Polizei nicht nur dieses Versäumnis vor. Beim genauen Betrachten der Polizeivideos erkannte sie, dass beim Gerangel zwischen Linken und behelmten Polizisten der Angeklagte von einem Beamten mit der Faust zunächst gegen den Brustkorb und unmittelbar danach gegen das Kinn geschlagen wurde. Diese Schläge seien "nicht in Ordnung", sagte Hemmerich. Selbst dann nicht, wenn man Dominik A. eine Widerstandshandlung unterstelle. Verletzt wurde der Demonstrant aber offenbar nicht.

"Polizisten sind keine Nummern"

Die Szene in der Sonnenstraße könnte die Diskussion um die Kennzeichnung von Polizisten befeuern. Noch ist unklar, welcher Beamte überhaupt geschlagen hat. Der Polizist gehört offenbar dem Unterstützungskommando USK an, einer geschlossenen und uniformierten Einheit; er trug einen Helm. Als ihn in erster Instanz Verteidiger Marco Noli als Zeuge laden wollte, lehnte das Amtsgericht dies ab. Begründung: "Der Polizeibeamte ist (auf dem Video) nur von hinten zu sehen und ohne jede Kennzeichnung."

Noli fordert als Sprecher der "Initiative für eine transparente/bürgerfreundliche Polizei", der auch Richter und Polizisten angehören, schon lange, alle Beamte für jeden Bürger identifizierbar zu machen, um Fälle möglicher Polizeigewalt zuverlässiger aufklären zu können. Dies sei in der Vergangenheit nicht immer geschehen. Außerdem gebe es völkerrechtliche Verträge wie die Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die eine solche Kennzeichnung verlangten.

Polizei und Innenministerium wollten den jetzt vor Gericht bekannt gewordenen Fall nicht kommentieren. Die Weigerung, Beamte in geschlossenen Einheiten zu kennzeichnen, begründet Ministeriumssprecher Oliver Platzer damit, dass man sie schützen wolle. Wären sie identifizierbar, bestünde die Gefahr des Missbrauchs ihres Namens: Bürger könnten einen Polizisten grundlos im Internet an den Pranger stellen. Gerade bei Demonstrationen seien viele Personen zugegen, die grundsätzlich etwas gegen die Polizei hätten.

Außerdem, so Platzer, sei auch in geschlossenen Einheiten eine Identifizierung möglich, nämlich über den Einsatzleiter. Selbst die Forderung, Beamte nicht namentlich, sondern anonymisiert zu kennzeichnen, über Nummern etwa, weist Platzer zurück: "Polizisten sind keine Nummern."

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