Die Marktweiber auf dem MarienplatzMit Kostüm, aber ohne Tanz

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Blüten, Bienen, Plüschschweine: Die Kostumierung verrät, was die Standlfrauen auf dem Viktualienmarkt verkaufen.
Blüten, Bienen, Plüschschweine: Die Kostumierung verrät, was die Standlfrauen auf dem Viktualienmarkt verkaufen. (Foto: Catherina Hess)

Der große Auftritt der Standlfrauen auf dem Viktualienmarkt ist dieses Jahr wegen des Anschlags ausgefallen. Dennoch ziehen sie durch die Münchner Innenstadt - und haben eine gute Nachricht.

Von Sabine Buchwald

Eigentlich wollten die Marktfrauen um 12.30 Uhr beim Donisl sein. Dort etwas zu Mittag essen und dann gemütlich weiterziehen in Richtung Tal. Das Weiße Bräuhaus, das Hofbräuhaus, auch den Andechser und das Hackerhaus in der Sendlinger Straße haben sie sich vorgenommen für den Nachmittag. Aber es ist so schnell kein Durchkommen für die bunte Truppe, sie fällt zu sehr auf. Liane Willand-Schäfer etwa mit ihrem üppig beblümten, pinken Hut, oder Julia Schäfer in ihrem türkisfarbenen, blütenbesetzen Kleid. Auf Petra Kagers honigbraunem langen Rock schimmern goldene Bienen über dem Blumenrand, und auf Carin Zöllers pinker Tasche und fluffigen Kopfputz kuscheln sich kleine Plüschschweine. Die Damen hier haben sich standlgemäß angezogen, je nachdem, womit sie es sonst täglich zu tun haben - mit Obst, Gemüse, Honig oder Würsten.

Der Weg vom Viktualienmarkt bis zur Weinstraße ist an sich nicht weit, und es ist auch nicht viel los auf dem Marienplatz an diesem von der Sonne verwöhnten Faschingsdienstag. Ein paar Touristen sehnen sich, nachdem das Glockenspiel im Rathausturm verklungen ist, nach neuen Attraktionen. Und manche Münchner freuen sich, weil sie nicht damit gerechnet hatten, sie hier anzutreffen. Nicht allzu viele Menschen sind heute maskiert, und da kommen die farbenfroh zurechtgemachten Frauen gerade recht. Immer wieder werden sie angesprochen und fotografiert. „Sind das die Marktweiber?“, fragen Passanten, die die Tradition der tanzenden Standlfrauen kennen. Ja, das sind sie. Sie nennen sich selbst Weiber und finden nichts Despektierliches daran. Neun Frauen zwischen 24 und 71 Jahren und ein regenbogenbunt gekleideter Mann, von dessen paillettenbesetzem Zylinder eine silberne CD blinkt.

Tanzlehrer Christian Langer bringt den Marktfrauen seit 21 Jahren Walzer, Squaredance und allerlei weitere Schrittfolgen bei.
Tanzlehrer Christian Langer bringt den Marktfrauen seit 21 Jahren Walzer, Squaredance und allerlei weitere Schrittfolgen bei. (Foto: Catherina Hess)

Sie steht für die Musik, die Christian Langer seit Jahrzehnten begleitet. Er ist ausgebildeter Tanzlehrer, hat 28 Jahre lang an Münchner Tanzschulen unterrichtet und bringt seit nunmehr 21 Jahren den Standlfrauen seine Kunst bei. Schon jeweils im Herbst denkt er sich neue Choreografien aus. Walzerdrehungen, Squaredance, Schrittfolgen zu irischen Klängen und zu Helene Fischers „Atemlos“ hätten sie dieses Jahr vorführen wollen. Aber daraus wurde bekanntlich nichts. Nach dem für eine Mutter und ihr Kind tödlich endenden Attentat am 13. Februar hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter die Münchner Faschingsumzüge und den Tanz der Marktweiber abgesagt. Die Enttäuschung unter den Marktfrauen ist groß.

Von Oktober bis Dezember hatten sie sich einen Abend pro Woche zum Üben getroffen. Ab Januar dann sogar zweimal drei Stunden. „Wir haben viel Zeit investiert“, sagt Langer. 13 Tänze studiert man nicht einfach mal schnell ein. Neben der kreativen Arbeit habe er auch viele Stunden am Computer verbracht. Für fünf Frauen und auch für Christian Langer hätte es der Abschiedstanz werden sollen. Die einen, wie etwa Christa Lang, 71, fühlen sich inzwischen zu alt dafür, Christian Langer, 51, möchte zeitlich nicht mehr so arg gebunden sein.

Christa Lang (links) wird nun von Susanne Müller als Sprecherin der Marktweiber abgelöst.
Christa Lang (links) wird nun von Susanne Müller als Sprecherin der Marktweiber abgelöst. (Foto: Catherina Hess)

„Das Tanzen am Faschingsdienstag kann man nicht ersetzen“, sagt Lang, bislang Sprecherin der Münchner Marktweiber am Telefon. Sie hätte sich eine andere Entscheidung gewünscht. Sie fühlten mit den Angehörigen, den Verletzten, aber das Leben gehe weiter, sagt sie. „Wir hätten gerne mit unseren Tänzen anderen eine Freude bereitet“, sagt Langer, gerade in diesen insgesamt doch sehr betrüblichen Zeiten. Dass die Leute so positiv reagieren, genießt er sichtlich sehr. Nun wollen sie 2026 zeigen, was sie eingeübt haben. „Weil wir den Mädels und Christian einen würdigen Abschied bereiten wollen“, erklärt Susanne Müller, die künftige Sprecherin. Geprobt wird dann aber erst ab Januar.

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