Normalerweise geht die Sache ja so: Wenn Schauspieler zu Stars werden, soll man ihre Leichen im Keller am besten vergessen. Leute wie George Clooney (Die Rückkehr der Killertomaten), Sylvester Stallone (Italian Stallion) oder auch Heiner Lauterbach (Schulmädchen-Report, Teil 9-11) kennen das. Bei Daniel Radcliffe läuft es umgekehrt: Erste TV-Rolle mit zehn, Weltstar mit zwölf dank Harry Potter. Seitdem gilt er als der Welt liebster Zauberlehrling und Nickelbrillenträger. Heute ist er siebenundzwanzig und holt all das Wahnsinnige und Waghalsige nach, wofür er in seiner Jugend keine Zeit hatte.
In Swiss Army Man spielt er eine Wasserleiche mit Düsenantrieb und Dauerständer. Klingt nach pubertärer Posse, nekrophilem Nonsens oder zumindest nach der Standardausrede: "Ich war jung und brauchte das Geld." Tatsächlich vereint einer der außergewöhnlichsten Filme der vergangenen Jahre morbiden Witz und Poesie, er ist dramatisch, philosophisch und eklig. So eine Mischung muss man auch erst einmal hinbekommen.
BBC-Umfrage:Das sind die besten Filme des 21. Jahrhunderts
Die BBC hat Filmkritiker auf der ganzen Welt gefragt: Welche sind die besten Filme, die seit dem Jahr 2000 gedreht wurden? Hier sind die Ergebnisse.
Radcliffe mimt eine Leiche namens Manny, die an den Strand einer Insel gespült wird. Dort will sich ein einsamer Ersatz-Robinson-Crusoe (Paul Dano) gerade umbringen, angesichts der neuen Strandgesellschaft verschiebt er das aber noch einmal. Manny erweist sich für ihn so nützlich wie ein Schweizer Taschenmesser: Seine Verwesungsgase dienen als Jetski-Antrieb, sein Mund ist ein praktischer Wasserspender, selbst als Rakete taugt er. Als die Leiche dann auch noch zu sprechen beginnt, fühlt sich der einsame Zottel so lebendig wie nie zuvor.
Das Spielfilmdebüt der Musikvideo-Regisseure Dan Kwan und Daniel Scheinert eröffnet das Fantasy-Filmfest. Das passt perfekt, denn auch in seiner 30. Ausgabe gibt sich das durch Deutschland tourende Genre-Filmfestival radikal, provokant und ambitioniert. Vor allem aus Asien kommt dieses Jahr heiße Genre-Ware: Der südkoreanische Schocker The Priests vermischt katholischen Aberglauben mit buddhistischer Geisteshaltung und garniert das Ganze mit viel Geschrei, eine teuflische Kombination. Was insofern gut passt, da der Film von einem Exorzismus erzählt.
Für Schockmomente sorgt auch der indische Serienkillerfilm Psycho Raman, der sich auf ein irres Duell zwischen Killer und Cop konzentriert. Sehenswert ist auch der iranische Geisterfilm Under The Shadow, der von einer Medizinstudentin im Teheran der Achtzigerjahre erzählt. Solche Filme zeigen, dass man auch altbekannten Genres Neues abringen kann. Apropos neu: Daniel Radcliffes Sturm- und Drangphase ist noch nicht vorbei.
Das Fantasy-Filmfest zeigt auch den Skinhead-Thriller Imperium, darin geht er mit kahlrasiertem Schädel unter die Neonazis. Dagegen erscheint selbst Harry Potter als bleiche Kellerleiche.
30. Fantasy-Filmfest München, Donnerstag, 25. August, bis Sonntag, 4. September, Cinemaxx, Isartorplatz 8, www.fantasyfilmfest.com