Kleinkunst:Aufruf zum Abspecken

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40 Jahre durch dick und dünn sind Thomas und Silvana Prosperi als "Faltsch Wagoni" gegangen. "Palast abwerfen" wird nun ihr letztes Programm sein. (Foto: Faltsch Wagoni)

Mit dem Jubiläumsprogramm "Palast abwerfen" nehmen Silvana und Thomas Prosperi alias "Faltsch Wagoni" Abschied.

Von Oliver Hochkeppel

Es war eine für die Kleinkunstszene folgenreiche Begegnung: Als Reporterin des legendären Stadtmagazins Blatt interviewte Silvana Prosperi einst den Musiker Thomas Busse. Schnell hatte man sich mehr zu sagen, die beiden wurden ein Paar, privat wie beruflich. Zunächst gründeten sie eine New-Wave-Band, doch wurden Sprache und schauspielerische Umsetzung den "Rhythmuspoeten" so wichtig, dass bald eine eigene kabarettistische Bühnenform daraus wurde: "Wortbeat", ihre Mischung aus Musik und Sprachkunst, garniert mit wilden Kostümen und einem eigenwilligen Humor. Geschlechterkampf, Zeitkritik, Wortspiele - alles wird in sensationell seltsame Songs und skurrile Szenen verpackt.

Seit 40 Jahren machen die Prosperis jetzt ihr Ding. Erst als "Nomaden mit festem Wohnsitz" in einem alten Zirkuswagen hausend, woher sich der Künstlername Faltsch Wagoni bis heute erhalten hat. Dann von Gräfelfing, inzwischen von Herrsching aus. 40 Jahre durch Dick und Dünn, durch Aufs und Abs, und (oft im Auftrag des Goethe-Instituts) unterwegs in aller Welt - das will gefeiert werden, mit einem neuen Jubiläumsprogramm, das sie nun erstmals drei Abende in der Lach- und Schießgesellschaft spielen. "Palast abwerfen" heißt es in der typisch sprachspielerischen Manier der Faltsch Wagonis.

Neue Lieder haben sie dabei: etwa zu Künstlicher Intelligenz oder übers Querdenken

Noch mehr als sonst ist es ein Musikprogramm: "18 Songs, die Zugaben nicht mitgerechnet," zählt Thomas Prosperi. Was nicht bedeutet, dass die kritische Textebene fehlen würde. Schon der Titel verdeutlicht, was die Prosperis hier umtreibt: "In den Sechzigerjahren hieß es: Friede den Hütten - Krieg den Palästen! Daraus wurde leider: Paläste statt Hütten! Bis heute hat sich der Wohnraum pro Person mehr als verdoppelt, vollgestopft mit Statuskrempel, Kleiderbergen, Elektroschrott. Ein grenzenloser, die Köpfe vernebelnder Konsumzauber, bestens geeignet, sich die gefährliche Welt da draußen schönzugaukeln." Also laden Faltsch Wagoni dazu ein, abzuspecken, in der Gewissheit, dass unsere Lebensweise eines Entzugs bedarf. Das Motto grenzte die Song-Auswahl automatisch ein. Einige alte Songs passten wie die Faust aufs Auge: "Mehr Weniger", "Finanz, Finanz", "Kreuzfahrt" oder die Sprachnummer "Evolution" beispielsweise. Dazu kommen neue Lieder etwa zu Künstlicher Intelligenz oder übers Querdenken. Und zum Jubiläum dürfen ein paar Klassiker wie "Wenn ich du wäre", oder "Begrabt mein Herz in der Krümmung des Raumes" nicht fehlen, samt einer Parodie auf ihren ältesten Song "Ingo Flamingo".

Der Besuch von "Palast abwerfen" sollte für alle Freunde außergewöhnlicher Kleinkunst Pflicht sein. Denn das Jubiläumsprogramm wird zugleich das letzte von Faltsch Wagoni sein. Nach zwei harten Jahren und wenig Aussicht auf Besserung der Auftrittslage sind sie des ewigen Kleinkunst-Kampfes müde. Außerdem engagieren sich beide schon seit längerem stark in der Herrschinger Flüchtlingshilfe. Thomas Prosperi etwa bringt mit eigenen Texten ("es gab da nicht viel Brauchbares") Afghanen Deutsch bei.

Faltsch Wagoni, Di., Fr. und Sa., 8., 11. und 12. Nov., 20 Uhr, Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastr. 9, Tel. 39 19 97

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