Integration:"Das ist für die Kinder ein zweites Wohnzimmer"

  • Es gibt 27 Familienzentren in München, die meisten werden von kleineren Vereinen und Ehrenamtlichen betrieben.
  • Von der Stadt bekommen die Einrichtungen Fördermittel in sehr unterschiedlicher Höhe, zwischen 7000 und 400 000 Euro im Jahr.
  • Nun hat der Stadtrat beschlossen, dass in den kommenden Jahren weitere Einrichtungen geschaffen werden sollen.

Von Anna Hoben

Es gibt Tage im Familienzentrum Hadern-Blumenau, da ist so viel los, dass sich Mütter und Kinder gegenseitig auf die Füße treten. An diesem Vormittag im Januar ist es anders. Regelrecht entspannt ist es hier drin, was wohl mit dem Wetter draußen zu tun hat. Umso besser für Jasmin, Natalia und Leon - so haben sie mehr Platz, die beiden Zweijährigen und der Anderthalbjährige. Das Bällebad gehört ihnen ganz allein.

Engagierte Mütter haben das Familienzentrum im Jahr 2000 gegründet, als eine Art Selbsthilfegruppe. Die ersten Einrichtungen dieser Art entstanden bereits Anfang der Achtzigerjahre, damals nannte man sie noch "Mütterzentren". Mittlerweile gibt es 27 Familienzentren in München, acht davon in professioneller Trägerschaft, die übrigen getragen von kleineren Vereinen und überwiegend von Ehrenamtlichen betrieben. Von der Stadt bekommen die Einrichtungen Fördermittel in sehr unterschiedlicher Höhe, zwischen 7000 und 400 000 Euro im Jahr.

Sie bieten Raum zur Begegnung und zum Austausch, füllen die Lücke zwischen Geburt und institutioneller Kinderbetreuung und sollen dabei helfen, gute Ausgangsbedingungen für alle Kinder zu schaffen, egal welchen familiären Hintergrund sie haben.

Nun hat der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zur Ausrichtung dieser Einrichtungen und zur Planung weiterer Familienzentren in München verabschiedet. Denn dass ihre Angebote aus der Stadt nicht mehr wegzudenken sind, ist unstrittig. "Gerade in den Stadtteilen mit besonders hohem Unterstützungsbedarf für Kinder und Familien sind die Familienzentren ein zuverlässiger und geschätzter Ort, vor allem auch für erschöpfte und sozial schwächere Familien", heißt es in dem Beschluss. Neue Familienzentren sollen unter anderem in der Parkstadt Schwabing, auf dem Gelände der Prinz-Eugen-Kaserne, in Ramersdorf und in Freiham entstehen.

An der Wand in der Blumenau hängt eine Weltkarte, auf die kleine bunte Punkte geklebt sind, sie zeigen an, woher die Familien stammen. "Da fehlen aber noch viele Punkte", sagt Regina Hell, die als Sozialpädagogin mit einer halben Stelle angestellt ist. Menschen aus 63 Nationen kommen hier zusammen, und auch die Gesellschaftsschichten mischen sich. Viele Hartz-4-Empfänger sind darunter, aber eben auch Ärztinnen oder Juristinnen.

Die Arbeit geht weit über die Kinderbetreuung hinaus

In einer Tabelle listen sie jeden Monat auf, wer die einzelnen Angebote wahrgenommen hat, das offene Frühstück am Mittwoch und Donnerstag, die Krabbelgruppe, die Spielgruppe oder die Bewegungsgruppe. Meist machen Migranten zwei Drittel bis drei Viertel der Teilnehmer aus. Das zeigt, dass die Arbeit, die hier geleistet wird, weit über Kinderbetreuung hinausgeht. Die Familienzentren sind vielmehr auch Integrationszentren.

"Sie lernt hier viel", sagt Anna Tyczynska. Seit November kommt die 34-Jährige regelmäßig mit ihrer kleinen Tochter Natalia ins Familienzentrum, sie wohnen ganz in der Nähe. Zu Hause sprechen Tyczynska und ihr Mann meist Polnisch, deshalb habe Natalia sich unter den anderen Kindern anfangs ein bisschen verloren gefühlt. Jetzt lernt sie spielerisch zusammen mit ihnen Deutsch, etwa in der Singgruppe. In einem Monat bekommt Natalia einen kleinen Bruder. Wenn die Schwester dann irgendwann in den Kindergarten geht, wird die Mutter mit dem Kleinen ins Familienzentrum kommen.

So wie auch Nicole Maierhofer, 32, die Mutter der zweijährigen Jasmin. Seit ihrer Geburt ist das Mädchen regelmäßig mit ihrer Mutter im Familienzentrum, auch der Bruder ist quasi hier aufgewachsen. "Das ist für die Kinder ein zweites Wohnzimmer", sagt die Mutter. Sie selbst hat als Ehrenamtliche mit der Frühstücksbetreuung angefangen. Mittlerweile engagiert sie sich im Vorstand des Vereins und springt ein, wo sie gebraucht wird. Mit Hermann Streifeneder sitzt im Vorstand auch ein Mann, "gewählt von 60 Frauen", erzählt er stolz, schließlich müsse ja einer die Männerquote erfüllen. Schon seine Töchter kamen ins "Faz", wie sie es nennen, heute sind sie längst erwachsen, die eine fängt bald an zu promovieren, nebenbei kümmert sie sich um die Webseite des Familienzentrums.

Es ist wie in einer großen Familie

Die Ressourcen sind natürlich immer knapp. Eigentlich, sagt Regina Hell, wäre auch eine Stelle für die Verwaltung nötig; so muss die anfallende Arbeit eben irgendwie nebenbei erledigt werden. Seit einigen Jahren sind sie zudem auf der Suche nach einem größeren Raum. Das Problem dort, wo sie jetzt sind: Es ist immer nur ein Angebot möglich, zwei Programme gleichzeitig, das geht nicht. Entweder Hebammenkurs oder Bewegungsgruppe. Entweder Vorkindergarten oder Singspiel.

Auch im Büro ist es beengt; hier sitzt Regina Hell, wenn sie Familien in puncto Erziehung berät. Nach einer Trennung, bei Paarproblemen, psychischen Schwierigkeiten oder wenn ein Kind Auffälligkeiten zeigt, kann die Sozialpädagogin an die entsprechenden Stellen weitervermitteln.

Wie eine große Familie sei das hier, sagt Hermann Streifeneder. Jeder kann etwas, jeder bringt sich mit seinen Fähigkeiten ein, jeder hilft dem anderen. Im Keller gibt es einen Verkauf, Kinderkleider, Spielsachen und Kinderwagen sind dort günstig zu haben. Es ist nicht schwer herzukommen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. "Niedrigschwelliges Angebot" nennt man das im sozialen Bereich. Und wie nebenbei lernen die Eltern etwas über die Kulturen der anderen. Beim After-Work-Eintopf bringt immer jemand anders eine typische Suppe aus seiner Heimat mit. Manchmal gibt es Vorträge über die einzelnen Länder. "Es geht ums Miteinanderreden", sagt Streifeneder. Wie in einer großen Familie eben. Und das klappt offenbar hervorragend.

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