Maxvorstadt:Der Mann, der die Pizza nach München brachte

Maxvorstadt: Vater und Tochter teilen die Leidenschaft für gute Küche. Mario Gargiulo ist stolz auf Marie-Lisa, die schon als Kind mitgeholfen hat.

Vater und Tochter teilen die Leidenschaft für gute Küche. Mario Gargiulo ist stolz auf Marie-Lisa, die schon als Kind mitgeholfen hat.

(Foto: catherina Hess)

Mario Gargiulo war der erste Pizzabäcker der Stadt. Sein Restaurant ist auch bei Promis beliebt - ein Foto aber gibt es nur von einem Star.

Von Andreas Schubert

Eineinhalb Minuten bei 450 Grad, nur so wird laut Mario Gargiulo eine Pizza perfekt. Der Mann muss es wissen, er stand schließlich lange genug am Ofen. Der Italiener war der erste Pizzabäcker Münchens, dieses Jahr feiert die Pizzeria Bei Mario ihren 50. Geburtstag. Mario Gargiulo ist jetzt 81 Jahre alt - und steht noch immer gerne in der Küche. Auch wenn seit zehn Jahren seine Tochter Marie-Lisa, 30, das Lokal in der Adalbertstraße 15 leitet.

Die beiden sitzen an einem Tisch am Eingang der Pizzeria und erzählen aus ihrem Leben. Sie, wie sie schon von klein auf im Betrieb mitgeholfen, später an der Bar gearbeitet und sich dann für eine gastronomische Laufbahn entschlossen hat. Er, wie er 1959 nach München kam, um Deutsch zu lernen - und dann hier blieb.

Sie, wie sie als talentierte Pianistin eigentlich Musik studieren wollte, sich dann aber in Rom zur Köchin ausbilden ließ. Er, wie er schon nach ein paar Monaten wieder nach Italien zurück wollte, aber dann zufällig eine Stelle als Chefkoch in einem Ristorante in der Residenzstraße bekam. Sie, wie sie des Vaters Laden übernommen und - aller Skepsis des Seniorchefs zum Trotz - modernisiert hat.

Die Geschichte eines erfolgreichen Einwandererschicksals

Vater und Tochter tauschen immer wieder liebevolle Blicke aus, korrigieren sich gegenseitig bei Kleinigkeiten. Und natürlich hat der Vater mehr zu erzählen. Es ist die Geschichte eines erfolgreichen Einwandererschicksals, die Geschichte von einem, der auszog, um in der Ferne sein Glück zu machen. Der Zuhörer merkt dem Pizza-Pionier an, dass er seine Geschichte schon Dutzende Male erzählt hat.

Es gibt viele Zeitungsartikel über ihn, der Bayerische Rundfunk hat ihn vor ein paar Jahren in der Reihe "Lebenslinien" ausführlich porträtiert. Aber Gargiulo erzählt seine Geschichte immer wieder gerne. Alles sei ihm nur mit viel Arbeit und Fleiß gelungen, betont er: "Urlaub? Hab ich nie gemacht". Und darauf, dass er 1966 seinen eigenen Laden gegründet hat und dieser sich bis heute hält, ist er ganz offenkundig stolz.

Als ältestes von sieben Kindern wuchs Gargiulo in einem Dorf in der Nähe von Sorrent südlich von Neapel auf. Die Familie lebte in einfachen Verhältnissen. Mario lernte Koch, und nach seiner Zeit beim Militär beschloss er, "dass ich mal was anderes sehen muss". Kurz vorher hatte er sich in eine junge Frau aus Ravensburg verliebt, die beiden wollten heiraten, er sollte mit Unterstützung seines künftigen Schwiegervaters ein Lokal in Memmingen eröffnen. Doch der erschien nicht zu einem vereinbarten Treffen. Also fuhr Mario nach München, wo nach zwei Monaten seine Ersparnisse aufgebraucht waren.

Gargiulos Konzept schlug bei den Münchnern ein

Von seinem letzten Geld wollte er im Ristorante Bellina noch einen Teller Spaghetti essen, als er mitbekam, dass die Chefin verzweifelt einen Küchenchef sucht. Er stellte sich vor, doch die Antwort lautete: "Ich brauche einen Küchenchef, kein Kind." Also bot der 25-Jährige an, eine Woche auf Probe ohne Bezahlung zu arbeiten. Die Bedingung der Chefin: Er sollte jeden Tag vier neue Rezepte mitbringen. Mit dem Job klappte es, später arbeitet Mario noch in einem anderen Lokal am Marienplatz, bis er dort hinschmeißt und beschließt, auf eigenen Füßen zu stehen.

Die erste Beziehung war inzwischen zerbrochen. Mario heiratet eine gleichaltrige Frau aus Italien, um seine Mutter glücklich zu machen. Doch nach zehn Jahren ist auch diese Ehe vorbei. 1979 schließlich - "Bei Mario" hatte inzwischen eine dritte Filiale in der Adalbertstraße - lernt er seine heutige Frau Edith kennen, Mutter von Marie-Lisa.

Mario Gargiulo betont immer wieder, wie wichtig Fleiß ist. "Von 1960 bis 1966 habe ich Tag und Nacht gearbeitet", sagt er. Ausgehen kommt für den jungen Mann nicht in Frage, stattdessen spart er eisern und kann auch noch Geld in die Heimat schicken. In seinen ersten Laden in der Hiltenspergerstraße steckt er 30 000 Mark Erspartes, um das heruntergekommene Lokal zu modernisieren und mit einem richtigen Pizzaofen auszustatten.

Vorher, als angestellter Koch, hatte er zwar schon auch Pizza hergestellt, den Teig aber frittiert. Das Konzept schlug bei den Münchnern ein. 1971 folgt Lokal Nummer zwei an der Luisenstraße, das er 1996 an seinen zwölf Jahre jüngeren Bruder Raffaele verkaufte. 1974 dann das heute einzige "Bei Mario" an der Adalbertstraße.

Promis werden behandelt wie alle anderen Gäste

Dort ist jetzt Marie-Lisa die Chefin, eine große, attraktive Frau, die ihren Job genauso leidenschaftlich erledigt wie einst der Vater. Von ihm hat sie übernommen, dass die Qualität über alles geht. Und dass sich Gäste in einem Lokal wohl fühlen müssen. So hat sie in den vergangenen Jahren das Lokal behutsam umgestaltet, er ist heller als früher, "insgesamt etwas weiblicher", wie sie findet. Und dem Vater hat sie im hinteren Bereich des Restaurants eine Fotowand mit alten Aufnahmen von ihm gewidmet - ein Geschenk zum Geburtstag. "Es ist ein richtiger Familienbetrieb", sagt Marie-Lisa.

Und ein Familienlokal: Inzwischen kommt schon die dritte Generation Münchner regelmäßig ins Bei Mario. Die meisten Gäste kennen die Wirtsleute beim Namen. Die Unterhaltung wird immer wieder mal unterbrochen, weil einer von beiden jemanden begrüßen muss. Dass auch so mancher Prominente hierher kommt, ist klar.

Doch viele erkennt Marie-Lisa gar nicht. Eine sehr präsente TV-Schauspielerin habe sie mal nicht bevorzugt bedient und die Frage "wissen Sie überhaupt wer ich bin", verneinen müssen. Promis werden hier behandelt wie alle anderen Gäste, betont die Wirtin. Promi-Fotos, wie man sie aus vielen anderen Lokalen kennt, gibt es hier auch keine. Bis auf eine Ausnahme: Sie zeigt Mario Gargiulo in den Siebzigern mit Sophia Loren.

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